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Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Der Kupferstich in Frankreich

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von Kunstmuseum-Hamburg.de

Hier gezeigte Abbildungen:
Jacques Callo – Aus den Balli di Sfessania
Jacques Callot – Aus den petites miseres de la guerre
Claude Lorrain – Der Hafen
Claude Mellan – Bildnis des Pierre Gassendi (Ausschnitt)
Jean Morin – Bildnis des Jean Pierre Camus (Ausschnitt)
Robert Nanteuil – Bildnis des Francois Le Vayer (Ausschnitt)
Antoine Masson – Bildnis des Pierre Dupuis (Ausschnitt)
Gérard Edelinck – Bildnis des Robert Nanteuil (Ausschnitt)
Jean Le Pauire – Einrichtung eines vornehmen Schiafgemaches (Wenig verkleinert)
Jean Le Pauire – Einrichtung eines vornehmen Schiafgemaches (Wenig verkleinert)

 

IT dem XVII. Jahrhundert beginnt die französische Kunst, die sich bis dahin als gelehrige Schülerin, wenn auch mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit, an der Hand ihrer italienischen Meister bewegt hatte, sich zu nationaler Selbständigkeit zu entwickeln und auf die Suprematie, die sie im folgenden Jahrhundert in ganz Europa gewinnen sollte, vorzubereiten. Nicht in bewusstem Gegensätze gegen die alten Vorbilder vollzieht sich dieser Umschwung, sondern allmählich, allein durch das Erstarken des eigenen Kunstempfindens und durch die selbstbewusstere Betonung des nationalen Geschmackes. Selbst die bedeutendsten französischen Künstler dieser Zeit verlassen nicht die Bahnen des italienischen Klassizismus. Die Italiener werden nicht mehr wie im XVI. Jahrhundert zur Ausführung grosser Werke nach Frankreich berufen, aber fast alle Franzosen gehen zum Studium der klassischen Meister und der Antike nach Italien. Wie in der Literatur herrscht nun auch in der bildenden Kunst das Vorbild der Antike mit fast unumschränkter Autorität.

Ungleich leichter und schneller als die monumentale Kunst findet der beweglichere Bilddruck den Weg zu volkstümlichen und originellen Darstellungsformen. Allerdings sind es auch hier zunächst nur einzelne kühne Neuerer, die voranschreiten. Die strenge Grabstichelkunst entwickelt sich im engsten Anschlüsse an die flämische Technik und in gehorsamer Gefolgschaft der tonangebenden französischen Maler, und auch die Radierung, die sich ihre technischen Vorbilder fast ausschliesslich in Italien sucht, stellt sich zumeist noch in den Dienst des akademischen Klassizismus.

Nur ein Meister der Radierung befreit sich von dem Zwange der Rhetorik und schafft in der selbständigen, kecken Schilderung charakteristischer Gestalten und Vorgänge aus dem Leben ein neues Stoffgebiet, das ihm eine individuellere Formengebung und die freie Ausbildung einer dem Gegenstände entsprechenden Technik gestattet. Jacques Callot ist der Schöpfer dieser echt französischen, naiv-graziösen Kunst der Aktualität. Wenn auch von Nationalität Lothringer, er ist in Nancy 1592 geboren und ebendort 1638 gestorben, und seiner künstlerischen Ausbildung nach Italiener, ist Callot doch immer und mit vollem Rechte als französischer Künstler und als einer der charakteristischsten Schilderer gallischen Wesens angesehen worden. Man darf aber wohl auf die Verwandtschaft seiner Kunst mit der seiner burgundisch-niederländischen Stammesvettern Bosch und Bruegel, die in ähnlicher Weise, allerdings immer mit biblischer und allegorischer Motivierung, lebenswahre Sittenschilderung und Phantastik mischen, hinweisen. Auch Callots Landsmann Jacques Bellange, der deshalb als sein Vorläufer bezeichnet worden ist, hat in seinen Radierungen ähnliche Gegenstände behandelt. Er ist aber in der Manieriertheit Salimbenischer Formverdrehungen, aus der Callot durch seine gesunde Natur schnell gerettet wurde, verkommen.

Der abenteuerliche, phantastische Zug seines Wesens, der Callot schon als Knaben aus dem Vaterhause auf die Irrfahrt mit heimatlosem Volke trieb, kommt auch in seiner Kunst stark zur Geltung. Er ist ein scharfer, feiner Beobachter. Zahlreich erhaltene Zeichnungen beweisen, dass in seinen Radierungen alles auf eingehender Naturbeobachtung beruht. Die aufregende Wirkung seiner Darstellungen ist aber nicht nur durch die erbarmungslos wahre Schilderung der Gestalten und Vorgänge erzielt, sondern auch durch die kunstvolle Pointierung der Handlung, die geschickte Steigerung der Dimensionen ins Phantastische. Wie die Gestalten überschlank gebildet sind, so scheinen auch die Formen der Architektur wie ausgereckt, alle Gegenstände, selbst die Fahnen, in die Länge gezogen. Durch die weitläufige Anordnung der kleinen Figuren und der klar aufgebauten Gruppen auf dem Plane, durch die rasche Abnahme der Grösse der Figuren vom Vordergründe nach hinten zu gewinnt der Raum eine fast beunruhigende Ausdehnung. Auch die Innenräume haben beinahe unwahrscheinliche Dimensionen. Die Ansichten scheinen wie aus weiter Ferne von erhöhtem Standpunkte aus genommen, wie durch ein umgekehrtes Opernglas gesehen, so dass auch die fernsten Hintergründe, bis zu denen in der Wirklichkeit das Auge nicht mehr hindringen könnte, ganz deutlich werden. Es ist augenscheinlich die weite italienische Theaterbühne, besonders die der Aufführungen im Freien, mit ihrem raschen Szenenwechsel, mit ihren perspektivisch übertriebenen Wirkungen, dem Gegensatz der stark hervortretenden Gestalten der Schauspieler im Vordergründe zu den Statisten und den gemalten Dekorationen des ansteigenden Hintergrundes, die diese ganz neue mikroskopische Art der Darstellung bestimmt. Sie bleibt charakteristisch für die italienische und französische Landschaftsaufnahme auch nach der Natur. Durch seine Arbeit im Atelier des obengenannten Giulio Parigi in Florenz und durch die Anschauung hat Callot, der sein Interesse für die Bühne durch zahlreiche Darstellungen ihrer typischen Gestalten bekundet, seinen theatralischen Stil entwickelt.

Callots Auffassung steht in stärkstem Gegensätze zu allem, was monumental heisst in Komposition und Form. Seiner reichen, beweglichen Phantasie widerstrebt das schon in eine feste Kunstform gegossene Bild, sie folgt nur den flüchtigen Eindrücken des bewegten Lebens, die sie frei ausgestalten und zu Bildern zusammensetzen kann. Es sind eigentlich nicht Genredarstellungen, was Callot gibt; die Einzelgestalten wirken fast wie Individuen und die Vorgänge mit ihrer Häufung von Motiven und der Masse von Details wie bestimmte Ereignisse. Der chronistische Zug der Zeit kommt auch hierin charakteristisch zum Ausdruck. Das Nebensächliche spielt überall die Hauptrolle, die Begleitmotive lassen die Haupthandlung fast verschwinden, besonders auffallend z. B. in den Bildern zur Geschichte des verlorenen Sohnes, die wohl nie in so langer Bilder-folge geschildert worden ist. Die Erzählung ist von der grössten Breite, dabei aber doch von grösster Uebersichtlichkeit und von frappantester Drastik und Lebendigkeit im Einzelnen. Die oft fast beleidigende Manieriertheit, die Callot von seinen italienischen Lehrern, besonders von Salimbeni sich angewöhnt hat, wird durch die scharfe und treffende Charakteristik der Typen aufgewogen.

Callot hat sich, so viel man weiss, als Maler nicht betätigt, er hat seine ganze reiche Kraft dem Kupferstich gewidmet. Sein Werk beläuft sich auf ungefähr 1500 Blätter. Die Wirkungen, die er gegenständlich und künstlerisch erzielen wollte, liessen sich auch mit den Mitteln seiner Technik vollkommen erreichen. Callot arbeitet zuerst mit dem Grabstichel ganz im Stile der Cort-Schule; Thomassin soll in Rom sein Lehrer gewesen sein. Einzelne frühe Arbeiten, wie die h. Familie nach Andrea del Sarto und die Darstellungen aus dem Leben Ferdinands von Toscana nach Matteo Rosselli sind in trockener, gleichmässiger Linienmanier, die aber nach und nach lebendiger und kontrastreicher wird, ausgeführt. Indessen hatte er aber unter dem Einflüsse der Florentiner Radierer Tempesta, Cantagallina und Parigi sein Stoffgebiet und die ihm gemässe Technik gefunden. Er bildet eine ganz eigenartige, scharfe und klare Radierweise aus, die sich in der Strichführung, besonders in den tiefen Schatten der Grabstichelmanier nähert. Die Modellierung wird aber weniger durch Schraffierungen als durch den Gegensatz ganz feiner und ganz dicker Linien der Zeichnung hervorgebracht. Callot benutzt, um so dünne und so scharfgeränderte dicke Linien zu erzielen, den sogenannten verni dur, der zu seiner Zeit sonst nicht mehr üblich war. Die Nachahmung der Grabsticheltechnik wirkt in grösseren Flächen oft fade und leblos, um so reizvoller ist aber Callots Technik, wo er grosse Gestalten nur skizzenhaft anlegt, oder wo er die kleinen Figürchen mit höchster Feinheit und Leichtigkeit hinzeichnet und die Massen der Gruppen des Hintergrundes zart und scharf andeutet. Mit wenigen, stark anschwellenden Schattenlinien erreicht er seine kapriziösesten Pikanterien der Formgebung und Beleuchtung.

Callot muss man natürlich nicht sowohl nach seinen biblischen und historischen Darstellungen beurteilen als vielmehr nach seinen frei nach unmittelbaren Natureindrücken gestalteten Schilderungen aus dem Leben. Sein berühmtestes Meisterwerk ist der Jahrmarkt der Madonna delf Impruneta (bei Florenz), wo sich die vielköpfige Menge in buntem Durcheinander bewegt. Düstere Bilder aus dem Leben seiner Zeit gibt er in seinem eindrucksvollsten Werke, den beiden Folgen der „Miseres de la guerre“, einem kulturhistorischen Dokumente ersten Ranges (s. Abb.). Dem Künstler hat jedwede Tendenz sicher ganz fern gelegen, er folgt seiner Lust an der Schilderung des Kriegslebens, das er aus eigener Anschauung kannte, auch da, wo seine Aufgabe mehr in einer bloss topographischen Darstellung bestand, wie in der Belagerung von Breda und in der Belagerung von La Rochelle.

Für die Nachwelt wurde die Vorstellung von Callots Kunstcharakter am stärksten durch seine karikierenden Darstellungen zerlumpten und verkrüppelten Bettler- und Bänkelsängergesindels und durch die bizarren und humorvollen Masken der italienischen volkstümlichen Komödie bestimmt (s. Abb. S. 417). Wie er in den abstrusen Spukgestalten der „Versuchung des h. Antonius“ sich als würdiger Nachfolger der Bosch und Bruegel zeigt, so ist er mit seinen utrierten Typen aus dem niedersten Volke Vorläufer und Vorbild der holländischen Sittenschilderer geworden. Callots Stil hat wie ein künstlerisches Programm gewirkt weit hinaus über seine eigentlichen Schüler, die mehr zahlreich als bedeutend gewesen sind.

Israel Silvestre (1621—1691), der Neffe von Callots Verleger und Freund Israel Henriet, und Francois Collignon haben sich besonders durch ihre Ansichten aus Frankreich und Italien, die in Callots Art von weitem Ge sichtspunkte aufgenommen und in seiner Technik radiert sind, berühmt gemacht. Diese Art der topographischen, reizvoll belebten Vedute findet in Frankreich weiterhin noch zahlreiche tüchtige Vertreter in Nicolas De Son aus Rheims, Sebastien Le Clerc aus Metz (1637—1714) und in Adam, Gabriel und Nicolas P ereile. Andere wenden sich, durch Callot angeregt, der sittenbildlichen Darstellung und der Kostümschilderung zu, so Daniel Rabel, Jeans Sohn, der sich zuerst Tempesta angeschlossen hatte, und Jean de Saint-Igny aus Rouen, dessen fein und originell gezeichnete Modebilder meist von Briot und Bosse gestochen worden sind. In den über 900 Stichen Abraham Bosses (Tours 1605 —1678 Paris) verflacht sich Callots geistvolle und lebensprühende Phantastik zum spiessbürgerlkh moralisierenden, aber in allen Aeusserlichkeiten treuen Konterfei des häuslichen Lebens. Bosse gibt keine Charaktere, nicht einmal Typen sondern nur ihre „entourage“, die engere und weitere Hülle ihrer Körper. Er hat viele Titelblätter und Illustrationen zu Büchern geliefert und ist selber literarisch hervorgetreten. Ein besonderes Interesse hat für uns sein „Traicte des manieres de graver“ (1645). In seiner Technik sucht er mit Erfolg dk regelmässige, lineare Grabstichelarbeit der Villamena und Swanenburg durch die Radierung zu ersetzen, natürlich auch mit vollständiger Preisgabe der Freiheit, in der der wesentliche Vorzug der Aetzkunst besteht. Der erfindungsreichste und geschmackvollste Nachfolger Callots, Stefano della Bella ist unter den Italienern dieser Zeit bereits besprochen worden.

Neben der kraftvollen Originalität Callots treten die graphischen Leistungen der französischen Malerberühmtheiten jener Zeit fast durchgehends in tiefen Schatten. Beinahe alle haben den Ehrgeiz gehabt, ihre Werke wie die der grossen Italiener durch den Kupferstich vervielfältigt und verbreitet zu sehen, und sehr viele von ihnen haben selber, ausnahmslos im engsten Anschlüsse an italienische Vorbilder, mehr oder weniger zahlreiche Versuche in der Radierung hinterlassen. Häufig beabsichtigen sie wohl damit nur, den berufsmässigen Stechern die Manier, in der sie ihre Bilder reproduziert zu sehen wünschten, anzudeuten. Jacques Beilange, der Nachahmer Salimbenis, ist schon erwähnt worden. Eine gewisse Aehnlichkeit mit Salimbenis Manier lässt sich auch in den etwa 30 Radierungen Claude Vignons 1590 oder 1593 —1^7°) er~ kennen, der aber auch die freie und kühne Strichführung Caravaggios und Riberas nachzuahmen sucht. Petrus und Paulus im Grabe, das Martyrium des h. Lorenz und die Folge der „Miracula Christi“ zeichnen sich durch echt französische Lebendigkeit aus. Nach Vignon ist sehr viel gestochen worden, von Michel Lasne, David Lochon, De Son und anderen.

Eine gewisse, nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Reproduktionsstich hat Simon Vouet Paris 1590—1679) gewonnen. Er selber hat nur eine Radierung, die „Madonna mit dem Sperling“ (1633) ausgeführt, aber seine Stecher scheinen ihm doch wertvolle Anregungen zu verdanken. Für seinen Stil, den man treffend mit: „Caravaggio tempere par Reni“ bezeichnet hat, finden seine beiden Schüler und Schwiegersöhne Michel Dorigny um 1617—iööd) und Francois Tortebat (1600 oder 1626—1690) eine in mancher Hinsicht neue Stechweise, die über die Schule Vouets hinaus in Frankreich lange massgebend gewesen ist. Sie suchen die Gleichmässigkeit der Grabstichelarbeit in den Schatten mit der Beweglichkeit freier Radierung in den lichten Teilen zu verbinden. Sie erzielen damit’einen hellen Ton und eine Zartheit der Umrisse, die den süsslichen, weichen Formen Vouets, seinen grazilen Typen ganz angemessen sind und doch eine gewisse Tiefe der Schatten und der farbigen Gegensätze zulassen.

Schüler Vouets ist auch Nicolas Chapron (um 1599 bis nach 1639), der ausser den Bildern der vatikanischen Loggien auch eine Reihe hübscher Bacchanale in sehr delikater Technik radiert hat. Aehnliche Gegenstände liebt Pierre Brebiette (1598—1650), dessen humorvolle Bacchanale und andere mythologische Friese mit gleicher Freiheit und feiner Zierlichkeit ausgeführt sind. Franpois Perrier (1590—1650) ist zu seinem Schaden mehr durch seine etwas langweiligen Stiche nach Antiken und nach Raffael als durch seine viel lebensvolleren Blätter nach Vouet und nach eigenen Zeichnungen bekannt. Neben ihm mögen noch Remy Vuibert aus Troyes und Olivier Dauphin genannt sein. Von Eustache Le Sueur (Paris 1616—1655) besitzen wir aus seiner Lehrzeit bei Vouet eine Radierung in der Manier dieses Meisters. Den Stil Vouets und Dorignys verraten auch die sieben Radierungen, die Charles Le Brun (Paris 1619—1690) eigenhändig ausgeführt hat. Für den Kupferstich gewinnt Le Brun aber erst durch Audrans Stiche nach seinen Gemälden grössere Bedeutung. Auch Laurent De la Hyre (Paris 1606—1656) folgt, wenn er auch nicht Schüler Vouets gewesen ist, doch denselben Idealen. Reni und Guercino scheinen seine Vorbilder gewesen zu sein. Er behandelt in seinen 35 Radierungen, besonders Landschaften, die Technik Dorignys leichter und graziöser als dieser und die anderen Stecher nach Vouet. Sein Schüler und hauptsächlichster Stecher Franpois Chauveau (1620—1676) glänzt dagegen mehr durch seinen Fleiss — es werden ihm über 3000 Blätter zugeschrieben — als durch Selbständigkeit. Nicolas De la Fage, der die Vorzeichnungen für die Stickereien des Königs lieferte, hat 1638 —1645 sieben Radierungen in der Weise Renis leicht und skizzenhaft mit langen Strichen ausgeführt. Von Sebastien Bourdon (Montpellier 1616—1671) kennt man 44 Blätter, in denen er zum Teil Reni und besonders Benedetto Castiglione sich zu nähern sucht, zum Teil die Technik in der Art Dorignys behandelt.

Der italienische Einfluss ist, wie man sieht, bei allen, auch bei den bedeutenden französischen Künstlern dieser Zeit stilbestimmend. Mehr als einer von ihnen ist dauernd im Lande seiner künstlerischen Ideale geblieben. So hat der Schlachtenmaler Jacques Courtois genannt Le Bourguignon (1621 bis 1676), von dem 16 Radierungen in der Art Salvator Rosas aufgeführt werden, sein ganzes Leben in Italien zugebracht. Ganz Italiener ist auch Nicolas Poussin (1594—1665), der Schöpfer des idealen, heroischen Landschaftsstiles, geworden. Er selber hat sich nicht im Kupferstich versucht, aber sein Schüler und Schwager Gaspard Dughet (1613 —1675) und Francois Millet, genannt Francisque (Antwerpen 1643 oder 1644-—1680 Paris) haben in ihren leichten Radierungen seine Kunst, besonders seine Landschaften sehr gut zur Anschauung gebracht, besser als die zahlreichen Virtuosen des Grabstichels, die Poussins Gemälde reproduzierten.

Von allen diesen Meistern der monumentalen Kunst, die ihr eigenes Empfinden den strengen Forderungen akademischer Anschauungen zum Opfer brachten, die ihre ganze Kraft in den Dienst höfischen oder kirchlichen Pompes stellten, konnte eine Kunst so intimen Charakters wie die Maler-Radierung keine nennenswerte Förderung erfahren. Die Kraft und Frische, durch den Strom der übermächtigen Eindrücke des italienischen Klassizismus sich zu einem eigenen, festen und hohen Beobachtungsposten durchzuarbeiten, hat von allen französischen Künstlern dieser Zeit ausser Callot nur noch ein einziger besessen. Wie Callot in der Beobachtung des Lebens, so zeigt Claude Gellee genannt Claude Lorrain (geb. in Chamagne 1600, gest. in Rom 1682) in der Schilderung der Landschaft die Unmittelbarkeit der Naturanschauung, die gerade für die Maler-Radierung Lebenselement ist.

Claude war Lothringer wie Callot und hat seine Ausbildung ebenfalls in Italien empfangen, er hat sogar den grössten Teil seines Lebens dort zugebracht. Sein eigentlicher Lehrer ist Agostino Tassi in Rom gewesen, er hat sich aber das Studium anderer Meister wie Carracci, Brill, Poussin und besonders Els-heimer nicht weniger angelegen sein lassen. Claude geht ganz in der Betrachtung des Landschaftlichen auf, die Figurenstaffage, die in seinen Bildern auch nur Bedeutung für die Komposition und für die Stimmung hat, gelingt ihm im Detail meist sehr wenig, er hat sie später von anderen Malern in seine Gemälde einfügen lassen. Zahlreiche Studien in verschiedenen Zeichnungstechniken legen von seiner grossen Gewissenhaftigkeit Zeugnis ab. Aus diesen unmittelbar nach der Natur beobachteten Elementen sind seine Bilder kunstvoll zusammengesetzt.

Mit grösster Sorgfalt und teinster Empfindung ist die Wirkung jeden Teiles für die beabsichtigte einheitliche Stimmung des Ganzen abgewogen. Man nennt den Stil der Claudeschen Landschaft den heroischen, die grosse, ruhige Linie der römischen Landschaft bestimmt die Komposition, selbst die Gestaltung der antiken Ruinen und der reichen Renaissancegebäude, die Claude gern als seitlichen Abschluss in seine Bilder hineinragen lässt. Mehr jedoch als das heroische Element herrscht die idyllische Stimmung vor. Nur selten ist der Himmel von düsteren Gewitterwolken bedeckt, fast immer lacht er in trendigem, hellem Sonnenschein, oder er erglänzt im milden Lichte des Mondes. Dem liebenswürdig frohen Temperament des Künstlers entsprach die heitere Lichtmalerei.

In seinen Radierungen, deren man etwa 27 authentische zählt, ist der Künstler sehr ungleich, aber fast alle sind wie seine Gemälde ebenmässig komponiert und bildmässig abgerundet. Die Anregung zur Radierung soll er in Nancy von Callot empfangen haben und in Rom von seinem Freunde Joachim von Sandrart in der Technik unterrichtet worden sein. Er behandelt die Aetzung mit grosser Sicherheit, so dass er nur wenig mit dem Stichel oder mit der kalten Nadel nachzuarbeiten braucht. Er führt dabei die Nadel mit grosser Willkiirlichkeit, seine haken- und schleifenförmigen Linienbildungen eignen sich sehr gut zur Darstellung des Laubes, des Bodens und dergleichen, aber nur wenig für die bestimmteren Formen der Figuren. Auf einzelnen Blättern finden sich die Daten 1630, 1633, 1634, 1636, 1637, 1651 und 1662, aber eine bestimmte Entwickelung seines Stils hat an der Hand dieser Daten nicht festgestellt werden können. Claude hat sich mit der Radierung augenscheinlich nur gelegentlich beschäftigt; im Verhältnis zu seinem grossen Malerwerke ist die Zahl seiner Stiche nur sehr gering.

Einzelne Radierungen sind ziemlich flüchtig und derb in hellem Ton, in mehr skizzenhaften Formen behandelt, wie z. B. der Raub der Europa von 1634 (R.-D. 22), der Hirt und die Hirtin (R.-D. 21), Apollo und die Musen (R.-D. 20), der Ziegenhirt von 1663 R.-D. 19), andere sind sorgsamer in dunklerem, geschlossenem Ton durchgeführt. Unter den Arbeiten dieser Art befinden sich seine vorzüglichsten Werke. Die flgurenreiche Ansicht des römischen Forums von 1636 (R.-D. 23) erinnert etwas an Callots Manier, in anderen Blättern wird der Einfluss Elsheimers bemerkbar, z. B. in der Furth von 1634 (R.-D. 3). Wie Elsheimer verwertet auch Claude das Wasser sehr geschickt für die Beleuchtung, Ganz eigentümlich ist ihm die Kunst, die atmosphärischen Erscheinungen der einzelnen Tageszeiten zu charakterisieren und die Luftschichten auf das Feinste zu unterscheiden. Besonders vollendet zeigt er sic z. B. in dem Rinderhirten ^1636, R.-D. 8), der Herde (1651, R.-D. 18), in den tanzenden Hirten R.-D. 6 und 10 und vor allem in dem Hafen bei Sonnenaufgang R.-D. 1 5, s. Abb.), einer seiner glänzendsten Leistungen. Die feinen Nebel, die die Scheibe der aufgehenden Sonne noch verschleiern, die auf dem Wasser schweben und die Gestalten umfliessen, sind durch die zarteste Aetzung unübertrefflich wiedergegeben. Wie in dem ,,Rinderhirten“ das warme, rötlich-goldene Licht der Abendsonne die Gegenstände scharf umschreibt, durch die Gebüsche dringt und die Schatten tief dunkel erscheinen lasst, so tönt im „Hafen“ die feuchte, kühle Nebelatmosphäre der aufgehenden Sonne alles mit mattem Grau, aus dem die Gestalten gespenstisch unbestimmt hervortauchen. In diesen poetisch-stimmungsvollen Schilderungen der Tageszeiten hat Claude die höchste, unbestrittene Meisterschaft erreicht.

Als Radierer hat Claude Lorrain seine hervorragendsten Nachfolger unter den Holländern gefunden. In Frankreich sind von den Landschaftsradierern, die seinem Stile folgen, höchstens Henri Mauperche (Paris 1602-1686 und Dominique Barriere (tätig um 1620—1678), der Claudes Kompositionen, aber nicht seine Technik nachahmt, zu nennen.

Viel mehr als in den Radierungen Claude Lorrains und in den gelegentlichen Versuchen anderer Maler, als selbst in Callots lebensvollen Erzählungen hat man den Ruhm der französischen Graphik des XVII. Jahrhunderts in den glanzvollen Leistungen der Grabstichclkunst erblickt. Sie wird freilich zu einer wesentlich reproduzierenden Technik, was aber den Meistern des Grabstichels an Originalität der Erfindung abgeht, das ersetzen sie durch die Fülle der Arbeiten und vor allem durch den vollendeten Geschmack und die Freiheit in der Interpretation ihrer Vorlagen. Sie wissen die Vorzüge ihrer malerischen Urbilder mit den eigenen Reizen ihrer reichen technischen Mittel zu einem neuen Eindrücke zu verbinden. Gerade weil ihre Vorbilder nicht die unausweichliche Endgültigkeit höchster Meisterwerke besassen, konnten sie leichter mehr geben als eine blosse Reproduktion der Gemälde.

Die Blüte der französischen Grabstichelkunst des XVII. Jahrhundert schiebt sich mehr in die zweite Hälfte dieses Zeitraumes, in die Zeit Ludwigs XIV., dessen Person und Umgebung zu verherrlichen sie vornehmlich berufen war. Dem regelmässigen, trockenen Stil niederländischen Typus, in dem sich die französischen Stecher des ausgehenden XVI. Jahrhunderts, wie Gaultier, Leu, Granthomme und andere gefielen, führt zuerst Michel Lasne (Caen 1596 bis 1667 Paris) ein neues, belebendes Element in einer Reihe technischer Formen der Rubensschen Stecherschule zu. Lasne hat ausser nach Quesnel, Dumonstier und Vouet auch nach Rubens gestochen. Für seine zahlreichen Bildnisse scheint er meist eigene Zeichnungen benutzt zu haben. Er gibt den Taillen mehr Weichheit und Breite und dadurch den Formen mehr Fülle und Lebendigkeit.

In Claude Mellan (Abbeville 1598 — 1688 Paris), einem Schüler Vouets, tritt uns der erste originale französische Künstler des Grabstichels entgegen. In seinen frühesten Stichen von 162o—1623 arbeitet er noch ganz in der Art Lasnes, dann aber bildet er, wohl in Anlehnung an Villamenas Technik und wahrscheinlich in Nachahmung der Zeichenmanier Guercinos und der Stiche Pasqualinis, eine ganz neue Stechweise mit der grössten Konsequenz aus. Mellan verschmäht die Kreuzschraffierung und modelliert nur mit einer einzigen Lage ungefähr paralleler Linien, die den Formen folgen und in den Schatten anschwellen. Die Umrisse der Formen bildet er nicht durch bestimmte, feste Striche sondern durch die sanft und etwas gekrümmt verlaufenden Spitzen der Schraffierungslinien. Er hat es in dieser Manier zu erstaunlicher Virtuosität gebracht, so dass er sein „Schweisstuch der Veronica“ mit dem lebensgrossen Antlitz Christi mit einer einzigen Spirallinie, die auf der Nasenspitze beginnt, ausführen konnte. Mellan glänzt aber keineswegs bloss durch seine ganz originale und virtuose, stoffliche Technik, seine Arbeiten, besonders seine Bildnisse, die er meist nach eigenen Zeichnungen gestochen hat, besitzen auch ganz gediegene künstlerische Qualitäten. Sie zeichnen sich durch eine feine Helligkeit des Tones aus, als ob die Köpfe im Freien von Sonnenlicht umflossen gesehen wären. Die Auffassung seiner Bildnisse ist erstaunlich frei und lebendig und doch ernst. Zu den besten gehören die des Kardinals Richelieu, des Flenri de Mesmes, des Archäologen Peiresc, des Pierre Gassendi (s. Abb.), der Henrica Maria Frontenac. Dem vortrefflichen Zeichner gelingen Allegorien und emblemenreiche Thesenblätter und andere Originalkompositionen ebenso gut wie seine Porträts und Nachbildungen von Werken anderer Meister.

Mellan hat in seiner eigenartigen und ganz persönlichen Technik keinen Nachfolger gehabt, er hat aber trotzdem auf viele selbständige Künstler einen starken Einfluss ausgeübt. Im Gegensätze zu den Maler-Radierern, die ihre künstlerischen und technischen Anregungen wesentlich von den Italienern empfangen, erkennen die mehr auf die Ausbildung der Technik bedachten Stecher die Ueberlegenheit der Meister der Rubens- und Van Dyck-Schule. Die Anlehnung an Van Dyck ist besonders auffallend bei Jean Morin (Paris um bis um 1600-1666), der allein von allen französischen Bildnisstechern dieser Zeit den grössten Teil der Arbeit in Radierung ausführt. Morin hat hauptsächlich nach seinem Lehrer Philippe de Champaigne und nach dessen Vorbild Van Dyck gestochen und, abgesehen von einigen hübschen Ruinenlandschaften nach Poelenburg und anderen, ausschliesslich den Bildnisstich gepflegt. Nur einige, offenbar ganz frühe Stiche, z. B. der Rene de Longeuil, haben einen hellen Ton, im allgemeinen sind seine Blätter dunkel gehalten. Die Halbtöne im Fleisch sind mit feinen, kurzen Nadelstrichen und Aetzpunkten bedeckt und die hellen Lichter wie ausgespart, in den tiefen Schatten sind die langen Kreuzschraffierungen stärker zu dunklen Tönen gesammelt. Die Glanzlichter in dem dunklen Gesamtton geben den Bildnissen oft eine metallische, bronzeartige Wirkung. Der Kardinal Bentivoglio nach Van Dyck, Antonius Vitre und Jean Pierre de Camus nach Champaigne (s. Abb. und andere mehr sind Bildnisse von feinster und geschmackvollster Durchbildung.

Auch Robert Nanteuil (Reims 1618 oder 1623 —1678 Paris) der glänzendste und feinste Vertreter des französischen Bildnisstiches, ist nur in seinen Anfängen von Mellan stärker beeinflusst worden, z. B. im Bildnis des Jean Mes-grigny. In der Schule Philippes de Champaigne erwarb er sich eine Sicherheit in der Zeichnung und in der Auffassung des Bildnisses, die ihm gestatteten, für viele seiner Stiche von malerischen Vorbildern abzusehen und unmittelbar nach dem Leben zu arbeiten. Er ist auch als Zeichner von Pastellbildnissen (crayons) berühmt gewesen. Unter seinen 234 Blättern stellen nicht weniger als 116 Bildnisse seiner Zeitgenossen dar, allein das Porträt des Kardinals Mazarin hat er 14 mal, das Louis’ XIV. 11 mal gestochen. Nanteuil soll bei der Arbeit viele Helfer gehabt haben, unter denen Nicolas Pitau, Nicolas Regnesson, Pierre Simon, Cornelis Vermeulen und Peter van Schuppen genannt werden. Meist beschränkte sich sein persönlicher Anteil auf die Ausführung des Kopfes, die Gewandteile sind dann von Gehilfen ausgeführt und zwar oft in einer Technik, die sich der Mellans nähert. Nur wenige vorzügliche Platten sind ganz als sein Werk anzusehen; so z. B. die Bildnisse der Anne d’Autriche, der Königin Christine von Schweden, des Marechal Turenne (Henri de la Tour d’Auvergne), des Nicolas Foucquet, des Francois Le Vayers. Abb und besonders das des Pompon de Bellievre nach Le Brun, eines der berühmtesten und anziehendsten Meisterwerke des französischen Kupferstiches.

Hier sind die Mächtigen und Grossen gewissermassen geistig nobilitiert, die Formen wie der Charakter- und Empfindungsausdruck zu tadelloser Reinheit und überlegener Vornehmheit abgeklärt. Es sind nicht die Menschen, wie sie wirklich waren, sondern wie sie scheinen wollten und durch die höfische Kunst der Selbstbeherrschung auch zu scheinen gelernt hatten. Gerade deshalb wurde die Aehnlichkeit der Bildnisse Nanteuils, der selber Hofmann, auch Poet, ein Mann von liebenswürdigem, heiterem Temperament war, so hoch gerühmt. Mit fleckenloser Glätte und faltenfreier Weichheit rundet der Stichel die Formen. Alle Kunstgriffe der niederländischen Stecher werden hier überboten, die Formen der Linien mit grösster Feinfühligkeit dem Charakter des Stoffes angepasst, die einzelnen Stoffe mit Meisterschaft unterschieden, die feinen Linien im Fleisch noch durch zahllose Punkte zu weichen fönen verbunden und in das Licht übergeleitet. Die Zartheit und Glätte des Miniaturgemäldes ist hier erreicht. Und doch tritt in den Arbeiten Nanteuils die Virtuosität nirgends störend hervor. Dem Gesamteindrucke ist das Einzelne mit künstlerischer Ueberlegung untergeordnet. Die Verbindung der Freiheit in der StofFandeutung mit der grössten Regelmässigkeit der Linienführung ist nicht nur als technische Leistung sondern auch als vollendeter Ausdruck eines Kunstideals — mag es auch nicht mehr das unsere sein — bewunderungswürdig.

Die meisten Genossen und Nachfolger Nanteuils lassen diese echt künstlerische Zurückhaltung technischer Virtuosität recht schmerzlich vermissen. Sehr auffällig ist das schon bei Antoine Masson (Louvry 1636—1700 Paris), der von Hause W affengravier er gewesen ist. Wie Nanteuil hat er fast ausschliesslich Bildnisse gestochen, nach den beiden Mignard, nach Le Brun und auch nach dem Leben. Seine Taillen sind mit grösster Sicherheit geführt, aber von verletzender Glätte und erkältendem Schematismus. Die Haare löst er z. B. vollständig in dünne, von zwei gleichlaufenden Linien gebildete Spiralen auf, die Fleischbehandlung besitzt in den höchst lebensvollen Gesichtern dieselbe Festigkeit wie bei Nanteuil, in den Körperformen aber eine allzu grosse Weichlichkeit. Eine Wade setzt er z. B. ganz aus konzentrischen Ovalen zusammen. Besonders in den überlebensgrossen Bildnisköpfen geht Masson über die Grenzen des durch Linienwirkung Erreichbaren hinaus. Seine Bildnisse sind schon mehr auf eine gewisse Fernwirkung, in der das störende Uebergewicht der einzelnen Linie verschwindet, berechnet. Massons beste Arbeiten, wie das grosse Bildnis des Comte d’Harcourt (genannt: le Cadet ä la perle), die des Vicomte de Turenne, des Guillaume de Brisacier, des Olivier D’Ormesson, des Malers Pierre Dupuis (s. Abb.) nehmen einen hervorragenden Platz in der französischen Stecherkunst ein.

Zahlreiche andere Meister stehen in ihrer technischen Einseitigkeit noch weit mehr hinter dem fein empfindenden und überlegenden Nanteuil zurück. Sie können fast nie eine gewisse Materialität der Linienbildung und eine Trockenheit und Flachheit der Töne vermeiden. Es mögen hier Erwähnung finden: Francois Poilly (1622—1693), ein Schüler Bloemaerts, der hauptsächlich nach Carracci, Reni, Poussin und Le Brun gestochen hat, und sein Bruder Nicolas (1626—1696), dann Nicolas Pitau (Antwerpen 1634—1671 Paris) und Pieter van Schuppen (Antwerpen 1623—1702 Paris), der ebenfalls aus der niederländischen Schule hervorgegangen war, aber unter Nanteuils Schüler genannt wird, Cornelis Marinus Vermeulen (Antwerpen 1644—1710?), Francois Ragot, Jean Lenfant, Jean Louis Roullet (1645 — 1699), Pierre Daret (1604—1678?), Gilles Rousselet (1614—1586), Antoine Trouvain (1666—1710), Charles Simoneau (1635?—1728).

Die neuen Anregungen, deren die französische Kunst bedurfte, kommen nun zumeist aus den Niederlanden. Mehr als einer der führenden französischen Künstler, z. B. Philippe de Champaigne, stammte aus der vlämischen Nachbarschaft Frankreichs und auch von den Stechern haben viele ihre erste Ausbildung in der Rubensschule empfangen. Ein bedeutendes Talent, das die Technik durch neue Formenbildungen zu bereichern imstande war, gewinnt der französische Kupferstich in Gerard Edelin ck, der 1640 in Antwerpen geboren war und sich bei Cornelius Galle d. J. ausgebildet hatte. Edelinck kann trotzdem mit vollem Rechte der französischen Schule zugezählt werden, nicht nur weil er von seinem 2 6. Jahre an bis zu seinem Tode im Jahre 1707 in Paris tätig gewesen ist und hauptsächlich nach französischen Malern gestochen hat, sondern vornehmlich, weil er seine Vorbilder durchaus im französischen Stilgefühl interpretiert. Edelinck bringt aus der Rubensschule wieder etwas gesunden Naturalismus und Farbigkeit in die französische Kupferstichtechnik.

Von Nanteuil, mit dem er zusammengearbeitet hat und dessen Nichte er heiratete, hat Edelinck ohne Frage viel gelernt. Die beiden grössten französischen Grabstichelkünstler stehen gleichwertig nebeneinander. Nanteuil ist künstlerisch selbständiger und unerreicht im ruhigen Ebenmass seiner Formbildung, Edelinck arbeitet nur nach fremdem Vorlagen, aber als Stecher ist er vielseitiger, beweglicher und malerischer. Er bedient sich ausschliesslich des Grabstichels und modelliert mit scheinbar ganz regelmässigen Linienzügen, verfügt aber doch über einen grossen Reichtum von Strichbildungen, die er mit grosser Freiheit und Feinfühligkeit verwendet. Sein Stich nachRaffaels Madonna für Franzi, gilt als eine der vorzüglichsten Reproduktionen nach Werken desUrbinaten. Ebenso vollkommen trifft er die lichte Farbenmodellierung Rubens’, wie man das z.B. in seinem Stich nach Rubens’ Kopie einer Gruppe aus Leonardos Karton der Schlacht .bei Anghiari erkennen kann.

Edelinck könnte man wohl den ersten grossen Meister der Reproduktion nennen, weil er ganz in den Geist seiner Vorlage eindringt, sie nicht unmittelbar als solche nachzubilden, sondern gewissermassen sich aus der Wirklichkeit zu rekonstruieren sucht. Er steht bei aller Anpassungsfähigkeit- dem Vorbilde selbständig und kritisch gegenüber. Nicht mit Unrecht hat man bemerkt, dass seine Stiche nach Le Bruns Gemälden frischer und anziehender wirken als die Originale. Ohne Frage sind sie sogar farbig reizvoller. Le Brun hat der Meisterschaft Edelincks volle Anerkennung gezollt. Pierre Mignard setzte seinen ganzen Ehrgeiz darein, eine von ihm im Wettstreit mit Le Brun nach demselben Vorwurf hergestellte Komposition von Edelinck gestochen zu sehen. Edelincks umfangreichster Stich nach Le ßrun ist das sogenannte Zelt des Darius, das heisst die Familie des Darius vor Alexander, aus der Folge der Alexanderdarstellungen für des Königs Gobelins. Seine vorzüglichste Arbeit nach Le ßrun ist die reuige Magdalena, in der man damals eine Anspielung auf die Bekehrung der Herzogin De la Vallicre sah, ein Meisterwerk der Wiedergabe des Stofflichen. Unter den etwa 450 Blattern Edelincks zählt man ungefähr 200 Bildnisse. Er hat fast alle hervorragenden Personen der Umgebung Ludwigs XIV. porträtiert, des Königs Bildnis nicht weniger als 14mal in den verschiedensten Formaten gestochen. Die Blätter nach Philippe de Champaigne stehen in ihrer vornehmen Ruhe und Eleganz den Arbeiten Nanteuils sehr nahe. Besonders tiefempfunden ist der Stich nach dem Selbstbildnis des Malers, mit dem der Stecher seinem kurz vorher verstorbenen Landsmann und Beschützer eine Dankesschuld hat abtragen wollen. Hier hebt sich die Halbfigur des Künstlers schon von einem landschaftlichen Hintergründe ab. Von der einfachen medaillonartigen Anordnung des Brustbildes aut schraffiertem Grunde in ovaler Umrahmung, die Nanteuil und die älteren Stecher bevorzugt hatten, geht man nun zu reicheren Hintergründen und zu bewegteren Kompositionen über. Edelinck hat neben vielen solcher einfachen Medaillonbrustbilder, unter denen das Bildnis Nanteuils besonders interessant ist s. Abb„ ), auch eine Reihe von Porträts gestochen, in denen der Körper und die Umgebung eine grössere Rolle spielen. Van Dycks Beispiel wirkt bei den französischen Malern, bei Largilliere, Mignard, Rigaud und anderen, die Edelinck Vorbilder lieferten, nach. Als eines der besten Beispiele dieser Art ist das Porträt des Bildhauers Martin Desjardins nach Rigaud, nächst ihm die des Dichters John Dry den nach Kneller, des Nathanael Dilger u. a. m. hervorzuheben.

Neben Edelinck hat als Stecher historischer Darstellungen nur Gcrard Audran Lyon 1640—1703 Paris) einen hervorragenden Platz zu beanspruchen. Audran hat, nachdem er das Handwerkliche seiner Kunst bei seinem Vater erlernt hatte, längere Zeit in Italien gearbeitet. Bei ihm gewinnt, im Gegensätze zu Edelinck, der italienische Einfluss und die Antike wieder grössere Bedeutung. Er bildet eine eigene, grosszügige Technik aus, indem er die klare, derbe Radierung italienischer Art mit regelmässiger, tieffurchender Grabstichelarbeit verbindet. Für die umfangreichen Aufgaben, die ihm in den Riesenkompositionen der italienischen und französischen Historienmaler gestellt wurden, war diese breitere und flüchtigere Behandlung der Formen, dies Zusammenfassen der Gruppen m grosse Massen geeigneter als die fein ins Einzelne sich vertiefende Stichtechnik der Porträtstecher. Audran komponiert mit grossen Lichtflächen und malerischen, oft unregelmässig und fein schraffierten Halbtönen; mit tiefen Schatten aus dicken Kreuzschraffierungen ist er sehr sparsam.

In den grossen Stichen nach Le Bruns Alexanderschlachten, seinen Hauptwerken, nähert er sich etwas mehr der Technik seines Freundes und künstlerischen Beraters Edelinck und der durch Glanzlichter wirkenden Stoffbehand-lung der Rubensschule. An farbigem Reiz der Technik und Feinheit der Formendurchbildung bleibt er hinter Nanteuil und Edelinck weit zurück, seine Stärke besteht in der Sicherheit und Korrektheit der Zeichnung und in der Beherrschung der Formen- und Lichtmassen grosser Kompositionen. Unter den Z15 Kupferstichen, die von ihm beschrieben sind, zählt man nur 14 Bildnisse. Er ist der berufenste Interpret der grossen akademischen Historienmaler Frankreichs, die mit ihrer mehr vom Pathos als von der Naturbeobachtung bestimmten Formengebung an die Kritik und die Gewandheit des künstlerisch empfindenden Stechers hohe Anforderungen stellten. Ausser den Alexanderschlachtcn hat Audran noch viele andere Kompositionen Le Bruns gestochen. Ebenso hat er eine Anzahl von Gemälden Poussins, Le Sueurs, Mignards und Coypels durch seine Stiche berühmt gemacht. Von den zahlreichen Mitgliedern seiner Familie, die vor, neben und nach ihm als Stecher tätig waren, haben sich Benoit Audran (i<56i-—1721) und Jean Audran (1667—1756) noch am meisten der Vorzüglichkeit ihres Verwandten und Lehrers zu nähern vermocht.

Die mannigfaltigen Aufgaben, mit denen das reiche und schmuckliebende gesellschaftliche und religiöse Leben der Zeit und nun, nach der fast vollständigen Verdrängung des Holzschnittes, auch die umfangreiche und vielseitige typographische Produktion an den Kupferstich herantraten, rührten einen immer weiteren Kreis von Künstlern diesem Gebiete zu. Die grossen, massgebenden Meister, die ihren Grabstichel vornehmlich dem Bildnis und dem historischen Gemälde widmeten, haben in einzelnen Fällen schon in dieser Zeit an mehr ornamentalen Werken mitgearbeitet. Auch Nanteuil und Edelinck und andere haben für reiche und vornehme Herren die Umrahmungen der sogenannten „Thesen“, der Blätter, auf denen die akademischen Disputationen über wissenschaftliche Thesen angezeigt wurden, gestochen. Im allgemeinen jedoch blieben solche Arbeiten, in denen der Kupferstich mehr als blosse Illustration und Verzierung dienen sollte, bescheideneren und weniger beschäftigten Stechern überlassen. In illustrierten Büchern zur Unterhaltung und Belehrung, in Kalenderblättern, Schilderungen von historischen Ereignissen, in Sammlungen von Wappen und Emblemen, von Tier- und Blumendarstellungen, Schreibvorlagen u. dgl. beginnt jetzt der Kupferstich eine lebhafte Tätigkeit, die allerdings erst im folgenden Jahrhunderte zu künstlerisch hervorragenden Leistungen führen sollte. Es wäre hier z.B. auf Cl. Fr. Menestrier, Fr. Chauveau, Alb. Flamen, I. B, Monoyer, L Vauquer aufmerksam zu machen.

Der Ornamentstich setzt im XVII. Jahrhundert nur die Arbeit der vorhergehenden Zeit fort, er dehnt sein Gebiet aber weit über das einfache Ornamentvorbild aus, indem er nun die Formen gleich in ihrer Verwendung in der Aussen-und Innendekoration darstellt. Hierin ist die Tätigkeit Jean Le Pautres (Paris 1617—1682 epochemachend gewesen. Dieser ausserordentlich erfindungsreiche und zeichnerisch wie als Stecher gewandte Künstler hat über 2000 Stiche in einzelnen Folgen veröffentlicht, die Vorbilder für alle Teile und Gegenstände vornehmer Gebäude, für Schloss- und Kirchenanlagen, Prunkgemächer und Gärten, Geräte und Möbel aller Art nach seinen eigenen und nach fremden Entwürfen enthalten. Er versteht seine für das praktische Studium bestimmten Vorlagen in einer geschmackvollen und interessanten Form vorzuführen, indem er die verzierten Räume mit Figuren belebt und die Bilder mit reichen Umrahmungen versieht (s. Abb.). Le Pautre hat wie in der Darstellung auch in der Technik seinen eigenen Stil. Seine Radierung ist leicht und weich, aber doch farbig kräftig, so dass die Fülle der einzelnen Formen klar zur Geltung kommt. Besonders in den Figuren erinnert seine Manier stark an die Stefanos della Bella.

Wie Le Pautre bemüht sich auch Jean Berain d. Ä. (Paris 1638—1711) die Formen der italienischen Spätrenaissance und des Barock nach französischem Geschmack umzubilden, nun aber in leichterem, eleganterem Vortrage. Seine Entwürfe sind von Le Pautre, Dolivar, Daniel Marot gestochen worden. Als Ornamentstecher dieser Zeit seien noch Charles Errard, Gedeon und Gilles Legare, Alexis und Nicolas Loir angeführt.

Die glänzende Bautätigkeit unter Ludwig XVI. und das dadurch geweckte Interesse für die älteren französischen Bauwerke spiegelt sich auch im Kupferstich wieder. Neben reich illustrierten Büchern über Architektonik entsteht eine Reihe prächtiger Abbildungen französischer Gebäude, die zum Teil von ihren Meistern selber herausgegeben wurden. Die Werke Jules Hardouin Mansarts, von Michel Hardouin gestochen (1680), die architektonischen Entwürfe und Aufnahmen von Jean und Daniel Marot, Pierre Cottart, Louis Savot, Le Brun und anderen geben neben den Stichen Le Pautres ein lebendiges Bild der Kunstpflege unter dem grossen König. Umfassend wie alle seine Unternehmungen ist auch sein Plan, in dem „Cabinet du Roi“ Abbildungen aller bedeutenden Kunstwerke, die unter seiner Regierung entstanden oder in königlichen Besitz gekommen waren, zu sammeln. Mit dem Bestände an Kupferstichplatten, die in seinem Aufträge von den besten Künstlern zu diesem Zwecke hergestellt wurden, hat er den Grund zur „Chalcographie du Louvre“, einem noch heute bestehenden Institute zur Pflege des Kupferstiches gelegt, zu gleicher Zeit damit aber auch zuerst den Gedanken einer Art von Inventarisierung des nationalen Kunstbesitzes angeregt.

Aus dem Buch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten aus dem Jahre 1911, Autor Kristeller, Paul, 1863-1931.

Siehe auch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Vorwort, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Die Technik des Bilddruckes, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Das fünfzehnte Jahrhundert – Der Holzschnitt in Deutschland, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Deutschland und in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in Frankreich, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in England, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in Spanien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Holzschnitt und Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Holzschnitt in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in Frankreich, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Der Kupferstich in Italien.


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