von Kunstmuseum-Hamburg.de
USSCHLIESSLICH in der Buchillustration hat der Holzschnitt in England eine Existenz und auch hier nur eine vergleichsweise recht kümmerliche. Künstlerischer Wert und Selbständigkeit kehlt den englischen Holzschnitten durchweg fast vollständig. Am auffallendsten zeigt sich die Schwäche der englischen Buchausstattung in dem Mangel an Ornamentik und in der Roheit der wenigen Initialen, Umrahmungen und anderen Schmuckstücke, die sie verwendet. Man versieht die Bücher, die der Bilder nicht wohl entbehren können, nur mit den unbedingt notwendigen Darstellungen. Niederländische oder französische Arbeiten liefern die Vorlagen, oder wenigstens die stilistischen Vorbilder für die meisten englischen Buchholzschnitte.
Bei Colard Mausion- in Brügge soll William Caxton, der als der erste in England im Jahre 1477 in Westminster eine Druckerei eröffnete, die Kunst erlernt haben. Seine ersten Bücher, auch seine erste Ausgabe von Chaucers Canterbury Tales sind ohne Bilder. Erst im Jahre 1480 kam das älteste in England gedruckte Buch mit Holzschnitten, der „Mirror of the World“, aus seiner Presse. Es sind ausser einer Reihe von Diagrammen Darstellungen eines Lehrers mit seinen Schülern. Man hat diese Bilder und die in dem „Game of Chesse“ des folgenden jahres nur deshalb für Arbeiten englischer Holzschneider erklärt, weil sie so dürftig seien, dass sie jeder, der ein Messer zu handhaben verstand, hätte anfertigen können. Etwas besser sind die Illustrationen in Caxtons zweiter Ausgabe der Canterbury Tales und in seinem Aesop um 1484). Nicht ohne Charakter in der Zeichnung, , wenn auch roh und grob im Schnitt, sind die Holzschnitte in Caxtons „Golden Legend“, Darstellungen von Heiligen und ihren Martyrien. Andere Illustrationen verwendet Caxton in dem „Royal Book“ und im „Spe-culum vite Christi“ (1487 bis 88). Gleichzeitig gaben die Sant Albans-Druckerei und besonders eine in Oxford arbeitende Presse einige Werke mit Abbildungen heraus. Eine Serie von Holzschnitten, die offenbar für eine „Le-genda aurea“, die sich aber nicht erhalten zu haben scheint, angefertigt waren, benutzt die Oxford-Druckerei tür Lyndewodes Constitutions und für den „Liber festialis“ (1486). In diesem Werke Enden sich auch Bilder, die für eine Ausgabe der „Horae“ bestimmt waren. Auch von diesem Buch ist noch kein Exemplar zum Vorschein gekommen, wie überhaupt die frühen englischen Drucke überaus selten sind.
Vom künstlerischen Standpunkt aus ist über alle diese Holzschnitte wenig zu sagen. Das oft recht geschmackvolle und immer charaktervolle Typenbild der englischen Drucke ist bei weitem anziehender als die Illustrationen. Man kann wohl glauben, dass sic von englischen Holzschneidern, die sich in den Niederlanden oder nach den niederländischen Vorlagen gebildet hatten, ausgeführt seien. Man findet auf dem Kontinent kaum irgend wo so unbeholfen gearbeitete Schnitte. Die Technik hat eine eigentümliche Eckigkeit, die Linien sind sehr steif und ihre Ränder rauh und unregelmässig.
Caxtons Presse und sein Vorrat an Holzstöcken ging 1491 auf Wynkyn de Werde über, der bis 1535 zuerst in Westminster, dann in Fleet Street tätig war. Caxtons Holzschnitte benutzt er für seine Ausgabe der „Golden Legend“ von 1493 und wohl auch für das „Speculum vite Christi“ und seine Ausgaben der „Horae ad usum Sarum“ (1494). Neue Illustrationen bringen Glanvillas „De proprietate rerum“, das „Book of St. Alban´s“ (1496), Malorys, „Mort d’Arthur“ (1498) und Mandevilles Reisebeschreibung (1499). In Wynkyns Büchern der folgenden Zeit sind alte und neue Holzstöcke gemischt, so in den „Recuyles of ye Hystoryes of Troye“ (1 503), der „Graft to live and die well“ (1505) und anderen. Die Bilder im „Castle of Labour“ (1506) sind neu für das Buch angefertigt, die in den „Seven wise masters of Rome“ (um 1506) sind nach Gerard Leus Ausgabe von 1490, die für das „Ship of Fools“(i)09) nach den Holzschnitten der französischen Ausgabe des Narrenschiffs kopiert, in den Gebetbüchern sind die zierlichen französischen Livres d heures nachgeahmt.
Wynkyn muss auch häufig Holzstöcke von französischen, niederländischen und deutschen Druckern leihweise zur Benutzung erhalten haben. Im XVI. Jahrhundert wird der Einfluss der französischen Technik immer stärker. Die Mischung der alten groben Schnitte mit den feineren Nachahmungen französischer Bilder oder gar mit französischen Originalstöcken macht das Gesamtbild der englischen illustrierten Bücher noch unerfreulicher.
Neben Caxton und Wynkyn de Wörde ist Richard Pynson ( 1493 bis 1531) für die Buchillustration der wichtigste englische Drucker. Als Hauptwerk Pynsonscher, ja überhaupt englischer Illustration des XV. Jahrhunderts gelten die Holzschnitte in Lydgates Uebersetzung von Boccaccios „Falle of Princis“. Sie sind aber nicht englische Arbeit, sondern Abdrücke der Stöcke, die Dupre in Paris 1484 für seine Ausgabe hatte anfertigen lassen. Das „Speculum vite Christi“ (1497) enthält eine Reihe sauberer kleiner Bilder, das „Missale ad usum Sarum“ (1500) besonders reiche und gute Ornamentik. Für seinen „Kalendar of Shepherds“ (1506) hat Pynson, wie das auch andere englische Drucker zu tun liebten, einige Stöcke von Verard sich zu verschaffen gewusst, die Bilder im „Castle of Labour“ (um 1505) sind ebenso wie die in seiner Ausgabe des „Ship of Fools“ nach den französischen Originalen kopiert. Die übrigen Drucker wie Julian Notary (1499 bis 1503), Lettou, William und Richard Faques Machlinia und andere spätere Drucker sind für den Holzschnitt noch weniger wichtig. Die Illustrationen, die sie verwenden, sind zum allergrössten Teil Nachahmungen französischer Bilder. Richard Faques benutzt sogar für sein Druckerzeichen ein französisches Vorbild.
Im Gegensätze zu Wynkyn de Worde, der besonders die populäre Literatur pflegte, hat Richard Pynson als „Royal printer“ sich besonders mit dem Drucke gelehrter Werke beschäftigt. Seine Aufmerksamkeit als Illustrator wurde dadurch vornehmlich auf die Ausschmückung des Titelblattes gelenkt. Der Wunsch, über die gewöhnliche Art der Titelblattverzierung mit grossen, reich ornamentierten Buchstaben und über den veralteten französischen Stil hinauszugehen, »veranlassten ihn, von Froben in Basel einige von Holbein gezeichnete Umrahmungen zu erwerben, die er seit etwa 1518 verwendet. Für die englische Buchausstattung ist diese Einführung moderner Renaissanceformen und Holbeinscher Kunst von einer gewissen Bedeutung.
Von nun an werden neben den französischen Vorbildern, die man nachzuahmen fortfährt, Holbeinsche Formen und seine Technik herrschend. Die wenigen nach eigenhändigen Zeichnungen des Basler, nun in England ansässigen Meisters geschnittenen Holzschnitte in Cranmers Katechismus ^1548 Walter Lynne), in Halles Chronicles und in der Coverdale Bible sind das Beste, was in englischen Werken Verwendung gefunden hat. Holbeins Einfluss auf die einheimischen englischen Zeichner und Holzschneider macht sich bald in einer Reihe von Arbeiten angenehm bemerklich, ein eigener Stil entwickelt sich aber auch aus diesen Anregungen nicht. Eine Hervorhebung verdienen die sogenannten „Queen Elizabeth s Prayer Books“, 1 5dp) und die „History of Martyrs“ von John Fox und andere Bücher, die John Day in sorgfältiger und reicher Ausstattung herausgab. Seit 1540 wird auch der Kupferstich zur Buchillustration, besonders für Titelblätter herangezogen und verdrängt im Laufe des Jahrhunderts den rasch zu rohester Handwerklichkeit verfallenden Holzschnitt fast vollständig ohne aber selber Werke von künstlerischem Wert oder von Eigenart hervorzubringen.
Aus dem Buch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten aus dem Jahre 1911, Autor Kristeller, Paul, 1863-1931.
Siehe auch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Vorwort, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Die Technik des Bilddruckes, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Das fünfzehnte Jahrhundert – Der Holzschnitt in Deutschland, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Deutschland und in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in Frankreich.