von Kunstmuseum-Hamburg.de
LTE Denkmäler der Druckkunst in Spanien, im besonderen die frühen Holzschnittwerke, gehören zu den grössten Seltenheiten, so dass ein Ueberblick über die Erzeugnisse des Holzschnittes hier noch grösseren Schwierigkeiten begegnet als anderwärts. Wir gewinnen zunächst denEind ruck, dass der Holzschnitt in Spanien wenig künstlerische Selbständigkeit und Originalität der Technik besitzt. In den zum grossen Teil von Deutschen gedruckten Büchern finden wir nicht nur einzelne deutsche, niederländische und italienische Holzschnitte und Kupferstiche kopiert, sondern auch ganze Serien von Buchillustrationen nachgeschnitten oder sogar von den Originalstöcken abgedruckt. So ist zum Beispiel inPhocas „De principalibus orationis partibus“ (Barcelona 1488) die Umrahmung der venezianischen Ausgabe des Regiomontanus von 1482 kopiert, in der „Vita Christi“ des Ludolphus de Saxonia (Lissabon 1495 bis 96) die Kreuzigung des Meisters E. S. (Pass. 132) sehr genau und sorgfältig wiedergegeben; im „Tesoro de Ja Passion“ (Zaragoza 1494, P. Hurus), in der „Aurea expositio hymnorum“ (Zaragoza 1499) und in anderen Büchern finden wir Kopien nach Schongauers Passionsbildern. Paulus Hurus hat für seine 1494 in Zaragoza gedruckte Ausgabe von Boccaccios „Mujeres illustres“ die Bilder der Ulmer Ausgabe nachschneiden lassen, für seinen 1491 gedruckten „Espejo de la vida humana“ von Roderigo da Zamora hat er sich sogar die Originalholzstöcke der Lyoner Ausgabe von 1482 zu verschaffen gewusst, ebenso wie Georg Coci in seiner Liviusausgabe von 1520 (Zaragoza) die Holzstöcke des Mainzer Druckes von 1505 wieder verwenden konnte.
Viele andere Holzschnitte, die nicht direkt kopiert zu sein scheinen, tragen so deutlich den Stilcharakter deutscher, niederländischer oder französischer Kunstweise zur Schau, dass wir wohl annehmen müssen, sie seien von Arbeitern aus diesen Ländern geschnitten oder wenigstens in engster Anlehnung an ihre Manier ausgeführt worden. So sind zum Beispiel die Umrahmungsleisten in Turre-crematas 1482 in Zaragoza gedruckten Psalmenerklärungen denen, die Martin Schott in Strassburg um dieselbe Zeit verwendete, ganz gleich, in der reich im spanischen Stil ornamentierten Umrahmung im „Tirant lo Blanch“ (Valencia, Spindeier 1490) sind die Figuren denen in deutschen Stichen auffallend ähnlich, ebenso wie die Technik im wesentlichen durch das Vorbild der Schrot-blätter bedingt ist. Da die Drucker der spanischen Inkunabeln zum grossen Teil Deutsche waren, so darf uns diese Anlehnung an ihren heimatlichen Stil nicht Wunder nehmen, zumal ja Spanien damals den fremden Einflüssen nicht entfernt die eigene künstlerische Gestaltungskraft entgegenzusetzen hatte wie etwa Italien. In der Technik wiegen aber trotzalledem niederländische und französische Elemente vor. Der schöne Titelholzschnitt im „Regimento de los principes“ des Aegidius de Roma, 1494 in Sevilla von R. Ungut und Stanislaus Polonus gedruckt, ist sicher die wohlgelungene Arbeit eines niederländischen Meisters; der heilige Christoph in der 1498 von Pedro Trincher in Valencia gedruckten „Obra allaors de S. Christofol“ ist zum mindesten eine Kopie nach einem niederländischen Original; die Bilder im „Oliveros de Castilla“ (Burgos 1499) sind ganz in der Weise der niederländischen Holzschnitte, ähnlich wie die Illustrationen des Lyoner Terenz von 1493, ausgeführt. Gerade wegen dieser gemeinsamen Beziehungen zur niederländischen Kunst ähneln so viele spanische Holzschnitte, auch in der Ornamentik und in einzelnen grossen Initialen der Titelblätter, den Arbeiten der französischen Schule, so zum Beispiel die Bilder der inBurgos 1499 gedruckten spanischen Ausgabe von Brants Narre n-schiff, der in Sevilla 1499 von Pedro Brun herausgegebenen „Historia de Vespa-siano“ und andere mehr.
Neben diesen Nachahmungen und Entlehnungen begegnen uns aber doch wieder so viele Arbeiten von bestimmter Eigenart in Zeichnung und Technik, dass man berechtigt sein dürfte, von einem spezifisch spanischen Holzschnittstil zu sprechen. In erster Linie ist es die Ornamentik in Umrahmungen, Leisten und Initialen, die einen eigenen, nationalen Charakter zur Schau trägt, überall einen starken Zusatz von arabischen, orientalischen Formen, jene Mischung von gotischen mit maurischen Zierelementen zeigt, die der frühen spanischen Kunst ein eigentümliches Gepräge gibt. In gedrängter Fülle bedecken die meist weiss auf schwarzem Grunde sich abhebenden Muster die ganze auszuschmückende Fläche. Es sind entweder schwere, dicke, stark reliefierte, gotisierende Blattformen oder ganz feines, enges, stark gewundenes Ranken- und Astwerk und heftig bewegte, aber stark stilisierte Tiergestalten, die meist in wappenartiger Gegenüberstellung zu zweien oder in einer Verschlingung symmetrisch angeordnet sind. Von dieser überzarten Ornamentierung, die, einzelnen Hauptlinien folgend, die ganze Fläche überspinnt, und die, ähnlich den Schrotblättern oder den Stichen in Punktiermanier, sehr fein und scharf in Metall gearbeitet zu sein scheint, finden wir schöne Beispiele in David Abu Derahims „Ordo praecum“ (hebraice, Lissabon 1486, s. Abb. S. 117), in Diaz’ de Montalvo, Ordonanzes Reales (Huete 1485), in den Compilaciones des Leyes (Zamora um 1485), in der schon erwähnten Umrahmung im Tirant lo Blanch (Valencia 1490) und in anderen Büchern. Abgesehen von einzelnen Kopien kommen italienische Renaissanceformen in der spanischen Buchornamentik erst im Anfänge des XVI. Jahrhunderts auf.
Aber auch in den figürlichen Darstellungen zeigt die Technik spanischer Holzschnitte gewisse Eigentümlichkeiten, die wir wohl als nationale ansehen müssen. Die Umrisse sind ziemlich dick, die Falten steif und eckig gebrochen wie in deutschen Holzschnitten, denen die spanischen Arbeiten überhaupt im Charakter der Zeichnung sehr nahe stehen. Die Eigenart zeigt sich in den Typen und in den heftigen, leidenschaftlichen Bewegungen und technisch vor allem in dem System der Schraffierung durch schräg gegen den Umriss oder den Zug der Falten gestellte Reihen ganz gieichmässiger und gerader, dünner und ziemlich kurzer Striche. Der Gesamteindruck der Technik ist ausserordentlich trocken und nüchtern, ähnlich wie der vieler Mailänder Holzschnitte, besonders weil die Ränder der Linien nicht schart genug geschnitten sind, und die von den gleich-mässig hart absetzenden Strichen gebildeten streifenartigen Schatten zu viele tote Flächen hervorbringen.
Dieser Art sind zum Beispiel die meist nach Schongauers Passion kopierten Bilder im „Tesoro de la Passion“, den P. Hurus 1494 in Zaragoza herausgab, und in der „Aurea Expositio Hymnorum“ desselben Druckers von 1499, das Signet des Paulus Hurus mit Jakobus und Sebastian s. die etwas verkleinerte Abb-S. 122), die Holzschnitte in Fernando Mexias Nobilitario 1492 Sevilla, Pedro Brun), in des heiligen Bernardus „Epistola de regimine domus“ (Valencia, Spindeier um 1498), in Santellas „Vocabulario ecclesiastico“ (Sevilla 1499 und in Ricoldus „Improbatio Alcorani“ (Sevilla 1500).
Merkwürdigerweise hat nun der Stil vieler dieser spanischen Holzschnitte eine grosse Verwandtschaft mit einer Reihe von Illustrationen in Neapolitaner Drucken, besonders mit denen des 1485 von Francesco Fuppo dort gedruckten Aesop. Nicht nur in der Ornamentik, sondern auch in der Zeichnung, in Typen und Bewegungen, in der Faltengebung und in der Technik mit den kurzen, geraden, engen Schraffierungen gibt sich der gleiche Stilcharakter zu erkennen. Die Aesop-Holzschnitte, denen auch zum grossen Teil italienische Vorbilder zu Grunde liegen, sind allerdings viel schärfer und sorgfältiger geschnitten, die Schraffierungen lebendiger und oft etwas gebogen, aber trotzdem lassen sie, besonders die weniger italienischen Bilder zum Leben Aesops, keinen Zweifel daran, dass wir hier Arbeiten derselben Schule und Stilrichtung, vielleicht sogar desselben Künstlers vor uns haben. Wenn wir nun in einem vor dem Aesop im Jahre 1480 in Barcelona gedruckten Werke, den „Constitutiones de Cataluna“, Holzschnitte desselben Stils, ja derselben Hand finden, so werden wir wohl anzunehmen haben, dass der Holzschneider des Neapler Aesop diese in Italien ganz allein stehende Technik aus Spanien dorthin gebracht habe. Wie schon erwähnt, sind auch die „I. D.“ bezeichneten Holzschnitte einer Ausgabe der „Ars moriendi“ (o. O. und J.), die nach Lyon versetzt wird, in der gleichen Manier ausgeführt. Sie wurden Früher fälschlich dem viel späteren französischen Stecher Jean Duvet zugeschrieben, sind aber doch höchstwahrscheinlich in Frankreich entstanden, da ein Holzschnitt gleichen Stils in dem 1488 —1489 in Lyon von Trechsel gedruckten „Quadragesimale aureum de peccatis“ und zwei andere ebenfalls I. D. bezeichnete Illustrationen in französichen Drucken Vorkommen. Wir haben eine gewisse Berechtigung, diesen Holzschnittstil, obschon er sich auf deutscher, besonders elsässischer Formengrundlage entwickelt und auch in Südfrankreich und Italien gepflegt wird, doch als spezifisch spanisch zu bezeichnen, weil er spanische Ornamentik und Formenbildungen in sich aufgenommen hat, und auch deshalb, weil er hier, neben Kopien nach fremden Originalen, allein herrschend geblieben ist.
Augenscheinlich knüpft die weitere Entwickelung des spanischen Holzschnittes im XVI. Jahrhundert an diese Stilgruppe an. Die Umrisse bleiben sehr dick, aber die Schraffierungen werden noch feiner und enger und nun stark gebogen, ihre Massen gehäufter und der Boden und Hintergrund stark ausgearbeitet, so dass der Gesamteindruck ein sehr dunkler, farbiger, meist wegen der geringen Sorgfalt der Ausführung und des Druckes auch ein unsauberer wird, ganz ähnlich dem der Metallschnitte in Mailänder Büchern und in den venezianischen Drucken des Giov. Battista Sessa aus Mailand. Dieser Art sind zum Beispiel die zwei grossen Holzschnitte in der „Blanquerna“ des Raimundus Lullus (Valentia 1521) und der nach Dürers Baseler Holzschnitt kopierte h. Hieronymus im „Transito di S. Hieronymo“ (Zaragoza 1528) und andere mehr. Der grösste Teil der uns bekannten spanischen Holzschnitte dieser Zeit entzieht sich durch die Unförmigkeit der Zeichnung und die Roheit des Schnittes der künstlerischen Kritik, die meisten besseren Arbeiten zeigen dagegen eine sehr starke, unmittelbare Anlehnung an französische und italienische, besonders venezianische oder mailändische Vorbilder, wie zum Beispiel die in Jorge Cocis Ausgabe von Diegos de Sant Pedro „Carcel de Amor“ (Zaragoza 1523).
Ob der Kupferstich im XV. Jahrhundert in Spanien unter den einheimischen Künstlern einen Apostel gefunden habe, ist bis jetzt noch nicht ermittelt worden. Einige sicher in Spanien entstandene Kupferstiche, aus denen man dies hat schliessen wollen, können sehr wohl auch von deutschen oder niederländischen Stechern in Spanien ausgeführt worden sein. Die Technik der wenigen bekannten Blätter lehnt sich jedenfalls eng an fremde Vorbilder an. Spanischer Herkunft ist vielleicht ein Stich mit dem Datum 1488, eine Madonna del Rosario mit Dominicanerheiligen und Szenen aus dem Leben Christi. Die stark aufgearbeitete Platte, von der nur einige moderne Abdrücke bekannt sind, ist aus Spanien nach Brüssel gelangt. Aelinlich rohe Arbeit, die eine gewisse Verwandtschaft mit Florentiner Blättern erkennen lässt, zeigen ein Glücksrad und eine Allegorie, in der wir den Tod die Menschen von einem Baume, der auf einem Schiffe steht und von zwei Mäusen benagt wird, herunterschicssen sehen, beide in der National-Bibliothek zu Madrid. Drei Spielkarten des Berliner Kabinetts, König. Königin und Reiter caballo), die als Farbenzeichen runde Scheiben (Geldstücke, dineros) mit spanischem Wappen und der Umschrift „Valenzia“ in den Pfänden tragen, sind ganz im Stil und in der Technik des deutschen „Meisters der Bandrollen“ ausgeführt. Das beste Stück dieser kleinen Gruppe spanischer Kupferstiche ist eine Darstellung des Beato Karlo de Viana mit spanischem Wappen und einer Unterschrift in spanischer Sprache, die in der Madrider National-Bibliothek bewahrt wird. Die Zeichnung der Gestalten des Pdeiligen und seines viel kleiner gebildeten Schützlings ist steif und eckig, die dürftige Modellierung besteht nur aus unsicher und unregelmässig in der Längsrichtung der Formen geführter Strichelung oder aus ungeschickter Kreuz-schrafficrung, im Gesichte des Heiligen aber ist ein individueller, porträtmässiger Typus von Eyckischer Feinheit durch eine zarte, ausdrucksvolle Umrisslinie fcstgehalten. Die Zeichnung macht einen niederländischen Eindruck, die Technik schliesst sich eng an die der frühesten deutschen Kupferstiche an.
Aus dem Buch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten aus dem Jahre 1911, Autor Kristeller, Paul, 1863-1931.
Siehe auch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Vorwort, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Die Technik des Bilddruckes, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Das fünfzehnte Jahrhundert – Der Holzschnitt in Deutschland, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Deutschland und in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in Frankreich, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in England.