nachrichtenaushinterland
Es wird immer gerne von verschiedenen Fraktionen auf verschiedenen Lösungsansätzen herumgeritten, die es bräuchte, um die Verhältnisse zum Besseren zu wenden. Die Linken rufen normalerweise nach Umverteilung und größerer Besteuerung der Reichen. Die Rechten rufen nach größerer Liberalisierung und Aushöhlung von Kündigungsrecht etc.
Keine der beiden Seiten ruft allerdings nach einem Zurückstutzen von Staat (und ergo auch Steuerlast) oder nach grundlegenden Reformen und Alternativen (die in unserer Gesellschaft schon lange nicht mehr breit thematisiert werden- mithin wohl auch ein treffendes Signal, dass da etwas im Untergrund gärt).
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Die Krankheit, an der wir zu leiden scheinen, ist eine des Bewusstseins – eine Abirrung des Bewusstseins, könnte man sagen, aus der die Symptome kommen, die wir in der Gesellschaft sehen und zu behandeln versuchen (allerdings meist erfolglos, da man eine Krankheit nur heilen kann, wenn man an den Kern derselben rührt).
Solange unser Bewusstsein durch die Prägungen des Alltags – durch Glaubenssätze wie „Alles für mich!“ oder „Man muss sich durchsetzen“ oder „Alle gegen alle“ geprägt ist, werden die Symptome bestehen bleiben und sich ausweiten. Und kurioserweise werden die Lösungsansätze, die man sucht, es nicht besser, sondern schlechter machen.
Es ist dies übrigens ein Grundsatz aus dem Systemdenken. http://de.wikipedia.org/wiki/Systemdenken_%28Systemtheorie%29 Wenn man ohne Kenntnis oder in Ignoranz der eigentlichen Gründe für ein Problem dieses versucht, mit einer Scheinlösung zu beheben, wird sich das Problem über die Zeit verschärfen bzw. zu einem späteren Zeitpunkt umso stärker sich bemerkbar machen.
Der Beispiele für solche Pseudolösungen gibt es viele: Ich kann zum Beispiel versuchen, eine Willkommenskultur für Asylanten zu installieren. http://www.derwesten.de/staedte/hagen/fluechtlinge-zu-haspern-machen-id10689555.html Wenn diese allerdings in ihrer Mehrheit keine politisch Verfolgten sind und zudem aus uns sehr fremden Kulturen stammen, für die es weder Bedarf noch Arbeit hier gibt, wird dies die Gesellschaft nach einem Zeitraum X immer stärker belasten. In Form von höherer Kriminalität, Verfall der Immobilienpreise, schlechterer sozialer Atmosphäre etc.
Oder: Ich schaffe in einer Firma neue Formen der Prävention, um Burn-Out-Fällen vorzubeugen. Lobenswert – doch wenn von oben der Druck weitergegeben wird, mit aller Gewalt positive Ergebnisse bzw. Budgets zu erzielen, wird es auch trotz Rückenkursen u.ä. bei hohen Ausfallquoten bleiben.
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Doch zurück zur Krankheit unserer Zeit: Sie liegt auch darin, dass wir aufgrund eines fehlerhaften Verständnisses vom Leben als Kampf ums Überleben (Darwin) Systeme geschaffen haben, die den Kampf und nicht die Kooperation betonen. So haben wir ein Wirtschaftssystem, dass den Betrüger u. U. mehr belohnt als den Ehrlichen.
Ein System, in dem die Gier als positives Element gepriesen wird, https://www.youtube.com/watch?v=PF_iorX_MAw hat aber einen wesentlichen Geburtsfehler: Da alle für sich am Meisten herausziehen wollen, geht der Gewinn von Vielen zu Lasten des Gesamten. Irgendwann muss dieses System zusammenbrechen.
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Was tun denn Unternehmen heute mit größter Verständlichkeit? Sich dem Zugriff des Staates zu entziehen – die Gewinne so weit es geht, zu behalten. Nicht nur eine Boeing in den USA dürfte keine Einkommenssteuer zahlen. http://foreffectivegov.org/blog/boeing-second-largest-federal-contractor-pays-no-federal-income-tax-2013
Unternehmen sorgen dafür, dass ihre Macht ausgebaut, gefestigt wird- mit Einverständnis des Staates und zu Lasten des Gesamten. Denn das System begünstigt die Mächtigen. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/blackrock-die-heimlichen-herren-des-dax/4150978.html
Und das System begünstigt den Betrug – als Großer die Kleinen auszubeuten – als Abnehmer die kleinen Zulieferer drücken, als Bauunternehmer die kleinen Handwerksbetriebe schröpfen – auch dies sind Zeichen des Geburtsfehlers – der Gier nach Mehr. http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=324199
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Und der Staat? Er ist nicht besser, denn er schröpft ebenfalls die Kleinen. Die Steuerlast ist seit den fünfziger Jahren immer weiter angestiegen, bei Sozialabgaben, direkten wie indirekten Steuern. Wer entlastet wurde, waren die Unternehmen und die Vermögenden. Alle anderen wurden nur mehr und mehr belastet. http://library.fes.de/pdf-files/wiso/09604.pdf
Es ist die Gier, die allem zugrunde liegt. Gier lässt den Staat immer größer werden. Gier treibt die Gierigen nach immer weiteren Verdienstmöglichkeiten. Gier lässt Kindertagesstätten zu Investitionsmöglichkeiten werden. http://www.osborneclarke.de/publications/sectors/financial-services/update/2013/neues-marktsegment-kindertagesstaetten.aspx
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Gier lässt einen geistigen Orden mit Geld spielen – und alles verlieren. http://www.tt.com/panorama/gesellschaft/9407521-91/opfer-eines-riesenbetrugs-franziskaner-am-rand-der-pleite.csp
Gier lässt die Leute sich selber ausbeuten in üblen und krankmachenden Arbeiten – denn es steckt ja das große Geld dahinter…. http://www.salon.com/2014/06/01/help_us_thomas_piketty_the_1s_sick_and_twisted_new_scheme/
Gier lässt die Reichen immer reicher werden – ein Trickle Down? Fehlanzeige. http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=320972
Gier ließ Banken und Immobilienfinanzierer in den USA Hypotheken an alles vergeben, was nicht bei drei auf den Bäumen war. http://www.informationclearinghouse.info/article39037.htm
Gier hat Banker und Politiker im Griff, so dass beide danach trachten, sich möglichst viel Geld in die eigenen Taschen zu scheffeln. http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=322247
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Doch Gier geht noch weiter: Wenn fettmachendes, gesundheitsschädigendes Essen bewusst um des Profits Willen verkauft wird – dann geschieht dies aus Gier, nicht aus Liebe zu den Menschen. http://www.counterpunch.org/2013/02/22/junk-food-and-junk-journalism/
Wenn kranke Menschen gewinnbringende Menschen sind – dann werde ich mehr und mehr Kranke schaffen und den Fokus nicht auf Heilen, sondern auf „möglichst lange Therapieren“ richten. http://www.aerzteblatt.de/archiv/32976/Gesundheitssystem-In-der-Fortschrittsfalle
Autos, die nach kaum zwei Jahren wegen elektronischer Schäden in die Werkstatt müssen, IT-Programme, die immer mehr Nacharbeit bedürfen, Gegenstände des Alltags, die bewusst so gebaut werden, dass sie nach spätestens drei Jahren hinüber sind. Für Konsum! Für Geld! Für Gier!
Von den Pflegefällen, den tausenden, an Maschinen dahinvegetierenden Alten, die nicht aus Liebe, sondern aus Profitgier am Leben gehalten werden, möchte ich erst gar nicht zu sprechen anfangen.
Und Bürgermeister oder Landräte, die sich hierzulande über die Aufnahme von Asylanten freuen, tun dies nicht, weil sie so gute Menschenfreunde wären, sondern weil Asylanten Geld bedeuten. Auch hier ist die Gier die Richtschnur (plus die Angst vor der Verurteilung der Gutmenschen).
Wasser als Profitmittel, Straßen, Bildung, Drogen, Autobahnen, Waffen – Hauptsache Gewinn, wofür? Egal. Und warum nicht irgendwann auch die Luft für den Gewinn nutzen? Das Gras? Oder das Leben an sich? Etc.
Kurz: Ein Denken oder besser, ein Machen, was aus der Gier angetrieben wird, wird alles für sich reklamieren (oder für die Familie oder das Unternehmen oder den Staat) und sich dabei gut fühlen.
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Aber es wird nie satt sein. Nie! Gier ist niemals befriedigt. Und daher muss sie sich am Ende selber fressen. Und das ist auch das unausweichliche Ende des jetzigen Systems. Es wird sich selber fressen – und sterben.
Wenn es dann tot ist, kommt es darauf an, dass wir etwas Neues schaffen. Etwas grundlegend Neues. Um nicht mehr die Krankheit der Zeit zu sein, sondern ihre Gesundheit.
Wir müssen (und werden es auch) in der Lage sein, ein neues System zu schaffen mit einem neuen Bewusstsein. Eines, welches nicht Gier, sondern Freude als Triebfeder hat. Dafür lohnt es zu leben. Wie der Dichter sagt:
Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur,
Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt.
Froh, wie seine Sonnen fliegen
durch des Himmels prächt’gen Plan,
laufet, Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen.
(Schiller, Ode an die Freude)