von Kunstmuseum Hamburg
In der hl. Barbara erreicht die van Eyksche Landschafts-malerei ihren Höhepunkt. Die Nachfolger Jans schreiten auf dem von ihm eingeschlagenen Weg nicht fort, sie begnügen sich mit seinen Errungenschaften machen sie zu ihrem Werkstattinventar und verwandeln seine so unmittelbar aus dem Leben und der Natur geschöpften Gestalten und Formen in leblose schablonenhafte Typen ohne innere Wahrheit ohne Seele.
Dies gilt insbesondere von Petrus Cristus, dem einzigen Meister dessen Kunst man in unmittelbaren Zusammenhang mit derjenigen der van Eyks bringt. Seine Landschaften zeigen den früheren Arbeiten Jans gegenüber insofern einen gewissen Fortschritt, als sich darin das Streben nach grösserer Einfachheit und Schlichtheit in der Wahl der Motive ausspricht. Dagegen vermisst man fast überall die Lebendigkeit der Naturbeobachtung und die Fähigkeit das Individuelle und Charakteristische der Einzelmotive aufzufassen und wiederzugeben. Die Behandlung seiner Figuren sowohl als der Landschaft ist geistlos und trocken und mehr noch als Jan geht er in der Wiedergabe des Details auf. Denn während sich bei letzterem in der Wiedergabe des Ganzen sowohl als auch des Teils der Künstler zeigt, während er auch in der Behandlung des nebensächlichsten Details immer gross bleibt, artet die Detailmalerei des Petrus Cristus in kleinliche handwerksmässige Tüpfelei aus, die nur die Einzelform und nicht das Wesen des dargestellten Gegenstandes im Auge hat und der es weniger auf Naturwahrheit als auf miniaturartige Feinheit der Technik ankommt.
Die Raumbehandlung seiner Landschaften entspricht der Hauptsache nach derjenigen des van Eykschen Stils der dreissiger Jahre, doch scheint Petrus Cristus hohe Augenpunkte, wie sie in der Rollinmadonna Vorkommen auch dort zu vermeiden, wo er sich ganz an seinen Vorgänger anlehnt wie beispielsweise in dem Berliner Bildchen. Zum Gegenstand der Darstellung wählt er mit Vorliebe sanft gewelltes Hügelland mit von ragenden Burgen und Schlössern gekrönten Höhen, mit weiten Wiesenflächen, die von vielfach sich schlängelnden Wegen durchzogen und mit Bäumen bestanden sind, während der Hintergrund, wie in dem Berliner Jüngsten Gericht mit einer Seeartigen Wasserfläche abschliesst. Ob Petrus Cristus als Erfinder dieser landschaftlichen Typen angesehen werden kann ist fraglich, da ganz ähnliche um dieselbe Zeit auch bei anderen Meistern auftauchen. Ueberhaupt macht es der Umstand, dass sich Petrus in seinen Kompositionen teils an den Meister von Flemalle, teils an Jan van Eyk,1 Rogier van der Weyden und Dierk Bouts2 anlehnt, es unwahrscheinlich, dass er auf diesem Gebiete als selbstschöpferischer Künstler aufgetreten ist. Wie Jan van Eyk liebt auch er es seine landschaftlichen Hintergründe mit figürlicher Staffage zu beleben und versteht es ihnen dadurch einen besonders intimen genrehaften Charakter zu geben, dass er hiefiir Szenen des Landlebens wählt. Daneben findet sich noch eine andere Gattung der figürlichen Darstellung, die nicht wie die erstere ausschliesslich als landschaftliche Staffage gedacht ist, sondern zu dem figürlichen Hauptvorgang in Beziehung steht, indem sie einzelne denselben erläuternde Episoden zur Anschauung bringt.
Wirklich selbständig zeigt er sich nur auf einem Gebiete. Die Behandlung der Luftperspektive weicht durchaus von derjenigen Jan van Eyks und Rogier van der Weydens ab und lässt ihn als einen unmittelbaren Vorgänger des Dierk Bouts und Hans Memlings erscheinen. Ein bestimmtes System der Aufeinanderfolge von Tönen hat sich zwar in seinen Werken noch nicht ausgebildet, und eine gewisse Unsicherheit macht sich in dieser Beziehung noch überall bemerkbar, aber die Methode, die Landschaft der Tiefe nach in mehrere Farbenzonen zu zerlegen, die im folgenden Jahrhundert die gesamte Landschaftsmalerei beherrschen sollte und deren Anfänge wir schon in der Miniaturmalerei des beginnenden 15. Jahrhunderts nachzuweisen Gelegenheit hatten, ist in der Tafelmalerei hier zum ersten Mal angewendet. Besonders deutlich prägt sich dies in der Landschaft der Anbetung des Kindes in der Berliner Galerie aus, welche alle Abstufungen vom tiefen Dunkelbraun des Vordergrundes bis zum Blau des Hintergrundes mit ihren Zwischenstufen dem Gelbgrün und Blaugrün im Mittelgrund zeigt, wenn auch die Uebergänge von dem einen zum andern Ton zuweilen noch etwas unvermittelt sind. Eine ähnliche Farbenabstufung zeigt der Christus am Kreuz im gotischen Haus in Wörlitz, wo auf den intensiv braunen Vordergrund ein grünlicher Mittelgrund und ein hellblauer Hintergrund folgt. Dass aber diese Tonfolge noch manchen Schwankungen unterliegt, beweist die Verkündigung in der Berliner Galerie, deren Landschaft insofern von den oben genannten abweicht, als hier auf eine lebhaft grüne Zone eine gelbliche folgt. Aehnlichen Erscheinungen begegnen wir auch bei späteren Meistern und insbesondere bei Hans Memling, der sich, wie ich noch später ausführen werde, durch Inkonsequenz in dieser Beziehung auszeichnet. Neben dieser Subsumierung unter farbliche Einheiten höherer Ordnung geht eine sehr weitgehende Auflösung in einzelne Töne und Lokalfarben, die sich besonders dort bemerkbar macht, wo es dem Künstler darauf ankommt, die einzelnen Objekte aus ihrer Umgebung herauszuheben. Während es Jan van Eyk versteht, diese Unzahl von Farbenfleckchen und Nüancen zu einem harmonisch wirkenden Ganzen zu vereinigen, tritt bei Petrus Cristus das von der mittelalterlichen Darstellungsweise übernommene Prinzip des Auseinanderhaltens der Objekte durch farbliche Unterschiede wieder stärker hervor und führt zu einer oft geradezu pedantisch wirkenden Registrierung jeder Einzelfarbe. Ja um diesen Zweck zu erreichen steht er nicht an, die sich aufeinander projizierenden Teile der Landschaft in Farben darzustellen, die ihrer natürlichen Beschaffenheit nicht entsprechen. Als Beispiel hiefür sei die Landschaft des Jüngsten Gerichts in der Berliner Galerie angeführt.
Die in das Meer vorspringenden Landzungen und Vorgebirge sind in den verschiedensten Farben vom dunkeln Braun und Orangegelb bis zum hellen Blau dargestellt, und zwar vollständig unabhängig von der durch die Wirkungen der Luftperspektive bedingten Tonfolge. In diesem Streben nach farblicher Unterscheidung mag daher auch der Grund für die stärkere Hervorhebung der drei Töne zu suchen sein, die ihre Entstehung sonach erst in zweiter Linie der Beobachtung der Erscheinungen der Luftperspektive verdankt. Im übrigen ist die Jans Bildern eigentümliche Farbengebung häufig übertrieben und missverstanden. So artet das goldige Grün der Vegetation bei Petrus Cristus häufig in ein der Naturfarbe gar nicht entsprechendes Gelbgrün aus. Die rötlichen Töne, wie wir sie in der Rollinmadonna als Wirkung der Strahlen der untergehenden Sonne kennen gelernt haben, verwandeln sich auf der Palette des Petrus Cristus in ein stumpf rötlichbraunes Kolorit, welches mit den im Bilde herrschenden Lichtverhältnissen in keinem Zusammenhänge steht.
Zum Schlüsse sei hier noch eines Bildnisses unseres Meisters in der Sammlung G. Salting3 in London Erwähnung getan, welches die Halbfigur eines jungen Mannes in einer gewölbten Halle darstellt, durch deren rundbogiges Fenster man auf öine reizvolle niederländische Landschaft blickt, in der ein halb unter Bäumen verstecktes Dorf sichtbar wird. Man hat es also hier allem Anscheine nach mit einem der ersten Beispiele eines Bildnisses mit landschaftlichem Hintergründe zu tun. Der Umstand, dass die Tätigkeit des Petrus Cristus bis weit in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts hineinreicht, also wohl noch zum Teil mit derjenigen Memlings zusammenfällt, würde allerdings den Schluss zulassen, dass diese Darstellung durch Memlings Bildnisse beeinflusst sei, doch spricht die vollkommen abweichende Behandlung des Bildnisses sowie der Landschaft entschieden dafür, dass es sich hier um eine selbständige Schöpfung des Meisters handelt, und dass dieser Typus von Darstellungen, bereits um die Zeit des Auftretens Hans Memlings in der niederländischen Kunst verbreitet war. Das Bildnis mit landschaftlichem Hintergrund schliesst sich übrigens so eng an die Rollinmadonna verwandten Kompositionen an, dass wohl kaum ein Zweifel an. seiner niederländischen Herkunft bestehen kann.
Der Meister von Flemalle
Eine eigentümliche Zwischenstellung zwischen der Schule von Flandern und Brabant, oder besser gesagt zwischen Jan von Eyk und Rogier van der Weyden nimmt der Meister von Flemalle 4 ein, der wie ersterer in seinen früheren Bildern noch in die Epoche des Uebergangsstils vom 14. zum 15. Jahrhundert hineinreicht. Die Frankfurter Altartafeln, die eine wertvolle Ergänzung in dem Triptychon mit der Kreuzabnahme des kgl. Instituts zu Liverpool finden, zeigen noch alle typischen Merkmale dieses Uebergangsstils. Die Landschaft die sich, wie in den meisten Miniaturen dieser Zeit direkt auf den Goldgrund projiciert ist noch durchaus nebensächlich behandelt, die Figuren sind ihr gegenüber übermässig gross dargestellt und sie bildet nur den Abschluss nach dem Hintergrund zu. Das eigentliche landschaftliche Kompositionsthema hält sich in sehr bescheidenen Grenzen. Der linke Flügel der uns nur in der Wiederholung des Instituts zu Liverpool erhalten ist, zeigt einen von kleinen Bäumchen bestandenen grauen Kalkkegel und einige sich dahinter vorschiebende braune Höhenzüge, der rechte noch erhaltene Flügel zeigt uns eine bräunliche von einem Hohlweg durchzogene Hügellandschaft in deren Hintergrund ein Städtchen sichtbar wird. Das Raumgefühl ist noch wenig ausgebildet, und obzwar sich die nach der Tiefe leitenden Motive bereits zu entwickeln beginnen, so bleibt das vorherrschende Mittel zur Vertiefung des Raums, wie im Genter Altar die Ueberschneidung. Die Form der grauen Kalkfelsen ebenso wie die Gestalt und Grösse der Bäume, verraten noch deutlich ihre Abstammung von den Stufenfelsen und Zipfelbäumen der Buchmalerei des 14. Jahrhunderts, und erinnern ganz besonders an die Formengebung des Horariums des Herzogs von Berry in der kgl. Bibliothek zu Brüssel. Das Licht dient noch ausschliesslich als Mittel zur Modellierung und körperlichen Herausarbeitung des Einzelobjekts und die Wirkungen der Luftperspektive sind in der Landschaft noch nicht zum Ausdruck gebracht.
Steht die Landschaft des Frankfurter Altarwerks noch durchaus auf dem Boden der primitiven Kunst des beginnenden 15. Jahrhunderts, so macht sich der Einfluss Jan van Eyks deutlich in dem Diptychon des Pradoinuseums in Madrid und der Madonna mit dem Kind in der Sammlung Somzee geltend. Wie dieser Meister zeigt der Flemaller in seinen Bildern eine gewisse Vorliebe für kräftige Licht-eflekte und für eine starke Betonung des Raumdunkels und stattet die Binnenräume, in denen er die figürlichen Vorgänge sich abspielen lässt mit all dem Verständnis für die Poesie des Interieurs aus, die Jan van Eyk und seine Schule dem vorwiegend der figürlichen Darstellung zugewandten Rogier van der Weyden gegenüber auszeichnet. Besonders deutlich aber tritt der Einfluss Jan van Eyks in dem kleinen Stück Landschaft hervor, welches in dem Madonnenbildchen der Sammlung Somzee durch das Fenster des Gemachs sichtbar wird. Die niederländische Stadt mit ihrem bunten Häusergewirre, die mit kleinen Landhäuschen besetzten Hügel, die sich hinter ihr erheben, mit all ihren reizvollen Einzelheiten atmen so sehr van Eykschen Geist, dass nur die härtere glattere Technik die Hand eines anderen Meisters erkennen lässt. In der Wahl des Gegenstandes jedoch und ganz besonders in der Behandlung der Figuren lehnt sich der Flemaller Meister ganz unverkennbar an Rogier van der Weyden an.
Weit selbständiger tritt er uns in einem Gemälde vorwiegend landschaftlichen Charakters, seiner Geburt Christi im Museum zu Dijon entgegen. Den Vordergrund nimmt eine strohgedeckte Hütte ein, unter der Maria anbetend vor dem Kinde kniet; zu dessen Häupten kniet Joseph die Kerze in der Hand und rechts erblickt man die Gruppe der drei Hebammen; von der Hütte schlängelt sich ein Weg abwärts durch ein heiteres von Bäumen bestandenes Hügelland nach einem sich im Hintergrund ausdehnenden See hin, an dessen Ufern eine vieltürmige Stadt sichtbar wird, die sich an den Abhängen der zur linken Seite steil ansteigenden Felsen auf baut.
Wie in den meisten Arbeiten dieser Epoche liegt der Horizont sehr hoch und die landschaftlichen Gründe sind ohne Rücksicht auf den angenommenen Standpunkt des Beschauers in starker Aufsicht dargestellt. Dennoch ist die Raumgestaltung eine ungewöhnlich freie und ungezwungene. Der Meister ist bestrebt die einzelnen Tiefenzonen der Landschaft organisch miteinander zu verbinden und das räumliche Verhältnis, in welchem sie zueinander stehen klar zum Ausdruck zu bringen. Das stufenweise Absetzen der Gründe, welches über die Mängel der perspektivischen Konstruktion durch ein Verdecken der Ansatzstellen hinwegzutäuschen sucht, ist hier vermieden; der Weg, der sich von der Hütte nach dem Hintergründe hin schlängelt und in allen seinen Teilen sichtbar bleibt, stellt die Verbindung zwischen dem Vordergrund und den hinteren Gründen her und nirgends zeigen sich jene sprungartigen Uebergänge, die die Landschaft in einzelne voneinander unabhängige Stücke zerreissen. Auch das Prinzip den landschaftlichen Raum durch Ueberschneidung von Terrainwellen zu vertiefen ist hier nur sehr unauffällig und in Verbindung mit anderen Vertiefungsmitteln angewendet.
In der Wahl der Motive tritt das genrehafte Element, das Streben nach Einheitlichkeit des Charakters und der Stimmung sehr deutlich hervor. Man hat es wie bei der hl. Barbara zu Antwerpen nicht mehr mit einer jener von jedem lokalen Anstrich abstrahierenden Allerortslandschaften zu tun, in denen die verschiedenartigsten Motive nebeneinander gestellt werden ohne Rücksicht darauf ob sie auch in der Natur zusammen Vorkommen. Von der Hütte im Vordergrund bis zu der an Notre Dame de Bruges erinnernden Kirche im Hintergrund, zeigt alles den Charakter des niederländischen Hügellandes, der seinen Ausdruck ebenso in dem Pflanzenwuchs findet als in der Bauweise der Häuser und in den Staffagetypen. Nur die Felsenpartie links mit ihren abenteuerlichen Formationen zeigt noch deutliche Anklänge an die Felstürme und Treppenfelsen der vorhergehenden Epoche. Das aufkeimende Verständnis dafür, dass die Landschaft nicht nur ihrem Inhalt nach nicht als Konglomerat von Motiven sondern als einheitlicher Organismus aufgefasst und wiedergegeben sein will, drückt sich auch darin aus, dass sie in dem Dijoner Bild unter einem höheren Gesichtspunkt dargestellt, einem höheren Prinzip untergeordnet ist, der Einwirkung des Jahreszeitenwechsels auf ihr Gesamtaussehen und ihre Gesamtstimmung. Der Künstler macht hier den Versuch, eine Winterlandschaft darzustellen und alles, die ihres Blätterschmucks beraubten Bäume, die beschnittenen Weiden, die vom Frost verbrannten Wiesen, soll darauf hindeuten, dass die Natur ihr winterliches Kleid angelegt hat. In den Kalenderbildern des beginnenden 15. Jahrhunderts begegnet man zwar ähnlichen Bestrebungen, ja das Horarium des Herzogs von Berry in der Bibliothek zu Chantilly zeigt uns sogar eine nordische Schneelandschaft, in der Tafelmalerei jedoch, deren Darstellungen als abstrakt religiöse nicht in so unmittelbaren Beziehungen zum Kalenderdatum und damit zur Jahreszeitenfolge stehen, bleiben solche Versuche bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts vereinzelt.
Das Streben nach einheitlicher Bildwirkung zeigt sich auch darin, dass der Künstler die Einzelfarben in allen Teilen der Landschaft dem Gesamtton unterzuordnen sucht. Das Objekt ist nicht mehr für sich unabhängig von den andern wiedergegeben, sondern seine Lage im Luftraum und seine Wirkung im Verein mit seiner Umgebung berücksichtigt und die Farben der Einzelmotive sind daher nicht mehr entscheidend für den Gesamtton der Landschaft. Ihr gelblicher etwas kühler Ton mit den matten grauen Schlagschatten erinnert an das kleine Stück Landschaft, welches in der. Verkündigung des Genter Altars durch die Fenster des Gemachs sichtbar wird und in bezug auf die Behandlung des Lichts sowie die Farbengebung für den Flemaller Meister vorbildlich gewesen sein mag. Auch die drei Töne sind in dem Dijoner Bilde mit seltener Zartheit wiedergegeben. Der grünliche Vordergrund geht allmählich in ein lichtes Gelb über, welches in zarter Abtönung einem duftigen Blaugrau im Hintergründe Platz macht, ohne dass die einheitliche Wirkung des Ganzen dadurch gestört wird. Ohne Frage nimmt das Dijoner Bild unter den Tongemälden des 15. Jahrhunderts eine erste Stelle ein7 und kommt in dieser Beziehung der Epiphaniedarstellung des Hieronymus Bosch sehr nahe.
Eine Ausnahmsstellung gebührt dem in Rede stehenden Werke auch in bezug auf die Lichtführung. Wohl dem Beispiel Jan van Eyks folgend sucht der Flemaller Meister seine Landschaft als von direkten Sonnenstrahlen beleuchtet darzustellen lind lässt Bäume, Häuser und Figuren scharf begrenzte Schlagschatten werfen. Während sich der Schattenwurf aber bei Jan nur auf die architektonischen Motive beschränkt, ist es das Verdienst unseres Meisters das Sonnenlicht auch in der Darstellung der Landschaft eingeführt zu haben.8 Allerdings wird ebensowenig wie in der Verkündigung des Genter Altars der Eindruck der Wahrheit hervorgerufen. Den grauen Schlagschatten, welchen die einzelnen Objekte werfen, steht der vollständig gleichmässig helle Ton der Landschaft gegenüber; die hohen Gebirge links, die Hügel und Terrain wellen werfen keine Schatten und die dem Lichte abgekehrten Teile der Landschaft sind um keinen Grad dunkler gehalten als die ihm zugewendeten. Jene Abstufungen vom dämmerigen Dunkel bis zum hellsten Licht wie sie etwa die Landschaft auf dem Christophorusbilde des Dierk Bouts in der alten Pinakothek zu München zeigt fehlen hier vollständig; die Sonne, die hinter den Berggipfeln aufgeht, ist in Gold auf den Himmel aufgesetzt und keine Aufhellung der Atmosphäre, kein Zunehmen der Helligkeit in der Richtung ihres Hervortretens kennzeichnet sie als den lichtspendenden Faktor. Der Schattenwürf, der sich übrigens nur auf eine sehr beschränkte Anzahl von Objekten und zwar nlir auf einen verhältnismässig engen Raum, den in der Nähe der Strasse gelegenen Teil des Mittelgrundes beschränkt, erscheint daher durch die im übrigen in der Landschaft herrschenden Lichtverhältnisse nicht begründet. Die andeiitende, versinnbildlichende Richtung, deren ich bei Besprechung der Buchmalereien des 14. Jahrhunderts Erwähnung getan habe macht sich auch hier noch bemerkbar. Das unverschleierte Sonnenlicht wird nur durch den Schattenwurf einzelner Motive versinnbildlicht, während der übrige Teil der Landschaft in seinem Aussehen dadurch nicht berührt wird. Trotz dieser Mängel kann die Kühnheit, mit welcher der Meister von Flemalle an dieses schwierigste Problem der Darstellung des freien Raums herantritt, nicht genug gewürdigt werden, denn selbst im 17. Jahrhundert bleiben die Versuche Landschaften unter der Einwirkung des direkten Sonnenlichts mit seinen intensiven Licht- und Schattenwirkungen darzustellen immer noch vereinzelt. Aber eben die noch teilweise andeutende Richtung der Malerei, die das volle Sonnenlicht in der Landschaft, durch einige Schlagschatten feststellte, ohne die entsprechenden Konsequenzen für deren Lichtverhältnisse im übrigen daraus zu ziehen, musste solche Versuche begünstigen. Bei einem späteren Lichtmaler wie Dierk Bouts, der sich schon weit mehr von der abstrakten, objektivierenden Darstellung der Landschaft entfernt hat, wird man vergebens nach solchen Lichteffekten suchen. Auch er stellt die Sonne am Himmel dar aber er trachtet mehr danach das Licht und die dadurch bedingten Farbenstimmungen in der Atmosphäre und der der Landschaft ihrer Gesamtwirkung nach wiederzugeben, ohne sich auf das Problem des Schattenwurfs und den Einfluss des Lichts auf das Einzelobjekt einzulassen.
Grosse Sorgfalt verwendet der Flemaller Meister auch in dem Dijoner Bilde auf die Wiedergabe des Details, die von einem eingehenden Studium nach der Natur zeugt. Insbesondere sind die Baumgerippe merkwürdig lebendig und naturwahr dargestellt und die charakteristischen Eigentümlichkeiten des Wuchses der verschiedenen Gattungen deutlich zum Ausdruck gebracht. Diese Freude an den intimen Reizen der freien Natur, diese Lust sich in ihre Einzelerscheinungen zu vertiefen zeigt sich in allen Teilen der Landschaft mit ihren lauschigen Winkeln, mit ihren gemütvoll aufgefassten Einzelbildchen. Nur fehlt dem Flemaller Meister jener Reichtum an malerischen Ausdrucksmitteln, jene Freiheit und Grösse in der Behandlung des Details, welche wir bei Jan van Eyk hervorgehoben haben. Während dieser die kleinsten Einzelheiten aus locker nebeneinandergesetzten Farbenpunkten und -flächen zusammensetzt, die erst durch ihr Zusammenwirken ein malerisches Gesamtbild des dargestellen Objekts bieten, macht der Meister von Flemalle zwischen der Einzelwirkung und Gesamtwirkung keinen Unterschied, er gibt nicht das allgemeine Farben- und Lichtbild des Gegenstandes, seine Wirkung auf den Beschauer, sondern sucht in seinen Darstellungen gleichsam den Gegenstand selbst zu verkörpern, den er fast mikroskopisch analysiert. Seine Bilder sind, was die technische Ausführung betrifft, durchaus auf die Betrachtung im Einzelnen und aus nächster Nähe berechnet und die Mittel zur Hervorbringung der Wirkung und die Wirkung selbst sind in seinen Bildern daher adäquat.
Hugo van der Goes
Wie der Meister von Flemalle schliesst sich auch Hugo van der Goes in der Behandlung der Landschaft mehr der individualisierenden Richtung Jan van Eyks als der generalisierenden, typisierenden Rogier van der Weydens an. Es ist nicht gelungen Beziehungen irgend welcher Art zwischen den Begründern der flandrischen Schule und ihm nachzuweisen und sein einziges beglaubigtes Werk der Portinari Altar, dessen Entstehung Warburg in das Jahr 14769 setzt, macht einen direkten Schulzusammen-ha’ng ziemlich unwahrscheinlich. Der dem Hugo van der Goes zugeschriebene Sündenfall der Gemäldesammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses in Wien, Nr. 631, allerdings, würde die Richtigkeit dieser Zuschreibung vorausgesetzt,10 der grossen Uebereinstimmung in der Behandlung des landschaftlichen Details mit derjenigen des Genfer Altars nach auf eine starke Beeinflussung durch die Brüder van Eyk schliessen lassen.
In seinem Portinari Altar hat uns Hugo van der Goes Landschaftskompositionen hinterlassen, die in ihrer Eigenart ganz ausserhalb des Zusammenhangs der Entwicklung stehen, die sich von Jan van Eyk bis Pieter Brueghel dem Aelteren ohne starke Schwankungen vollzieht.
Die Figur beherrscht zwar noch immer den Vordergrund, der scharf von den landschaftlichen Gründen getrennt ist, aber ihr Verhältnis zu den landschaftlichen Motiven ist bereits richtiger wiedergegeben, die Unterscheidung zwischen Hauptfiguren und Staffage ist mit grösster Gewissenhaftigkeit durchgeführt und die letztere der landschaftlichen Komposition vollkommen angepasst. Wie Petrus Cristus liebt es auch Hugo van der Goes die Landschaft mit Szenen zu staffieren, die in Beziehung zur Haupthandlung stehen, nur dass er diese figürlichen Darstellungen ihrem Zwecke entsprechend durchaus genrehaft behandelt.
Das wesentlich Neue in den Kompositionen des in Rede stehenden Meisters besteht jedoch darin, dass an Stelle der Fernblickslandschaften, welche in der Malerei des 15. Jahrhunderts die Regel bilden, die Nahlandschaft tritt, und zwar nicht die mittelalterliche Vordergrundlandschaft, welche ihre Entstehung dem Unvermögen des Künstlers verdankt, die Ausdehnung in der dritten Dimension auf der zwei dimensionalen Bildfläche auszudrücken, sondern die dreidimensionale Landschaft, in der die Vordergrundmotive bestimmend für den Charakter der landschaftlichen Komposition sind. Nicht die Ferne ist hier Träger des landschaftlichen Gedankens, nicht durch das Zusammenwirken jener Unzahl von kleinen Einzelheiten entsteht das landschaftliche Gesamtbild, die grossen Motive des Vordergrundes beherrschen hier die Komposition, während der Hintergrund nur dazu dient das Raumbild zu vervollständigen. Dem Beispiel des Meisters von Flemalle folgend sucht Hugo van der Goes die Landschaften des Portinari Altars in winterlicher Stimmung darzustellen11 und vermeidet es, wohl schon mit Rücksicht darauf, dass eine reichere Abtönung und farbliche Differenzierung der einzelnen Zonen und damit auch ihre Loslösung voneinander dadurch erschwert worden wäre, wie dieser ein nordisches Winterbild etwa nach der Art des Horariums in Chantilly zu geben. Dennoch ist eine möglichst grosse Einheitlichkeit des Tons angestrebt, die Lokalfarben diesem untergeordnet und ganz in der Weise der Dijoner Geburt Christi ein harmonisch wirkendes Stimmungsbild gegeben.
In der Behandlung der Luftperspektive allerdings ist der Flemaller Meister dem Schöpfer des Potinarialtars in mancher Beziehung überlegen indem er das Abduften der landschaftlichen Hintergründe feiner zum Ausdruck zu bringen versteht, während sich das Studium der Luftperspektive bei Hugo van der Goes mehr in der Behandlung des sich über der Landschaft erhebenden Luftraums, also des Himmels mit seiner ganz allmählichen Aufhellung gegen den Horizont hin und mit dem durchaus naturwahren äusserst stimmungsvollen Gewölk zeigt.
Weit weniger fortgeschritten als in der Kunst der Gruppierung der Landschaftsmotive und der Tönung der Landschaft zeigt sich Hugo van der Goes in der perspektivischen Konstruktion und Gliederung des Raums. Ja, er kann in dieser Hinsicht Jan van Eyk und dem Flemaller Meister gegenüber als zurückgeblieben betrachtet werden. Ganz nach der Weise des Frühstils des 15. Jahrhunderts legt er den figürlichen Vordergrund tief und lässt die Hintergründe in sanft geneigter Böschung stufenweise über diesem ansteigen. Die Landschaft erscheint auf diese Weise in eine ganze Reihe von sich aufeinander projizierenden Terrainprofilen zerlegt und zur Entwicklung ruhiger Flächen kommt es ebensowenig wie zur Entwicklung von alle Teile der Landschaft miteinander verbindenden nach der Tiefe leitenden Richtungsmotiven. Die Gliederung des Geländes in horizontale Stufen oder Gründe ist die allein herrschende und die Art wie der Meister die Verbindung zwischen diesen ganz unorganisch hintereinander gestellten Zonen herzustellen sucht, ist häufig die denkbar unbeholfenste. So lässt er beispielsweise auf dem rechten Flügel die Köpfe der Gefolgschaft der heiligen drei Könige über die Böschung der vorgelegten Geländestufe emporragen um das räumliche Verhältnis, in welchem die beiden Zonen zueinander stehen anzudeuten.
Im Einzelstudium der Natur jedoch in der lebendigen und naturwahren Behandlung des Einzelmotivs steht Hugo van der Goes einzig da. Wie schon erwähnt ist dem Einzelmotiv im malerischen Gesamtbild der Landschaft eine ganz andere Rolle zugewiesen als in den übrigen Landschaftsdarstellungen des 15. Jahrhunderts und der ihm eingeräumten Stellung entspricht auch die Vertiefung des Blicks für die Einzelerscheinungen der freien Natur. Insbesondere sind die Bäume mit einem so gereiften Verständnis für die Struktur des Astwerks der Kronenbildung und der charakteristischen Verschiedenheit der einzelnen Gattungen wiedergegeben, dass in dieser Beziehung bis auf Pieter Brueghel em Aelteren kein Meister des 15. und 16. Jahrhunderts Hugo van der Goes gleichkommt.
Der Portinari Altar bildet, was die naturalistische Behandlung des Einzelmotivs betrifft, den Höhepunkt der van Eykisch-flan-drischen Richtung der Landschaftsmalerei, die die Natur in ihren Einzelerscheinungen studiert, und nähert sich in der Art wie das malerisch wirkende Einzelmotiv der Gesamtheit gegenüber hervorgehoben ist, der Auffassung der holländischen Landschafter des 17. Jahrhunderts.
Aus dem Buch “Von Jan van Eyk bis Hieronymus Bosch : ein Beitrag zur Geschichte der niederländischen Landschaftsmalerei” aus dem Jahr 1903, Autor: Schubert-Soldern, Fortunat von.
Siehe auch: Hieronymus Bosch (1450-1516), Hieronymus Bosch – Dokumente, HÖLLENSCHILDERUNGEN DES MITTELALTERS, JAN VAN EYCK, Studien zur Deutschen Kunstgeschichte – Von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch.
Weitere Künstler auf Kunstmuseum Hamburg: HYACINTHE RIGAUD, ALBRECHT DÜRER, TIZIAN, RAFFAEL, FERDINAND BOL, ADRIAEN VAN DER WERFF, SALOMON KÖNINCK, JAN VAN DER MEER VAN DELFT, CARLO DOLCI, KASPAR NETSCHER, GERARD DOU, REMBRANDT VAN RIJN, JAN DAVIDSZ DE HEEM, GABRIEL METSU, REMBRANDT VAN RIJN, ADRIAEN VAN OSTADE, DER MEISTER DES TODES DER MARIA, JUSEPE DE RIBERA, GUIDO RENI, LORENZO LOTTO, FRANCISCO DE ZURBAR AN, RAPHAEL MENGS, REMBRANDT VAN RIJN, BARTOLOME ESTEBAN MURILLO, HANS HOLBEIN DER JÜNGERE, JEAN ETIENNE LIOTARD, ANTON GRAFF, ANGELICA KAUFFMANN, ANTONIO ALLEGRI DA CORREGGIO, JAN VAN EYCK, ANTONIUS VAN DYCK, JACOB VAN RUISDAEL, CLAUDE LORRAIN, ANTOINE WATTEAU, PAOLO VERONESE, MEINDERT HOBBEMA, PETER PAUL RUBENS, CIMA DA CONEGLIANO, JAN WEENIX, PALMA VECCHIO, JAN WILDENS, MICHELANGELO CARAVAGGIO, POMPEO BAtONI, FRANCESCO FRANCIA, JAN VAN DER MEER VAN HAARLEM, DAVID TENIERS DER ÄLTERE, WILLEM KLAASZ HEDA, ADRIAEN BROUWER, JAN FY , HRISTIAN LEBERECHT VOGEL.