aus dem Kunstmuseum Hamburg
Am 1. Juli 1911 erschien der Panther vor Agadir. Lloyd George und Asquith hielten scharfe Reden gegen Deutschland, dem die Briten eine Festsetzung in Südmarokko verbieten wollten. Die Spannung war aufs höchste gestiegen, aber Herr von Kiderlen gab nach.
Ende September erklärte Italien den Krieg der Türkei. Es ging um Tripolis.
Im 7. Jahrhundert eroberten die Araber das Land und führten den Islam ein. Unter arabischen Khalifen war Tripolis mehrmals mit Tunis vereinigt. Am 26. Juli 1510 wurde die Stadt Tripolis von den Spaniern erobert und dann den Johannitern gegeben; von diesen eroberte sie 1551 der Seeräuber Dragut, der sie der türkischen Oberhoheit unterstellte. Von da an war das Land einer der Hauptsitze der Seeräuber in Nordafrika. Der Seeräuberei setzte zuerst der englische Admiral Blake 1663 eine Schranke, indem er mit den Piraten einen Vertrag schloß; als die Piraten den Vertrag brachen, zerstörte John Narborough einen Teil ihrer Stadt. Kriegszüge gegen die Piraten unternahmen die Franzosen 1665 und 1728; beide Male wurde die Stadt erobert und fast ganz zerstört. Im Jahre 1835 unternahm die Türkei eine Expedition, stürzte die Herrschaft der Familie Karamanli, aus der seit 1714 die Deis genommen waren, und machte das Land zu einer türkischen Provinz; aus der Landschaft Benghasi wurde ein besonderer Bezirk gemacht.
Die Provinz Tripolis hat eine Fläche von 1033400 Quadratkilometer, sie ist also fast doppelt so groß wie etwa Deutschland oder Frankreich. Die Zahl der Bewohner wird auf eine Million geschätzt; es sind hauptsächlich Mauren in den Städten, arabische Beduinen und berberische Ureinwohner (Ademser) auf dem Lande, alle mehr oder weniger mit Sudan-Negern gemischt. Der größte Teil des Landes ist Sand oder vegetationsloses Hügelland; die Wüste dringt tief in das Land und stellenweise bis ans Meer. Es gibt indes zahlreiche fruchtbare Oasen, die durch Karawanenstraßen verbunden sind. Solche Oasen gibt es in fast ununterbrochener Reihe bis an den Tschadsee, also in das Herz des Sudan, und darum geht der Handel des Sudan jetzt schon zu einem großen Teile nach Tripolis, und zwar hauptsächlich auf zwei Karawanenstraßen, von denen die westliche über die Oasen Agaden, Bilma und Tümmo und weiter über die Stadt Mursuk nach Tripolis, die östliche über die Landschaften Burka, Tibesti und die Kufra-Oasen nach Benghasi geht. Der Handel aus dem Sudan gibt Tripolis und seinen Hinterländern wachsende Bedeutung. Diese Hinterländer haben Frankreich und England durch Vertrag im Jahre 1899 unter sich geteilt. Den östlichen Teil behielt England als ägyptischer Sudan, der Westen fiel an Frankreich, das dadurch seine Kongo-Besitzungen mit dem Hinterland von Algerien verknüpfte und so ein zusammenhängendes Kolonialgebiet vom Golf von Guinea bis zum Mittelmeer schuf. Die Türkei hat diesen Vertrag nicht anerkannt; sie hat wiederholt militärische Vorstöße in das Hinterland von Tripolis bis nach Ain Galakka in der Landschaft Tibesti unternommen und ist dabei mehrfach in Konflikt mit Frankreich gekommen. Dieses hat ohnehin schwere Kämpfe mit den Stämmen seines Einflußgebietes zu bestehen und sieht es nur ungern, wenn seine Herrschaft auch von türkischer Seite bestritten und eingeschränkt wird. In Tripolis und in dem Hinterlande bis Tibesti sollte die Türkei im ganzen 40000 Mann stehen haben, jedenfalls war die Türkei dort stark genug, um den Italienern einen warmen Empfang zu bereiten.
Anfang November hatten die Italiener schon 1500 Mann eingebüßt. Ihre Lage war schlimm, während die Türken zum heiligen Krieg aufriefen und sich durch zahlreiche Araber verstärkten, auch tüchtige Offiziere von Konstantinopel bekamen, die durch Ägypten reisten.
Der Marokkovertrag wurde am 4. November bekannt. Er bedeutete eine empfindliche Demütigung für Deutschland. Frankreich erhielt die Schutzherrschaft über Marokko.
Text aus dem Buch: Männer, Völker und Zeiten, eine Weltgeschichte in einem Bande, Verfasser: Wirth, Albrecht.
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