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HÖLLENSCHILDERUNGEN DES MITTELALTERS

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von Kunstmuseum-Hamburg.de

Hier gezeigte Abbildungen:
Die triumphierende Kirche – Stich nach Hieronymus Bosch
St. Martin in der Barke – Stich nach Hieronymus Bosch
Konstantin empfängt die Erscheinung des heiligen Kreuzes – Stich nach Hieronymus Bosch
Der heilige Christophorus – Stich nach Hieronymus Bosch
Heraklius zieht mit dem heiligen Kreuz in Jerusalem ein – Stich nach Hieronymus Bosch
Der Elefant – Stich nach Hieronymus Bosch
Musikanten beim Brunnen – Stich nach Hieronymus Bosch

1.) DIE APOKALYPSE VON AKHMIN (2. CHRISTLICHES JAHRHUNDERT) *1

ICH sah aber auch einen anderen Ort, jenem gerade gegenüber, der ganz finster war. Und es war ein Ort der Strafe. Und die, welche gestraft wurden, und die strafenden Engel hatten ein dunkles Gewand an gemäß der Luft des Ortes.

Und es waren welche dort, die waren an der Zunge aufgehängt. Das waren die, welche den Weg der Gerechtigkeit lästerten, und unter ihnen brannte Feuer und peinigte sie. Und es war da ein großer See gefüllt mit brennendem Schlamm, in dem sich sob che Menschen befanden, welche die Gerechtigkeit verdrehten, und Engel bedrängten sie als Folterer.

Es waren aber auch sonst noch Weiber da, die an den Haaren aufgehängt waren, oben über jenem auf brodelnden Schlamm. Das waren die, welche sich zum Ehebruch geschmückt hatten; und die, welche sich mit ihnen vermischt hatten in der Schande des Ehebruchs, waren an den Füßen aufgehängt und mit dem Kopf in jenen Schlamm gesteckt, und sie sprachen: „Wir glaubten nicht, daß wir an diesen Ort kommen würden.“ Und die Mörder erblickte ich und ihre Mitschuldigen, die geworfen waren an einen engen Ort, der voll war von bösem Gewürm; und sie wurden gebißen von jenen Tieren und mußten sich dort in jener Qual winden. Es bedrängten sie Würmer wie Wolken der Finsternis. Und die Seelen der Gemordeten standen da und sahen auf die Qual jener Mörder und sprachen: „O Gott, gerecht ist dein Gericht.“

Nahe an jenem Ort sah ich einen anderen engen Ort, in dem das Blut und der Unrat derer, die bestraft wurden herabfloß und dort wie ein See wurde. Und dort saßen W’eiber, die hatten das Blut bis an den Hals und ihnen gegenüber saßen viele Kinder, die da unzeitig geboren waren, und weinten. Und von ihnen gingen Feuerstrahlen aus und trafen die Weiber über das Gesicht. Das waren die, welche unehelich empfangen und abgetrieben hatten.

Und andere Männer und Weiber waren in Flammen bis zu der Mitte und sie waren geworfen an einen finsteren Ort und wurden gegeißelt von bösen Geistern und ihre Eingeweide wurden aufgezehrt von Würmern, die nicht ruhten. Das waren die, welche die Gerechten verfolgt und sie verraten hatten.

Und nicht weit von jenen wiederum Weiber und Männer, die sich die Lippen zerbißen und gepeinigt wurden und feuriges Eisen über das Gesicht bekamen. Das waren die, welche gelästert hatten und geschmäht den Weg der Gerechtigkeit.Und diesen gerade gegenüber waren wieder andere Männer und Weiber, die sich die Zungen zerbißen und brennendes Feuer im Munde hatten. Das waren die falschen Zeugen.

Und an einem anderen Orte waren Kieselsteine, spitzer als Schwerter und jede Speerspitze, die waren glühend, und Weiber und Männer in schmutzigen Lumpen wälzten sich auf ihnen gepeinigt. Das waren die Reichen und die auf ihren Reichtum vertrauten und sich nicht erbarmt über W7aisen und Witwen, sondern das Gebot Gottes vernachlässigt hatten.

Und in einem anderen großen See, der mit Eiter und Blut und auf brodelndem Schlamm gefüllt war, standen Männer und W’eiber bis an die Knie. Das waren die Wucherer und die Zinseszins forderten.
Andere Männer und W’eiber wurden von einem gewaltigen Abhang hinab gestürzt, kamen hinunter und wurden wiederum von den Drängern auf den Abhang hinauszugehen getrieben und von dort hinabgestürzt und hatten keine Ruhe vor dieser Pein. Das waren die, welche ihre Leiber befleckt und sich benommen hatten wie W’eiber, und die W’eiber bei ihnen, das waren die, welche beieinandergelegen hatten wie ein Mann beim Weibe. Und bei jenem Abhang war ein Ort voll gewaltigen Feuers, und dort standen Männer, welche sich mit eigener Hand Götzenbilder gemacht hatten statt Gottes.Und bei jenen waren andere Männer und W’eiber, welche Stäbe von Feuer hatten und sich schlugen und niemals aufhörten mit solcher Züchtigung.
Und wiederum waren nahe bei jenen andere W’eiber und Männer, die gebrannt und gefoltert und gebraten wurden. Das waren die, welche den Weg Gottes verlassen hatten.

2.) AUS DER APOKALYPSE DES APOSTELS PAULUS (SYRISCH. 5. JAHRHUNDERT N. CHR.) *1

Dann hob er mich empor und führte mich über jene Ströme des Sees und erhob mich über jenen Ozean, der das Firmament des unteren Himmels tragt, und nun begann der Engel bei mir und sagte zu mir: „Weißt du, Paulus, wohin du jetzt gehst!“ „Nein, Herr“ erwiderte ich. Und er sprach weiter: „Folge mir nach! Und ich werde dir den Weg zeigen, wo die Sünder und die Seelen der Gottlosen gepeinigt werden.“ Und er führte mich gegen Sonnenuntergang hin, und ich sah daselbst den Anfang des Himmels festgestellt auf einem mächtigen Strome und sagte zu ihm: „Was ist dies da unten?“ Er antwortete mir: „Dies ist das Meer des Ozeans, das die ganze Erde umringt, und darin ist die Erde. Es ist aber der Gürtel ob ihrem Haupte, und die Erde befindet sich in seiner Mitte.“ Ich sah aber dort feurige Kohlen gelegt, und eine Flamme stieg daraus hervor und eine große Menschenmenge war darin versenkt; einige davon waren bis zu den Lippen, andere bis zu den Bäuchen im Feuer. Da fragte ich den Engel: „Was sind denn diese da für Leute, Herr?“ Und er entgegnete mir: „Die sind solche, welche sich weder den Gerechten noch den Sündern gleichgemacht, aber auch keine Bekehrung angenommen haben. Ihr Leben verging in dumpfer Gedankenlosigkeit und in Pflege ihrer Körper, und was sie immer taten, bestand in Unzucht und großen Sünden; allein der Buße ergaben sie sich durchaus nicht und erinnerten sich auch nicht an das Ende. Nachdem sie gestorben, brachte man sie hierher“. Und ich sagte nun zu dem Engel: „Was sind wohl jene für Leute, o Herr, die bis zu den Knien im Feuer versunken sind?“ Und er sprach zu mir: „Dies sind jene, die aus der Kirche gehen und vom Gebet ablassen und unnützes schwatzen, die nur aufmerken, wenn es ihnen beliebt, und ihre Stimme über die anderen erheben.“ Hernach fragte ich ihn: „Herr! und jene, die bis zu ihrem Bauch im Feuer versunken sind, wer sind sie?“ Und er gab mir zur Antwort: „Dies sind jene, die nach dem Empfange des Leibes Christi Ehebruch und Hurerei trieben und ihre Leiber nicht zur Ehre ihres Herrn bewahrten, und von ihrer Geilheit nicht abließen, bis sie starben.“

„Und wer sind denn jene, die bis zu den Lippen ms Feuer versenkt sind?“

„Dies sind diejenigen, welche zwar allzeit in der Kirche Psalmen hersagten, aber durch Ränke einander befeindeten und mit verstellter Liebe ihren Nebenmenschen winkten.“

Ich erblickte nachher dort im Westen von der Sonne viele und mannigfaltige Feinen, und den Ort voll Männer und Weiber. Zwischen ihnen floß ein Feuerstrom hervor, und sie erlitten darin bittere Qualen.

Dort sah ich ferner tiefe Tiefen und darin eine Menge Seelen, eine auf die andere geworfen. Die Tiefe des Feuerstromes betrug mehr als dreitausend Ellen. 1 Le Seelen aber weinten und stöhnten alle zugleich, rufend: „Unser Herr, erbarme dich unser, Herr, Gott!“ Bisher jedoch ward ihnen keine Barmherzigkeit zu Teil.

Ich fragte nun den Engel, der bei mir war: „Wer sind w’ohl diese, o Herr?“ Und er antwortete mir: „Dies sind diejenigen, welche auf Gott nicht vertrauten, daß er ihr Helfer sein werde, vielmehr aber auf ihren Reichtum ihr Vertrauen setzten.“ Dann sagte ich zu ihm: „Herr, seit welcher Zeit sind sie hier?“ Und er erwiderte mir: Seit zwanzig Geschlechtern und länger noch bleiben sie, eine Seele auf der anderen, in dieser ganzen Tiefe da, so weit sie nur reicht.“ Weiter sprach der Engel zu mir: „Diese Tiefe und dieser Abgrund haben kein Maß. Er wallt aber heftig glühend gleich einem Kessel auf, wie du siehst.“

Ich schaute jetzt hin und sah noch eine andere Tiefe, die tiefer als jene erste war, und darin befanden sich Seelen von Gottlosen. Es verhielt sich mit ihrer Tiefe aber so, daß wenn Seelen von Gottlosen in sie geworfen werden, sie kaum in hundert Jahren in den Grund derselben kommen.

Als ich Paulus dies geschaut, weinte und stöhnte ich darüber, daß dem Menschengeschlechte so viele Peinen bereitet sind. Der Engel aber fragte mich: „Warum weinst du und weshalb seufzest du? Bist du etwa barmherziger als Gott?“ Ich antwortete: „Das sei ferne von mir, o Herr! Gott ist gütig und barmherzig gegen die Menschen und läßt jeden von ihnen nach seinem Willen wandeln, wie es demselben gefällt.“ Und ich schaute wieder und sah wieder einen Feuerstrom, der viel reißender war als der andere, und einen Greis dabei. Den führten Engel dahin und versenkten ihn in den feurigen Strom bis zu den Knien hinauf. Dann ward ein Diener aus den Engeln beordert; dieser hielt in seiner Eland einen eisernen Stab, an dem drei Zähne waren, und zog die Eingeweide des alten Mannes bei seinem Munde heraus. Nun sagte ich zum Engel, der bei mir war: „Was sind das für schreckliche Peinen, womit man diesen alten Mann peinigt?“ Und der Engel sagte zu mir: „Dieser war ein Priester und verrichtete sein Amt nicht, wie er schuldig war; er ließ keinen Tag vom Ehebrechen, Essen, Trinken, UnzuchMreiben ab; die gewöhnliche Pflicht seines Amtes erfüllte er aber auch nicht einen Tag.“

Ich schaute weiter und erblickte einen anderen Greis, den vier Engel streng in ungestümem Laufe herschleppten und bis zu den Knien in jenen Feuerstrom versenkten. Sie ließen ihn nicht rufen: „Herr, erbarme dich meiner“!, sondern peinigten ihn grausam. Da sprach ich zum Engel, der bei mir war: „Wer ist dieser, o Herr?“ Und er antwortete mir: „Mein Sohn, dieser war ein Bischof, weidete aber seine Herde nicht gut, sondern machte sich nur durch Essen, Trinken und Wollüste einen Namen, dachte jedoch nicht an die Güte, welche ihn erhoben und des großen Geschäftes gewürdigt hatte, ein Oberhirt zu sein. Auch nicht ein gerechtes Gericht richtete er, noch hatte er Erbarmen für Waisen und Witwen.“

Ich sah aber daselbst auch einen anderen Mann, der bis zu seinem Nacken versenkt und in Blut getaucht war. Würmer krochen aus seinem Munde herauf, er weinte bitterlich und schrie: „Unser Herr, erbarme dich meiner“! Diese Pein war nämlich härter als alle anderen Peinen. Ich sagte nun zum Engel, der bei mir war: „Wer ist dieser da, o Herr?“ Und er erwiderte mir: „Dieser war ein Diacon und genoß das Opfer auf ungeordnete Weise mit der Gier nach Brot. Zudem verrichtete er keinen Tag etwas Gottgefälliges, sondern trieb Ehebruch, Deswegen erweist man ihm keine Barmherzigkeit und seine Peinigung ist ohne Erbarmen.“

Wieder sah ich einen anderen Mann in grausamer Bedrängnis. Man warf ihn nämlich in dieses Feuer und es kam zu ihm ein Engel, der nämlich die Oberaufsicht über die Peinen hatte. Dieser hielt in seiner Hand eine heftig brennende Feuerzange und zer* schnitt langsam die Lippen des Mannes. Bei diesem Anblicke weinte ich Paulus und sprach zum Engel an meiner Seite: „Herr, wer ist dieser?“ Der Engel aber sagte mir: „Dieser war ein Lehrer und Lector in der Welt, hielt aber keines der Gebote, die er lehrte. Er starb unbekehrt und deshalb peinigen wir ihn,“

Hernach erblickte ich einen anderen Ort, worin verzehrendes Feuer mit einem Wurm war, und eine Menge Männer und W eiber waren hineingeworfen. „Der Wurm aber fraß und verzehrte ohne Schonung. Da fragte ich den Engel, der bei mir war: „Was sind diese da für Leute, o Herr?“ Er antwortete mir dann: „Du siehst da, o Paulus, diejenigen, welche Zins genommen haben und auf ihren Reichtum vertrauten, auf den Herrn aber als ihren Retter nicht hofften. Nachdem sie dann unbußfertig gestorben, kamen sie in diese furchtbare und bittere Qual.“

Darauf zeigte er mir aber einen anderen Ort, der noch viel bedrängnisvoller und schrecklicher als jener erste war. Darin befanden sich Männer und Weiber, deren viele sich die Zungen zerbissen, und ich fragte den Engel bei mir: „Wer sind diese, Flerr?“ Und er sagte: „Dies sind diejenigen, welche in der Kirche zur Zeit der Feier der hl. Geheimnisse redeten Sie merkten auf die Worte Gottes nicht, sondern schwatzten von eitlen Dingen und unterließen den Umgang mit Gott. Sie starben dahin, ohne Buße angenommen zu haben.“

Wieder schaute ich in eine andere Tiefe, aus der Qualm hervorströmte, und ich er* blickt eine Menge Männer und Weiber, die ohne Erbarmen gepeinigt wurden, und zwar einige bis zu ihren Lippen, andere bis zu ihrem Haupte. Da sprach ich zum Engel, der bei mir war: „Wer sind diese, o Herr?“ Und er gab mir zur Antwort: „Diese sind Zauberer und Zauberinnen, die sich selbst keine Ruhe ließen, bis sie aus der Welt schieden.“

Darüber hinaus sah ich aber eine gräuliche Finsternis, in der sich Männer und Weiber befanden. Ihr Geschrei erhob sich bis zum Himmel unausgesetzt, und sie riefen: „Unser Herr, erbarme dich unser’“ Allein jene Engel vermehrten noch ihre Peinen und Qualen, sprechend: „Hier ist kein Raum mehr zur Buße. Hättet ihr vor eurem Hinscheiden sie dargebracht, so hätte man euch vielleicht aufgenommen.“ Ich, Paulus seufzte aber und weinte, indem ich sagte: „Weh euch, ihr Gottlose! Wozu seid ihr wohl auf der W eit geboren worden?“ Und er antwortete mir: „Noch mehr solltest du weinen über die Patriarchen und Metropoliten und Bischöfe. Weine aber über die Priester und Diaconen; denn alle haben sich mehr versündigt als die Geldlieb* haber. Sie liebten diese Peinen, die jetzt ihnen auferlegt sind. Deshalb finden sie, da sie keine Barmherzigkeit ausübten, auch selbst keine Ruhe, sondern werden sieben* fach mehr gepeinigt, weil sie die Zeit der Buße verloren haben. Gott ist barmherzig; denn er hat jedem den freien Willen gelassen, und daher gebühren ihnen die bitteren Qualen.“

Als ich darüber weinte, sprach der Engel zu mir: „Du bist verrückt, Paulus! Bisher hast du grausame Peinen noch gar nicht gesehen.“ Dann führte er mich gegen Westen, wo alle Qualen bereitet waren, und hernach stellte er mich ober einen Brunnen, von dem ich sah, daß er mit drei Siegeln versiegelt war. Und der Engel, welcher bei mir war, hob an und sagte zu mir: „Siehst du, Paulus, diesen Brunnen?“ Darauf sprach er zum Engel, welcher ober der Öffnung des Brunnens stand: „Öffne diesen Brunnen, damit Paulus, der Geliebte unseres Herrn, schaue“ (was unten ist!). Ihm gab er näm* lieh die Erlaubnis, sowohl alle Wonnen und Seligkeiten der Gerechten, als auch alle Wehen und Peinen der Sünder zu sehen.

Jener Engel (der bei der Öffnung war) antwortete darauf und sagte zu uns: „Steht also weit entfernt, damit der Geruch der Verwesung und des Gestankes euch nicht treffe!“ Da er nun den Brunnen öffnete, drang ein gewaltiger Gestank daraus hervor, und der Engel an meiner Seite sprach zu mir: „Von jedem, der immer in diesen Brunnen geworfen wird, wisse, daß seiner weder bei Gott noch bei den Engeln mehr gedacht wird.“ Und ich fragte den Engel, der bei mir war: „Herr, wer sind jene, die dieses Brunnens würdig sind? Er aber antwortete mir: „Jene, die den Herrn Jesus und seine Auferstehung nicht bekennen, auch nicht, daß er Mensch geworden, sondern die da meinen, er sei allen anderen Menschen gleich, und in bezug auf das Opfer des Leibes unseres Herrn sagen, es sei nur Brot.“

Nun blickte ich gen Westen, und sah den Himmel offen und den Engelfürsten Michael, der dem Bunde vorsitzt, vom Himmel herabsteigen, und Märtyrer und Engelreihen mit ihm, und er kam zu jenen, die in der Pein waren, und sie sprachen zu ihm: „Unser Herr, erbarme dich über uns! Wir wissen, daß du, solang wir auf der Welt waren, jederzeit für uns Gebete darbrachtest. Nun aber hat uns das gerechte Gericht Gottes erreicht.“ Michael antwortete und sagte zu ihnen: „Höret ihr alle in der Pein: Bei dem Herrn, vor dem ich stehe, nie höre ich dort auf, für euch zu weinen, allein ihr Gottlosen hörtet nie auf zu sündigen, und ihr habet euer Leben in Eitelkeiten zu* gebracht. Wo sind jetzt aber, o ihr Gottlosen, eure Gebete? Wo ist eure Buße, daß etwa über euch Barmherzigkeit ergehen könnte?“ Ich Paulus vernahm dies von Michael; allein jene Gottlosen weinten nun und schrien, und ihre Stimme war wie Donner. Ich dachte an die Worte unseres Herrn, der da sagte: „Dort wird Weinen und Zähne* knirschen sein.“ Die Engel schrien mit ihnen und sprachen: „Unser Herr, erbarme dich über uns und dein Gebilde! Herr, sei gnädig deinem Ebenbilde!“

3.) AUS DER VISION DES TUNDALO (SPÄTMITTELALTERLICHES VOLKSBUCH) *1

DIE Seele Tundalos kam, nachdem sie den Händen zahlloser Teufel entgangen war, von einem Lichtengel begleitet durch dichte Finsternis in ein schreck* liches Tal voll glühender Kohlen, mit einem sechs Meter dicken Himmel aus glühendem Eisen bedeckt. Auf diesen ungeheuren Deckel regnen unaufhörlich die Seelen der Mörder, wo sie, von der furchtbaren Hitze durchdrungen, schmelzen wie der Speck in der Pfanne, und, flüssig geworden, durch das Metall durchsickern, wie Wachs durch ein Tuch und auf die darunterliegenden Kohlen herabtröpfeln, dann in ihren früheren Zustand zurückkehren, um neue Qualen zu erdulden. Weiterhin ist ein Berg von wunderbarer Größe, voll Schrecken in weiter Einsamkeit. Man erreicht ihn auf einem schmalen Pfade, auf dessen einer Seite sich stinkendes, dunkles Feuer, auf der anderen Hagel und Schnee befindet. Der Berg ist voll von Teufeln, die mit Haken und Dreizacken bewaffnet, die Seelen der Intriganten und Wortbrüchigen an* fallen, welche auf jenem Pfade dahinwandeln, sie hmabstoßen und mit ewigem Wechsel aus dem Eis ins Feuer und aus dem Feuer ms Eis werfen. Dann folgt ein anderes Tal, so dunkel, daß man seinen Grund nicht sehen kann. Die Luft ist voll Gebrüll durch den Sturz eines Schwefelflusses, welcher da unten strömt und durch das fortwährende Geheul der Verdammten und zugleich mit unerträglich stinkendem Rauch erfüllt. Die gegenüberliegenden Wände dieses Schlunds verbindet eine Brücke von tausend Schritt Länge und nicht mehr als einem Fuß Breite, ungangbar für die Hochmütigen, welche von ihr in die endlosen Qualen hinabstürzen. Nach langem und mühsamen Weg erscheint der entsetzten Seele eine Bestie, größer als die größten Berge und von schauderhaftem Ansehen. Ihre Augen sind wie zwei brennende Hügel und das Maul so ungeheuer groß, daß es neuntausend bewaffnete Männer fassen könnte. Zwei Riesen halten wie zwei gewaltige Säulen dieses Maul offen und unauslöschliches Feuer ent* quillt ihm. Von einem Fleer von Teufeln angetrieben und gezwungen stürzen sich die Seelen der Geizigen in die Flammen, dringen ins Maul und werden aus dem Maule in den Bauch des Ungeheuers hinabgeschlungen, von wo man das Geheul von My* riaden Gequälter hört. Dann folgt ein großer, gefährlicher Sumpf voll schrecklicher, brüllender Tiere, über den eine Brücke, zwei Meilen lang und eine Spanne breit, starrend von spitzen Nägeln, führt. Die Tiere sammeln sich längs der Brücke, Flammen ausspeiend, und verschlingen die Seelen von Dieben und Räubern, die herabstürzen. Aus einem Ungeheuern, runden, einem Schmelzofen ähnlichen Gebäude brechen Flammen, welche noch in tausend Schritte Entfernung die Seelen quälen. Vor den Toren, mitten im Feuer, stehen teuflische Henker mit Messern, Sicheln, Bohrern, Beilen, Karsten, Schaufeln und anderen Werkzeugen, womit sie die Seelen der Ge* fräßigen schinden, köpfen, durchbohren, vierteilen, zerstückeln, um sie dann ins Feuer zu werfen. Ferner sitzt dort auf einem gefrorenen Sumpfe eine Bestie, scheußlicher als alle anderen, mit zwei Füßen, zwei Flügeln, langem Flaks und eisernem Schnabel, welche unauslöschbares heuer speit. Dieses Tier verschlingt alle Seelen, welche ihm nahe kommen, verdaut sie und gibt sie dann als Kot wieder von sich. Dieser Seelenschmutz fällt dann auf den gefrorenen Sumpf, wo jede Seele wieder ganz ihre frühere Gestalt erhält und darauf sogleich schwanger wird, sei sie Mann oder Weib. Die Schwangerschaft nimmt ihren natürlichen Verlauf und während dieser Zeit stehen die Seelen auf dem Eis, während ihre Eingeweide von dem Produkt der Empfängnis zerrissen werden. Wenn ihre Zeit gekommen ist, gebären sie, sowohl Männer wie Weibei, und zwar scheußliche Bestien mit Köpfen von glühendem Eisen, spitzen Schnäbeln und von Dornen starrenden Schwänzen. Diese Bestien dringen aus allen i eilen des Leibes hervor und beim Hervorkomraen zerreißen sie das Fleisch und die Eingeweide und ziehen sie hinter sich her, kratzend, beißend, brüllend: dies ist die Strafe der V ollüstigen, vorzüglich derjenigen, welche in den Dienst Gottes traten und dann ihr Fleisch nicht beherrschen konnten. In einem anderen entfernteren Tale sind viele Schmieden und unzählige Teufel in Gestalt von Grobschmieden, welche die Seelen mit glühenden Zangen fassen und auf brennende, fortwährend durch Blasebälge angefachte Kohlen werfen; wenn sie dann glühend geworden sind, ziehen sie sie mit großen, eisernen Haken aus dem Feuer, fassen ihrer zwanzig, dreißig oder selbst hundert zusammen, werfen die feurige Masse auf die Ambose und hämmern lustig darauf los. Die so zusammengeschweißte Masse werfen sie durch die Luft anderen, nicht weniger schrecklichen Schmieden zu, welche sie wieder mit ihren Eisenzangen fassen und das Spiel von neuem beginnen. Tundalo selbst wird der Strafe unterworfen, welche für diejenigen bestimmt ist, die Sunde auf Sünde häufen. Wenn die Seele die furchtbare Probe bestanden hat, gelangt sie in die Öffnung des letzten und tiefsten Höllenschlundes, an Gestalt ähnlich einer viereckigen Zisterne, woraus eine riesige Feuer und Rauchsäule hervorbricht. Eine Unmasse von Seelen und unzählige Teufel fliegen in dieser Feuersäule wie Funken umher, um dann in den Schlund zurückzufallen. Hier, in der äußersten schrecklichen Tiefe des Abgrundes befindet sich der 1 ürst der I insternis selbst, auf einem ungeheueren eisernen Rost ausgestreckt, festgebunden und von I eufeln umgeben, welche die unter ihm prasselnden Kohlen mit Blasebälgen anfachen. Er ist von riesiger Größe, schwarz wie Rabenfedern, rührt in der I insternis tausend Arme, mit eisernen Klauen daran, und entrollt einen gewaltigen Schwanz, ganz mit spitzen Pfeilen besetzt. Das entsetzliche Ungeheuer zittert und windet sich, schäumend vor Schmerz und V ut, fährt mit seinen tausend Händen durch die dunkle Luft, welche ganz mit Seelen erfüllt ist, und wenn er eine Anzahl von ihnen erfaßt hat, drückt er sie in seinem verbrannten Munde aus, wie es ein durstiger Bauer mit einer Weintraube macht, dann seufzt er und bläst sie wieder von sich; wenn er wieder einatmet, zieht er sie alle wieder ein. So werden diejenigen bestraft, welche nicht auf die Barmherzigkeit Gottes gehofft oder nicht an Gott geglaubt haben, und ebenso alle anderen Sünder, welche erst eine Zeitlang die anderen Qualen ausstehen müssen und dann endlich dieser letzten unterworfen werden, welche ewig dauert.

*1) Auf die Bedeutung der literarischen Höllenschilderungen für die Höllenbilder Boschs hat zuerst Dollmayr im österreichischen Jahrbuch hingewiesen.

Aus dem Buch: Hieronymus Bosch, das Werk herausgegeben von Kurt Pfister (1922).

Siehe auch: Hieronymus Bosch (1450-1516), Hieronymus Bosch – Dokumente.

Weitere Texte über Künstler auf Kunstmuseum Hamburg gibt es hier zu bescihtigen.

Siehe auch: HYACINTHE RIGAUD, ALBRECHT DÜRER, TIZIAN, RAFFAEL, FERDINAND BOL, ADRIAEN VAN DER WERFF, SALOMON KÖNINCK, JAN VAN DER MEER VAN DELFT, CARLO DOLCI, KASPAR NETSCHER, GERARD DOU, REMBRANDT VAN RIJN, JAN DAVIDSZ DE HEEM, GABRIEL METSU, REMBRANDT VAN RIJN, ADRIAEN VAN OSTADE, DER MEISTER DES TODES DER MARIA, JUSEPE DE RIBERA, GUIDO RENI, LORENZO LOTTO, FRANCISCO DE ZURBAR AN, RAPHAEL MENGS, REMBRANDT VAN RIJN, BARTOLOME ESTEBAN MURILLO, HANS HOLBEIN DER JÜNGERE, JEAN ETIENNE LIOTARD, ANTON GRAFF, ANGELICA KAUFFMANN, ANTONIO ALLEGRI DA CORREGGIO, JAN VAN EYCK, ANTONIUS VAN DYCK, JACOB VAN RUISDAEL, CLAUDE LORRAIN, ANTOINE WATTEAU, PAOLO VERONESE, MEINDERT HOBBEMA, PETER PAUL RUBENS, CIMA DA CONEGLIANO, JAN WEENIX, PALMA VECCHIO, JAN WILDENS, MICHELANGELO CARAVAGGIO, POMPEO BAtONI, FRANCESCO FRANCIA, JAN VAN DER MEER VAN HAARLEM, DAVID TENIERS DER ÄLTERE, WILLEM KLAASZ HEDA, ADRIAEN BROUWER, JAN FY , HRISTIAN LEBERECHT VOGEL.


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