aus dem Kunstmuseum Hamburg
Jedenfalls kann nunmehr kein Zweifel sein über die richtige Auffassung des folgenden von Geyler von Kaisersberg als wirkliche Geschichtee aus dem 15. Jahrhundert berichteten Vorgangs. Als Molber, ein Schuhmacher zu Basel, ein neues Haus bezog, wählte jedes seiner drei Kinder sich im Garten einen Baum. Die Bäume der beiden Mädchen, Katharina und Adelheid brachten, „als der Glentz (Lenz) hereinstach,“ weiße Blüten hervor; die deuteten auf ihren künftigen Beruf als Nonnen. Der des Bruders Johannes trug eine rote Rose; er ward Predigermönch in Prag und fand als Märtyrer durch die Hussiten seinen Tod. Die reinste und folgerichtigste Ausgestaltung der hier zu Grunde liegenden Anschauung war die schöne Sitte, schon in der Geburtstunde eines Kindes ein Bäumchen zu setzen. Im Aargau geschieht das noch jetzt ziemlich allgemein und man meint dort, der Neugeborne gedeihe oder sterbe (verkümmere) wie dieses Bäumchen.
Für Knaben setzt man Apfelbäume, für Mädchen Birnbäume. Noch in der letzten Generation kam der Fall vor, daß ein Aarganer Vater im Zorne über seinen misratenen Sohn, der eben in der Fremde und also der väterlichen Züchtigung unerreichbar war, aufs Feld ging und den dort gepflanzten Geburtsbaum wieder umhieb.1 Zuweilen sieht der Bauer auch ohne ausdrückliche Anpflanzung für eine bestimmte Person das Schicksal seiner Familienglieder mit dem Schicksal der Bäume am Hause verbunden. Der Voigtländer fürchtet, jemand aus der Familie werde sterben, wenn ein Baum im Garten oder ein einzelner Ast plötzlich dürr wird,3 auch in Bayern bedeutet ein Baum am Hause, der verdirbt, einen Todten vom Hause4 und dem Siebenbürger Sachsen verkündet es einen Todesfall, wenn ihm im Traume ein umstürzender Baum zu Gesichte kommt.5 Genau hiezu paßt es, daß in Siebenbürgen (Sächsisch-Regen) auch der poetische Glaube herrscht, dem Kinde nahe der Tod nicht mit der Sense, sondern er breche im Garten eine Blume vom Stengel, im nämlichen Augenblicke sterbe das Kind.6
Wie ein Einzelner kann aber auch eine Vereinigung mehrerer Menschen, eine Familie, eine Dorfschaft in einem Baume das reale Abbild ihres gemeinsamen Lebens empfinden. In Schweden sind nachweislich die Namen mehrerer Familien von einem heiligen Baume bei ihrem Stammhofe hergenommen; so der des Geschlechts Almén von einer großen Ulme, die ehemals am Hofe Bjellermála im Sockn Almundsryd stand. Die drei Familien Linnaeus (Linné), Lindelius und Tiliander hießen angeblich nach einem und demselben Baume, einer großen Linde mit drei Stämmen, welche zu Jonsboda Lindegárd in Hvitarydssocken Landschaft Finveden wuchs.
Als die Familie Lindelius ausstirbt, vertrocknete eines der Hauptäste der alten Linde; nach dem Tode der Tochter des großen Botanikers Linné hörte der zweite Ast auf Blätter zu treiben, und als der Letzte der Familie Tiliander starb, war die Kraft des Baumes erschöpft, aber der erstorbene Stamm der Linde steht noch und wird hoch in Ehren gehalten.