„In diesen heil’gen Hallen kennt man die Rache nicht . . . .
Salzburg steht wieder im Zeichen der Mozart-Festspiele und in diesem Zeichen finden sich die Verehrer seiner Muse ohne Unterschied der Nation zusammen.
Salzburg, malerisch an der Salzach gelegen, die hier zwischen dem Mönchsberg und dem Kapuzinerberg hinströmt.
Im Altertum befand sich auf diesem von der Schönheit gesegneten Fleck Erde die von den Römern an den Ufern der Igonta (Salzach) erbaute Stadt Juvavum. Diese Stätte antiker Kultur wurde aber im 5. Jahrhundert vom Orkan der Völkerwanderung hinweggefegt. Menschenleer, ein Trümmerfeld, tot; bis nach langem der heilige Rupertus ins Land gezogen kam und am Fusse des Mönchsberges das Kloster St. Peter erstehen liess, womit zugleich der Grundstein zur Stadt Salzburg gelegt war.
Unter dessen Nachfolgern, welche dann als Bischöfe ausser der Stadt auch weitum das Land beherrschten, ragen u. a. Bischof Arno, der berühmte Zeitgenosse und Freund Karls des Grossen, Erzbischof Wolf Dietrich und Leonhard von Keutschach als besonders kunstfördemd hervor.
Neben der unvergleichlichen Pracht der Natur verdankt das heutige Salzburg diesen Männern seinen die Welt umspannenden Ruf.
Behufs Erbauung der vielen Kirchen (Salzburg erhielt deshalb auch das Attribut „das deutsche Rom“), der Paläste, Schlösser und Denkmäler und der Anlage und Ausschmückung von Plätzen und Gärten wurden vorwiegend Künstler aus Italien berufen, die begreiflicherweise dem Stadtbild das Gepräge des romanischen Charakters aufdrückten, wie man es in den alten Teilen der Stadt heute noch bis in den letzten Winkel verzweigt findet.
Und doch vermochte dieser fremdländische Einfluss der Eigenart des wohl gutmütig, aber streng konventionell veranlagten Volkes nicht nur keinen Abbruch zu tun, sondern im Gegenteil, mit den Reizen der Umgebung sich wohltuend verbindend, ward hier zwischen Kunst und Natur eine Harmonie geschaffen, die begreifen lässt, warum der grosse Weltreisende und Forscher, Alexander von Humboldt, begeistert den Satz schmiedete:
„Salzburg, Konstantinopel und Neapel muss ich als die schönsten Städte der Erde bezeichnen.“
Und es ist kaum ein Zufall zu nennen, dass aus diesem irdischen Paradies der Genius Mozarts zu solcher Göttlichkeit aufsteigen konnte.
Wer andernorts verständige Umschau gehalten hat, wird ja auch dort Burgen ähnlich der aus dem kleinen Häusermeer stolz aufragenden Festung Hohensalzburg gesehen haben, wird, wie hier im Mirabellgarten zwischen griechischen Statuen, die sich aus durch Farbenfülle – berauschenden Blumenbeeten erheben, auf sonnenbeglänzten Kieswegen gewandelt sein oder Orte betreten haben, die auch von einem berückenden Kranz himmelstürmender Berge malerisch schön umschlossen erscheinen.
Aber trotz alledem ist dann eine solche Siedelung nicht annähernd wie Salzhurg von jenem unbegreiflichen Zauber erfüllt, den diesem Natur, Kunst und Geschichte in wundersamer Verschmelzung verleihen und der seit langem aus allen Winden Wanderer hierher bestimmt.
Bis zur Einverleibung des Landes in das Kaisertum Oesterreichs hatte Hand in Hand mit der Kunst an der damals noch bestandenen Salzburger Universität auch die deutsche Wissenschaft geblüht. Obwohl die geringe Einwohnerzahl Salzburg zur typischen Provinzstadt stempelt und die kalten Monate das Leben zu fast ländlicher Idylle mit all ihren Kleinheiten zurückführen, mit Frühlingsbeginn fängt es an, sich zu regen. Und von Monat zu Monat erhöht sich der um diese Zeit einsetzende Fremdenstrom, der dann mit Beginn der seit Jahrzehnten im grossen Stile veranstalteten Musikfeste den höchsten Stand erreicht.
Der arme Mozart hatte es sich wohl nie träumen lassen, dass nach seinem verkannten Dasein (Erzbischof Colloredo hatte ihn mit einem derben Fusstritt aus der nunmehr nach seinem Namen betitelten Stadt hinaus gestossen, gerade hier mit seinem Lebenswerk ein derartiger Kult getrieben werdenjwird. Vorerst errichtete man eine „Mozarteum“ benannte Musikschule, die erst vor wenigen Jahren zu einem Konservatorium ausgestalltet wurde. Vom Mozarteum ging die Anregung zur periodischen Abhaltung musikalischer Feste aus, die durch Heranziehung erstklassiger Kunstkräfte von Weltruf nacch und nach eine derartige Zugkraft ausübten, dass Salzburg schliesslich zum Stelldichein für Kunstsinnige aus aller Herren Länder wurde.
Die Wirrnisse des Weltkrieges und der darauffolgende Zusammenbruch der mittel-europäischen Staaten brachten es dann mit sich, dass sich sogar eine erkleckliche Zahl bedeutender Künstler, nicht nur Musiker, sondern auch Schriftsteller, Maler und Architekten dienten zur Klassizität erhobenen Böen als Zufluchtsstätte erwählten und sich, hier festen Wohnsitz passend, zu einer ansehnlichen Künstlergemeinschaft zusammenschlossen, für welche das langjährige und nunmehr der Verwirklichung näher rückende Projekt der Erbauung eines eigenen, nach dem Bayreuther Vorbilde auszuführenden Festspielhauses reichere Anregung zu gehen vermag und gleichzeitig einen würdigen Wirkungskreis zu eröffnen imstande ist. Die zu diesem Zweck gegründete Festspielhaus-Gemeinde macht sich in diesen Tagen wieder der gesamten Kulturwelt gegenüber mit mustergültig angeregten Aufführungen mozartischer Opern und Festkonzerte bemerkbar, deren Durchführung in der Hauptsache den Wienern übertragen ist, denen sich aber noch Sänger und Virtuosen aus West und Nord beigesellt haben.
Um diese Zeit gleicht dann die Mozarttadt einem Babel, und im Theater, Konzertsaal und in den überfüllten Gasthöfen entimmt man wieder die Sprachen vieler Völker, selbst die der gelben Rasse.
Das irn zierlichen Stil des Rokoko geschaffene Stadttheater eignet sich so recht für Mozarts liebliche Muse, und der grosse Konertraum in dem knapp vor Kriegsausbruch fertig gestellten Mozarthaus gleicht einem Prunkstück.
Tagsüber ziehen fast prozessionsartig Scharen zu Mozarts ehrwürdigem Geburt- und Wohnhaus, und zu dem auf stimmugsvollen Platz ruhenden, in Erz gegossenen Mozartdenkmal, um dort den Manen es unvergänglichen Meisters in Rede und Gesang ihre Huldigung darzubringen.
Und die Züge der Kleinbahnen entführen die Fremden nach allen Richtungen zur Fahrt auf den Gaisberg mit seinem überraschenden Rundblick, nach dem überwältigend herrlichen Königssee, nach dem Lustschloss Hellbrunn mit den träumenden Teichen, nach König Ludwigs märchenhaften Schlössern am Chiemsee usw.
Voll des Entzückens über all das, was Stadt und Land an Natur- und Kunstschätzen aus einem schier unversiegbaren Born freigebig entgegenbringen, kehren die, welche dieser einzigartigen Genüsse teilhaftig geworden, von unstillbarer Sehnsucht getrieben, aufs neue in dieses Eden zurück.
Die Festspiele 1922.
Nach vielfachem Beraten, wobei kühnes Wollen oft an der Ungunst der Verhältnisse zu scheitern drohte, kam erst das Programm der diesjährigen Salzburger Festspiele zustande. Vor allem muss man, um die Schwierigkeiten, die zu bewältigen waren, ganz zu würdigen, in Betracht ziehen, dass bei dem fortwährenden Abschnellen der österreichischen Valuta nicht im Entferntesten eine genaue Feststellung des voraussichtlichen Kostenaufwandes möglich war. Erschwert wurde die Verwirklichung der Pläne auch dadurch, dass infolge der südamerikanischen Tournee der Wiener Philharmoniker nicht mit der Mitwirkung dieses ausserordentlichen Orchesters gerechnet werden konnte, doch gelang es, auch dafür Ersatz zu schaffen. Erschwerend (für den finanziellen Erfolg) fällt ins Gewicht, dass an den Salzburger Festspielen dreihundert’ Künstler, darunter Richard Strauss und Franz Schalk, teilnehmen, für die beträchtliche Honorare bezahlt werden müssen, dass zweitens dem Salzburger Stadttheater sein Etat für einen vollen Monat zu vergüten ist. Da man indes in den Kreisen der Festspielgemeinde voll Optimismus und guten Mutes war, so ist wohl anzunehmen, dass man der Schwierigkeiten Herr zu werden vermochte, umsomehr, da zur Festspielzeit, die mit der Hochsaison des Fremdenverkehrs zusammentrifft, ein sehr zahlungskräftiges Publikum vorhanden ist, dem materielle Opfer zugemutet werden können.
Kein geringerer als Professor Max Reinhardt hatte die Inszenierung der Erstaufführung ins Werk gesetzt, die begleitende Musik war von Einar Nilson komponiert, während Bühnenaufbau und Ausstattung von Professor Alfred Roller (Wien) in künstlerischer Vollendung hergerichtet waren.
Die Mitwirkenden waren sämtlich erste Schauspielkräfte des Wiener Burgtheaters und der Berliner Bühnen, unter ihnen die Damen: Bahr-MiIdenburg, Thimig, Wohlgemuth, Margarethe Christians; die Herren: Alexander Maissi, Raoul Aslan, Raoul Lange, Wilhelm Mieterle, Hartmann, Ettlinger, Schreiner, Kühne, Wäscher.
Die Hochsaison des Fremdenverkehrs hatte grosse Massen auswärtiger Besucher nach der Stadt Mozarts geführt, namentlich viele kunstbegeisterte Amerikaner, die den in der Eröffnungsvorstellung gebotenen seltenen Genüssen volle Würdigung und Anerkennung darbrachten. Der Autor hat die Tantiemen zu gleichen Teilen dem Restaurierungsfonds der Kollegienkirche und dem Festspielfonds gewidmet.
Das weitere Programm der Festspiele brachte die Mozartopern „Don Juan“, „Cosi fan tutte“, „Figaro’s Hochzeit“ und „Die Entführung aus dem Serail“ mit dem Ensemble der Wiener Staatsoper, sowie zweier Orchester-Konzerte von Mozartschen Werken mit namhaften Solisten im grossen Saale des Mozarthauses. In die musikalische Leitung teilten sich Richard Strauss und Franz Schalk. Sämtliche Opern sind neu besetzt und neu inszeniert.. Szenen-Entwürfe und Ausstattung stammen von Professor Roller, die Kostüme zu „Figaros Hochzeit“ sind von Professor Haas-Heye. „Figaros Hochzeit“ inszenierte Max Reinhardt, die übrigen Opern Hans Breuer.
An den Opernfestspielen waren beteiligt die Damen: Anday, Born, Heutke, Jovanovits, Kittel, Kurz, Hüni-Mihaczek, Schöne, Schumann aus Wien, Editah Fleischer (Berlin), Gertrude Kappel (Hannover), Barbara Kemp (Berlin) und Elisabeth Rethberg (Dresden). Ferner die Herren: Betetts, Breuer, Duhan, Gallos, Jerger, Kuhn, Madin, Maitl, Manowarda, Markhoff, Mayr, Norbert, Piccaver, Stehmann, Wiedermann, Zec aus Wien, sowie Fritz Kraus (München), Richard Tauber (Dresden).
Am Dienstag, den 15., und Sonntag, den 20. August, fanden im grossen Saal des Mozarteums Orchesterkonzerte unter Leitung von Franz Schalk, beziehungsweise Richard Strauss statt. In dem ersten wirkten Selma Kurz und Harold Bauer, in dem zweiten Elisabeth Schumann und Adolf Busch mit.
Siehe auch:
Wir Deutsch-Amerikaner
Deutsch-Amerika
Die Deutsch-Amerikaner und das Kaiserreich
Gedanken über die Zukunft des Deutschtums in Amerika
Wie das alte Österreich starb
Wie das alte Österreich starb II
Die Deutschen in Amerika
Die Deutschen in Amerika II
Eine Audienz bei Richard II. (Richard Strauss)
„Deutsch-Amerikas“ Mission
Schundromane auf dem Scheiterhaufen
Lincoln und das deutsche Element
Die Geschichte der Revolution
Der Aufbau Palästinas
Deutschland und der Weltfriede
Vaterland vor der Wiedergeburt
Das Schicksal der deutschen Kolonien
Der letzte Zar im Kreise seiner Familie
Krupp-Werk in Friedens-Arbeit
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Quer durch das neue Deutschland
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Klein-Amerika in Ostpreussen
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