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Anthropogonischer Mythus von Askr und Embla

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aus dem Kunstmuseum Hamburg

Jahrhunderte bevor dieses Stückchen Volksweisheit sein poetisches Gewand erhielt, mag der bekannte Mythus von Askr und Embla entstanden sein. Derselbe ist jedoch — ich folgere dies aus psychologischen Gründen — unmöglich in der uns vorliegenden Form zuerst entsprungen, sondern wir besitzen ihn in einer Gestalt, welche erst das Ergebniß mehrfacher Umwandlungen im Munde der Dichter gewesen zu sein scheint. Wie die Urform lautete, werden wir verstehen, wenn wir die noch einfachere Gestalt entsprechender Sagen bei anderen Völkern in Vergleich ziehen.

Bekanntlich läßt eine der eranischen Schöpfungssagen, aus denen die Cosmogonie des Bundehesch zusammengesetzt ist, das erste Menschenpaar Maschia und Maschiána in Gestalt einer Reivaspflanze (rheum ribes) aus der Erde emporwachsen. Sie machten ursprünglich ein uugetrenntes Ganze aus und trieben Blätter; in der Mitte bildeten sie einen Stamm, oben aber umarmten sie sich dergestalt, daß die Hände (Zweige, Aeste) des einen sich um die Ohren des andern schlangen. Erst später wurden sie von einander getrennt. In diesen Körper goß Ahuramazda die zuvor bereitete Seele und sie wurden zur Menschengestalt, indem jener Glanz geistiger Weise zum Durchbruch kam, der die Seele kundgiebt. Diese weder dem Avesta, noch den alten von Firdosi benutzten Quellen bekannte Anthropogonie macht gleichwol auf hohes Altertum Anspruch, insofern sie noch ziemlich unverändert jene früheste Anschauungsstufe vor Augen stellt, wonach Mensch und Pflanze gleiches Wesens waren, und unmittelbar in einander übergingen. Eine ganz ähnliche Vorstellung begegnet bei den den Eraniern allem Anscheine nach nahverwandten Phrygern im Stromgebiete des Sangarios. Ihnen galten die Korybanten als die ersten Menschen; die Sonne beschien sie zuerst, als sie baumartig emporsproßten. Wir wissen nicht, wie sich der Rationalismus einer späteren Zeit den in der Mythe ausgesprochenen Uebergang des Baumes in die Menschengestalt in diesem Falle zurechtlegte. Nach den Sioux, die gleich den Karaiben und Antillenindianern ebenfalls die Stammeltern im Anfänge als zwei Bäume entstehen ließen, standen diese viele Menschenalter hindurch mit den Füßen im Boden haftend, bis eine große Schlange sie an den Wurzeln benagte, worauf sie als Menschen Weggehen konnten. Biesen Beispielen entsprechend wird auch der germanische Mythus die Urahnen anfänglich nicht aus todten Hölzern, sondern aus lebendigen aus der Erde aufsprießenden Bäumen (einem mit einem männlichen Namen und einem mit weiblicher Benennung) haben hiervorgehen lassen; später hat er dann zur Motivierung der freien Beweglichkeit des Menschen eine Umänderung dahin erfahren, daß drei kräftige und liebreiche Götter am Strande zwei über Meer von den Wellen ans Land getriebene Bäume (Askr und Elmja (?), Esche und Ulme (?) fanden und den noch Schicksalslosen Geist, Sprache, Blut und blühende Farbe eiuflößten. Die belebten Bäume Askr und Elmja (? fern, zu almr Ulmbaum) waren die Stammeltern aller Menschen. Uns ist diese Erzählung nur in einer zweiten Umformung bewahrt, in welcher der schwer über die Zunge gleitende Name der Stammmutter durch Metathesis mimdrecht gemacht und so in den geläufigeren Embla (aus Emla = amlja die arbeitsame) verändert ist. Auf den von uns für die Grundform dieser Schöpfungssage vorausgesetzten primitiven Standpunkt d. h. bis nahezu an die Schwelle wirklichen Glaubens an die Identität von Mensch und Pflanze würden uns gewisse der Skaldenpoesie geläufige Metaphern zurückweisen, falls nicht deren unmittelbarer Zusammenhang mit dev Naturpoesie sehr zweifelhaft wäre.


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