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Weltkriege der Gegenwart : Revolution in China

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aus dem Kunstmuseum Hamburg

Im Reich der Mitte muß man zweierlei unterscheiden: die tiefe Unterströmung im Volke und die Wirbel und Stürme an der Oberfläche. Die Unterströmung g-eht ohne Zweifel auf eine Verwestlichung und Nationalisierung Chinas aus. Das ist eine Bewegung, die wohl einmal langsamer, einmal schneller vor sich geht, aber die gewiß nicht mehr zurückgedämmt werden kann. An der Oberfläche dagegen herrscht bald liberaler Reformeifer, bald wiederum die Reaktion. Das war schon so in den Tagen, als Kang-yu-wei auftrat und der Kaiser Kwang-sü seiner Machtvollkommenheit durch seine Muhme entkleidet wurde (1898); das ist auch jetzt so nach dem Tode der beiden sich lebenslänglich hassenden Souveräne (1909). Ein Hauptpunkt ist dabei das Verhältnis von Mandschu und Chinesen. Seit 267 Jahren ist eine Fremddynastie am Ruder. Sie steht nicht mehr so fest wie unter Kang-hi und Kien-lung, andrerseits ist sie durch vielfache und gefährliche Stürme nich tall zusehr erschüttert worden. Der ungeheure Aufstand der Taiping, der eine nationalistische Erhebung zugunsten der Mingtradition gegen die Mandschu bedeutete, wurde niedergeschlagen. Selbst das Sinken an Prestige, das durch die Kriege seit 1857 eintrat, wurde überwunden. Der Ausgang des Boxerkrieges wurde dem Volke so dargestellt, als ob schließlich die Fremden vor dem Glanze des Himmelssohnes erschrocken wären und demütig um Verzeihung gebeten hätten für die Zerstörungen, die sie angerichtet; als ob die Fremden gar von dem Himmelssohne selbst gerufen worden seien, um ihm als Söldner gegen unzufriedene Landeskinder beizustehen. Derartige tendenziöse Darstellungen waren im Grunde gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Genug, die Dynastie hat sich wieder einmal behauptet. Yuan-shi-kai, der doch der Kaiserin-Muhme beigestanden hatte, der aber anscheinend nicht respektvoll genug gegen den unglücklichen Kwang-sü verfahren ist, mußte 1909 ruhig seine Absetzung und Verbannung über sich ergehen lassen. Dabei war er kurz zuvor noch der Generallissimus von Tschili, verfügte über das beste, modern ausgerüstete Heer (150000 Mann) von ganz China und hätte wohl daran denken dürfen, selbst nach der gelben Seide des Himmelssohnes zu langen. Nichts zeigte mehr die immer noch dauernde Macht des regierenden Hauses, als die geringe Bewegung, mit der des großen Organisators, Reformers und Japanfeindes Sturz im Volke aufgenommen wurde. Zwar meldeten sich genug Stimmen, die eine Wiedereinsetzung Yuan-shi-kais in seine Ämter rieten, aber der seiner Würde sehr bewußte Regent, Prinz Tschun, muß durch innere, der Öffentlichkeit zu wenig bekannte Vorgänge in seinen feinsten Gefühlen als Mitglied des Herrscherhauses gekränkt worden sein, so daß er sich zu einem solchen Schritt nicht verstehen wollte.

Inzwischen ging namentlich die Reorganisation der Landesverteidigung munter voran. Man spricht davon, daß schon gegenwärtig die Zahl sämtlicher verfügbarer Friedenstruppen sich auf 0,6 Millionen belaufe. Nicht minder wird an der Herstellung von Luftschiffen gearbeitet. Seit 1909/10 steht der Ausbau der Marine im Vordergrund. Bis zum Jahre 1916 sollen zwanzig „Wagehälse“ (Dreadnoughts) und zwanzig Kreuzer erstellt werden. Die chinesische Studienkommission war auf den deutschen Werften. Sie ist auch vom Kaiser besonders freundlich begrüßt worden. Ein gutes Verhältnis zwischen Deutschland und China ist allerdings nur zu empfehlen. Man darf jedoch füglich die Frage aufwerfen, ob denn wirklich den Gipfel menschlicher Einsicht bedeute, wenn das alte Europa den gelben Gästen seine Geheimnisse zeigt. Aber diese Entwicklung scheint eben einmal nicht mehr aufzuhalten zu sein.

Im Sept. 1911 kam es abermals zu antidynastischen Unruhen, die im Oktober zur Eroberung wichtiger Provinzen und der Millionenstadt Hankau durch die Aufständischen führte.

Yuan-shi-kai wurde zurückberufen und zum Generalissimus des Reiches ernannt. Am 31. Oktober bewilligte der Hof alle Forderungen der Rebellen, aber die Kämpfe dauerten fort.

Im Jahre 1909/10 betrugen (immer nach den Berechnungen der britischen Admiralität) die veranschlagten Marineausgaben nur 723700000 Mark; nur das Jahr 1904/05 war seit 1901 das einzige Jahr, das eine annähernd gleich hohe Ziffer aufzuweisen hat wie 1910/11.

Die Ausgaben für die französische Marine bewegten sich in den Jahren 1901 bis 1909 auf durchschnittlich 250 Millionen Mark. Im letzten Jahre hatte Frankreich Schiffe mit einem Gesamttonnengehalt von 96308 Tonnen neu eingestellt, was das Doppelte von dem ausmacht, was in irgendeinem der vergangenen Jahre eingestellt worden ist.

Deutschlands Ausgaben stiegen allmählich von 190 Millionen in 1901 auf 390 Millionen Mark im letzten Jahre und 460 Millionen im Jahre 1911. Die Vereinigten Staaten gaben für ihre Marine im Jahre 1901 etwa 325 Millionen Mark aus, während der Betrag im letzten Jahre ungefähr 400 Millionen Mark ausmachte.

Text aus dem Buch: Männer, Völker und Zeiten, eine Weltgeschichte in einem Bande, Verfasser: Wirth, Albrecht.

Siehe auch:
Männer, Völker und Zeiten – Anfänge
Der alte Orient und Griechenland
Arier und Chinesen
Juden und Phönizier
Feudalherrschaften in China, Indien, Vorderasien und Hellas
Homer
Assyrer und Perser
Religionsstifter und Philosophen
Perserkriege
Peloponnesischer Krieg
Anfänge Roms
Politischer Niedergang Athens
Alexander der Große
China und Rom
Punische Kriege
Der Staatsbegriff im Altertum
Kelten und Romanen
Hellenismus
Wuti und Cäsar
Römischer Imperialismus
Germanen
Christentum
Die Cäsaren und die späteren Han
Römische Spätzeit – Anfänge Japans
Völkerwanderung – Weltstellung des Christentums
Die Reiche der Völkerwanderung
Der Islam
Karl der Große
Anfänge der modernen Völker
Papsttum und Kaisertum – Aufstieg des Papstes
Die Kreuzzüge
Westöstliche Kulturvermittlung
Der Kampf der Weltreligionen
Der Staatsbegriff im Mittelalter
Mongolensturm
Aufschwung der Seestädte
Die Geburt heutiger Volkstümer und Sprachen
Die Zünfte
Die Condottieri
Entdeckungen und Erfindungen : Renaissance und Reformation
Entdeckungen und Erfindungen : Europäer in Afrika, Asien und Amerika
Entdeckungen und Erfindungen : Südeuropa gegen Nordeuropa
Aufstieg der Nordvölker : Holländer und Engländer
Aufstieg der Nordvölker : Kämpfe in Ostasien
Aufstieg der Nordvölker : Abschließung Ostasiens
Aufstieg der Nordvölker : Peter der Große
Aufstieg der Nordvölker : Das Wachstum Preußens
Aufstieg der Nordvölker : England und Frankreich werden Weltmächte
Aufstieg der Nordvölker : Friedrich der Große
Aufstieg der Nordvölker : Die Vereinigten Staaten von Amerika
Zeitalter der Revolutionen : Napoleon
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Zeitalter der Revolutionen : Heilige Allianz und Romantik
Zeitalter der Revolutionen : Die Woge des Liberalismus
Zeitalter der Revolutionen : Englands Hand über Asien und Afrika
Zeitalter der Revolutionen : 1848
Zeitalter der Revolutionen : Krimkrieg
Zeitalter der Revolutionen : Erschließung Ostasiens
Zeitalter der Revolutionen : Bürgerkrieg in Nordamerika
Zeitalter der Revolutionen : Einigung Italiens und Deutschlands
Zeitalter der Revolutionen : Der Mikado stürzt den Shogun
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Zeitalter der Revolutionen : 1870/71
Zeitalter des Nationalismus : Der Staatsbegriff in der Neuzeit
Zeitalter des Nationalismus : Disraeli
Zeitalter des Nationalismus : Russisch-türkischer Krieg
Zeitalter des Nationalismus : Der Berliner Kongreß
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