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Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das achtzehnte Jahrhundert – Der Kupferstich in Frankreich

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von Kunstmuseum-Hamburg.de

Hier gezeigte Abbildungen:
Pierre-Philippe Choflard – Vignette aus Ovids Metamorphosen
Pierre Imbert Drevet – Bildnis der Herzogin von Orleans
Etienne Ficquet – Bildnis Lafontaines
Nicolas Henri Tardieu nach Watteu – Die Einschiffung nach Cythera
Francois Boucher – Schlafende Kinder
Honore Fragonard – Die beiden Frauen zu Pferde
Richard de Saint-Non nach L e Prince – Landschaft.
Claude Gillot – Aus La Moltes Lables nouvelles
Flipart nach H. F Gravelot
Nach Charles Jiisen – Der Tausch.
Jean Michel Moreau le jeune – La Dormeuse

 

AS XVIII. Jahrhundert könnte man wohl das französische Jahrhundert nennen, so vollkommen beherrscht Frankreich das geistige wie das künstlerische Leben dieser Zeit. Es übt sein Regiment mit Milde und mit heiterer Grazie aus. Auf die Zeit des Strebens und des Erwerbens war in Frankreich die Zeit des Geniessens gefolgt. Die anerkannte Macht brauchte nicht mehr wie die aufstrebende sich mit steifem Pomp zu umgeben und sich überall den Zwang grosser Posen und ernster Mienen aufzuerlegen. Die echt französische Heiterkeit und Lebenslust, die sich immer in anmutigen Formen hält, kommt erst jetzt, nachdem man sich im Zeitalter Ludwigs XIV. an der hochtragischen Darstellung der grossen Momente der Sage und Geschichte genüge getan hatte, auch in der Kunst zu ihrem Rechte. Statt Ehre und Macht werden Lust und Freude die Ideale dieser Zeit. Aus der Solennität der grossen Staatsaktionen führt die Kunst in die Intimität des Privatlebens, der hochtönenden Rhetorik der grossen Gelegenheiten zieht sie nun den graziösen Plauderton des Salons vor. Sie schildert die „Gesellschaft“, die sich jetzt zur zentralen Macht entwickelt, zunächst, bis zur Revolution, aber nur ihre glänzenden Formen und den äusseren Schein ihres Lebens.

Nur was froh und sonnig, was schön und festlich ist, nimmt der Künstler aus der Wirklichkeit mit sich in das neue Reich der Freude, das sich seine Phantasie aus der alten Fabel und aus der neuen Poesie und Komödie luftig zusammenbaut. Die französische Malerei des XVIII. Jahrhunderts ist, auch als dekorative Kunst, im wesentlichen eine poetische Illustrationskunst, sie nährt sich von den poetischen Vorstellungen der Dichtungen, die ihrem Geschmacke Zusagen. Auch den Reproduktionsstichen nach Gemälden liebt man eine poetische Paraphrase des Inhaltes beizufügen.

Schnell und freudig folgen die Graphiker den Malern in das neue Gebiet, das sie bald fast ganz in Besitz nehmen. So ganz entspricht dieser heiter wortreiche Erzählerton dem Stil der vervielfältigenden Künste, dass die Maler selber zu Graphikern werden, und dass ihre Werke, auch wenn sie ursprünglich als Gemälde ausgeführt worden sind, oft doch eher als Vorlagen für Illustrationsstiche erfunden zu sein scheinen. Die neue Illustrationsmalerei schafft einen neuen Stil der Kupferstichreproduktion, der sich unter ihrem Einfluss aus der vorzüglich durchgebildeten Grabsticheltechnik des XVII. Jahrhunderts entwickelt, aber der Radierung einen bedeutenden Anteil an der Arbeit einräumt.

Die lineare Grabstichelkunst, die sich vornehmlich im Porträtstich betätigt, bleibt als solche- von dieser Umwandlung fast unberührt. Sie setzt ihre Arbeit im neuen Jahrhundert unbeirrt fort und bildet den Linienstich zur höchsten technischen Virtuosität aus. Paris wird nun die hohe Schule der Kupferstecherkunst, der Mittelpunkt des ganzen europäischen Kunstbetriebes und Kunsthandels. In erster Reihe ist es die Familie der Drevet, aus der die führenden Meister der Grabstichelkunst hervorgehen. Pierre Drevet (1663—1738) ist ein Schüler Germain und Gerard Audrans, er schliesst sich aber technisch viel mehr an Nanteuil an. Wie seine ganze Schule arbeitet er ausschliesslich mit dem Grabstichel, den er mit der höchsten Sicherheit und Exaktheit führt. Die glänzende Technik seiner Vorgänger vermag er zu den erstaunlichsten malerischen Effekten zu steigern. Besonders in der Darstellung des Stofflichen weiss er der Linie die grösste Ausdrucksfähigkeit abzugewinnen. Die Weichheit des Fleisches, die Wolligkeit der gepuderten Perücke, die Biegsamkeit der feinen Leinenstoffe und -spitzen, den starren Glanz der Brokatstickerei, schillernde Seidenstoffe und weiche, tieffarbige Sammetgewänder täuscht er durch eine unendliche Mannigfaltigkeit von Linienformungen und-Verbindungen dem Beschauer vor. Freilich schadet die Vordringlichkeit der kostbaren, überreich drapierten Gewandung, der ganze Pomp der Inszenierung dem Ausdrucke der geistigen Persönlichkeit der Dargestellten. Drevet folgt hierin aber nur seinen Vorbildern. Hyacinthe Rigaud und Nicolas de Largilliere, nach deren Gemälden er und seine Schüler hauptsächlich gestochen haben, sind die bedeutendsten und charakteristischsten Vertreter dieser Richtung der französischen Porträtkunst, die mehr auf die theatralische Wirkung der Erscheinung, auf die vertriebene Malweise und auf reiche Ausgestaltung der Umgebung als auf eindringende Charakteristik bedacht ist. Das Bildnis des Robert de Cotte nach Rigaud, das des Jean Forest nach Largilliere und das des Ministers Colbert gehören zu Drevets vorzüglichsten Arbeiten.

Pierre Imbert Drevet, Pierres Sohn (Paris 1697—1739) steht seinem Vater an Meisterschaft keineswegs nach. Sein Bildnis Bossuets in ganzer Figur nach Rigaud (1723) gilt als eines der Hauptmeisterstücke französischer Stecherkunst. Kaum weniger vollendet sind die Bildnisse des Kardinals Dubois, der Adrienne Lecouvreur nach Coypel oder die Blätter kleinen Formates, wie die ausserordentlich zarte Darstellung des Bischofs Fressan vor der Madonna knieend (1718) und das Brustbild der Herzogin von Orleans (s. Abb.). Pierres Neffe Claude Drevet (1705 —1781) arbeitet in derselben Weise wie sein Oheim und sein Vetter, wenn auch nicht mit der gleichen Meisterschaft, Francois Chereau (1680—1729), ein Schüler Gerard Audrans, Louis Desplaces (1682 —1739) und andere verfolgen die gleichen Bestrebungen.

Unter den zahlreichen Schülern der Drevet steht Jean Daulle (1703 bis 1763) obenan. Sein Stich nach Rigauds Selbstbildnis (1741) ist seiner Meister würdig. Er hat ausser anderen Bildnissen, wie denen Mariettes, Maupertuis’ und J. B. Rousseaus auch Gemälde von Metsu, Teniers, Boucher u. a. gestochen. Jacques Cherau (1664-1776), Francois Bruder, Nicolas Dupuis, Nicolas de Larmessin (1684—1755), Bernard Lepicie (1699—1755) und sein Schüler Jean-Joseph Balechou (1719—1764), Daulles Schüler Jac-ques-Firmin Beauvarlet (173 1 —1797) sind ebenfalls vorzügliche Künstler dieser Richtung. Sie verfallen aber, wo sie nicht durch ihre malerischen Vorbilder zu einer freieren, farbigeren Behandlung und zur Verwendung der Radierung angeregt werden, schon mehr oder weniger stark in eine metallische Glätte der Modellierung und in eine unmalerische, akademisch gebundene Linienführung.

Nur durch die Verkleinerung des Massstabes der Darstellung und der Linienbildungen haben einzelne Künstler mit dieser auf das feinste detaillierenden und die Töne zart verschmelzenden Technik kleine Bildnisstiche von ganz miniaturartiger Wirkung auszuführen verstanden. Schon im XVI. Jahrhundert hatten z. B. die Wierix in kleinen Bildnissen (s. Abb. S. 320) mit der leuchtenden und vertriebenen Malerei der Miniaturen zu wetteifern gesucht, und auch P. J. Drevet hat einige kleine Stiche in feinster Arbeit ausgeführt. Nun wird aber diese Gattung des gestochenen Miniaturporträts geradezu als eine Spezialität ausgebildet. Der geschickteste dieser Miniaturstecher ist Etienne Ficquet (1719—1794), der seinen besten Arbeiten, wie dem Lafontaine (s. Abb.), Corneille, Fenelon, J. B. Rousseau, den Aquarell- und Tuschtönen ähnliche Effekte durch enge Grabstichelarbeit von mikroskopischer Feinheit erzielt. „Ein Aetzstrich wäre hier wie ein Wollfaden im feinsten Seidengewebe.“

Von ähnlicher Vorzüglichkeit sind einzelne der gelungensten Werke von Pierre Savart, Charles Etienne Gaucher und Louis Jacques Cathelin. Auch Noel Le Mire und Augustin de St. Aubin haben einige kleine Bildnisse in diesem Miniaturstil gestochen. Der Kunstdilettant Jean Bapt. Grateloup hat dann die zart verschmolzenen Tuschtöne dieser Bildnisse, aber nicht ihre kraftvoll plastische und farbige Wirkung mit Hilfe der Lavismanier leichter zu Wege gebracht. Man suchte den miniaturartigen Eindruck solcher Bildnisse oft dadurch noch zu steigern, dass man sie mit ornamentalen und figürlichen Umrahmungen in freier, heller Radierung umgab. Auf der schiefen Ebene technischer Einseitigkeit hat Georg Wille (Giessen 1715 bis 18o7 Paris), der sich in Paris ausgebildet hat und dort ständig tätig gewesen ist, einen verhängnisvollen Schritt weiter getan. Die tadellose Exaktheit und Sauberkeit seiner Zeichnung und Modellierung, die höchste Regelmässigkeit in der Anordnung und Ausführung der Taillen, sein grosses Geschick in der Wiedergabe der Lichtreflexe auf den einzelnen Gegenständen haben ihm die enthusiastische Bewunderung seiner Zeitgenossen eingetragen. Er ist der berühmteste und gesuchteste Lehrer der Grabstichelkunst gewesen, aber durch die einseitig technische Ausbildung seiner zahlreichen französischen und ausländischen Schüler an dem bald eintretenden Verfall der Kupferstechkunst mitschuldig geworden. Der systematischen Gleichmässigkeit der Strichbildung wird die Lebendigkeit der Form geopfert und durch den Schematismus der railleniührung, die Aequidistanz der Linien, allem Raffinement zum Trotz eine trockene, metallische Wirkung hervorgebracht. Wille hat mit Vorliebe Gemälde von Netscher, Mieris, Dow und Terburg gestochen, deren äusserst glatte und vertriebene, stoffnachahmende Malweise seinen stecherischen Neigungen am meisten entgegenkam. Auch von Chr. W. E. Dietrich hat er eine Reihe von Bildern reproduziert. Zu seinen vorzüglichsten Arbeiten gehören seine Bildnisse, z. B. das grösste von den dreien, die er von Friedrich dem Grossen nach Antoine Pesne gestochen hat, und das der Marguerite Elisabeth de Largilliere.

Die französischen Grabstichelkünstler der Willeschen Richtung, selbst seine persönlichen Schüler, verstehen eigentlich meist noch eher als der Meister, den malerischen Anforderungen ihrer Vorlagen gerecht zu werden und das Netz der regelmässigen Taillen weniger störend hervortreten zu lassen. Jean Massards (1749 — 1822) Arbeiten, z. B. sein „zerbrochener Krug“ nach Greuze und sein Bildnis des Nicolas de Livry nach Toque, erinnern in ihrer weicheren, freieren Behandlung mehr an die älteren Meister, wie Drevet. Auch Willes vorzüglichster Schüler Charles Clement Bervic (eigentlich Balvay) (1756 bis 1822) sucht wenigstens die Hintergründe durch belebtere und mannigfaltigere Strichführung malerischer und kontrastreicher auszugestalten. Seine Fleischbehandlung ist dagegen ganz linear, oft fast unerträglich kalligraphisch trocken. Ein Beispiel dieses Gegensatzes in der Behandlung der Figuren und der Gründe bietet die „Unschuld“ nach Merimee. Einheitlicher, aber auch schematischer führt er seine prächtigen Bildnisse durch, unter denen besonders das grosse von Ludwig XVI. in ganzer Figur nach Callet hervorragt.

Es ist charakteristisch, dass sich die Stecher dieser Richtung wieder der Reproduktion der antiken und der klassischen Renaissancewerke, besonders Raffaels, zuwenden. Bervic sticht z. B. die Laokoongruppe und Raffaels Johannes den Täufer. Die Betonung der Linie erleichtert die Rückkehr zum antikisierenden Klassizismus, zu dem die Strömung um die Wende des Jahrhunderts führte, und der nun lange herrschend bleibt. Zu Bervics Schülern gehören unter anderen der Correggiostecher Paolo Toschi aus Parma, J. B. Raphael Urbin Massard, Jeans Sohn 1775—1 849). Willes Schüler Pierre Alexandre Tardieu 1756—1844) und dessen Schüler Auguste Boucher-Desnoyers 1779—1857), der besonders durch sein Bildnis Napoleons nach Gerard bekannt geworden ist, mögen die Reihe dieser Klassizisten des Grabstichels schliessen.

Es sind nur wenige unter der grossen Schar der französischen Kupferstecher dieser Zeit, die der strengen klassischen Grabstichelkunst ganz treu bleiben und die Tradition aufrecht erhalten. Die Mehrzahl lenkt, manche wenigstens in einem Teile ihrer Werke, von der alten Heerstrasse des akademischen Klassizismus in die anmutigen und lauschigen Lustpfade der Modemalerei ein, der die Zukunft zu gehören schien, und die jedenfalls den Beifall der Mitwelt in reichstem Masse genoss. Der Geist der Zeit und ihre Wünsche finden in der Tat auch nicht in den antikisierenden Allegorien und in den repräsentativen Porträts der Akademiker ihren Ausdruck sondern vielmehr in den „fetes galantes“, den erotischen Schäferszenen ohne bestimmten Inhalt und in der leichten, graziösen Ornamentik der Boudoirkünstler. Die leichtfertigen, übermütigen Einfälle des Rokoko vertreiben die schwerfälligen, ernst abgewogenen Gedanken des Barock.

Antoine Watteau ist der erste, der der Lebenslust und Sinnenfreude der französischen Gesellschaft die künstlerische Rechtfertigung gibt. Obwohl nicht Franzose von Geburt — er ist 1684 in Valenciennes geboren und 1721 bei Paris gestorben — obwohl selber körperlich schwächlich und melancholischen Geblüts, trifft er doch wie kein zweiter den echt französischen Ton erotischen Getändels, der hors d’oeuvre der Liebe. Er giesst über seine Darstellungen aus dem Leben der vornehmen Gesellschaft den verklärenden Schimmer der Poesie. Nicht wie die Akademiker lässt er die Menschen als antike Götter oder Göttinnen erscheinen; halb wirklich, halb idealisiert in Tracht und Wesen bewegen sie sich als Schäfer und Schäferinnen in ungezwungenem Liebesverkehr, in selbstvergessendem Wohlgefühl in arkadischen Gefilden. Es sind Wirklichkeiten, oft sogar bestimmte Szenen aus Komödien, die er darstellt, aber so verwoben mit poetischen Vorstellungen, so durchleuchtet von Sonnenlicht, so voll heiterer Ruhe in der Natur, dass der flüchtige Augenblick wie im Märchen als der erträumte Zustand dauernder Glückseligkeit erscheint. Es ist die Stimmung des „chanson d’amour“, die im Gegensatz zum’ epischen oder tragischen Charakter der akademischen Kunst hier vorherrscht. Die vornehme, ritterliche Zurückhaltung, die seine Herren und Damen in der Hirten- oder Theaterverkleidung auch im intimen Verkehr im Freien bewahren, scheint sein in Wirklichkeit zur Enthaltsamkeit wenig geneigtes Publikum besonders entzückt zu haben.

Wunderbar weiss Watteau die grazilen Formen seiner Gestalten, die kokett leichten Gewänder, ihre hellen, schimmernden Farbentöne und vor allem die lichterfüllte, duftige Landschaft für die poetische Stimmung zu verwerten. Auch die kleinen Dimensionen der Bilder und der Figuren entsprechen ganz dem graziös spielenden Charakter seiner Kunst. Watteau ist in seiner Auffassung und besonders in Malweise und Kolorit sehr stark durch die vlämischen Meister, vor allem durch Rubens, beeinflusst. In Paris war sein Lehrer der Theaterdekorationsmaler Claude Gillot, der uns nur noch durch eine Reihe von Radierungen bekannt ist. Später ist der intime Verkehr mit Kunstkennern und Lebenskünstlern wie Mariette, Crozat, Caylus, Gersaint und seinem treuesten Freunde und Verehrer Julienne für seine Kunst von Bedeutung geworden.

Die graziöse, galante Kunst Watteaus, die schon durch den Reiz des Gegenständlichen und durch ihren Erfolg zur graphischen Nachbildung einlud, forderte vom Kupferstich ganz neue Raffinements in der Zeichnung und in der Kon-trastierung der Tonwerte. Wie weit Watteau selber unmittelbar bei der Reproduktion seiner Werke beteiligt gewesen sei, ist schwer zu bestimmen. Er hat mehrere Modefiguren und einige grössere Darstellungen, wie die „troupe italienne“ radiert, die dann von Stechern wie Simoneau oder Thomassin mit dem Grabstichel retuschiert wurden. Sie sind, wenn auch als Arbeit mit dem weichen Fluss der leicht schwingenden Linien und ihrem hellen Ton geistvoll und originell, doch für die Ausbildung des Watteaustils im Kupferstich offenbar weniger bedeutungsvoll als seine Feder- und Stiftzeichnungen und als die unmittelbar hinreissende Wirkung seiner Gemälde. Die Herausgabe der Stiche nach seinen Werken in einer Sammlung von 75)5 Blättern der besten Künstler besorgte Julienne erst nach des Meisters Tode 1734.

Die ersten Watteaustecher, wie Benoit II Audran, Gerards Neffe (1700—1772), Nicolas Henri Tardieu (1674—1749) Louis Des-places (1682—1739), Henri Simon Thomassin fils (1688—1741) gehen von Gerard Audrans Technik aus, dessen direkte Schüler sie zum Teil sind. Sie suchen nun aber der klaren, regelmässigen Linienführung Gerard Audrans eine grössere Freiheit, mehr Reichtum an Tönen und Akzenten zu geben. Sie beschränken sich wesentlich auf die freie, in Flecken von einfachen und gekreuzten Lagen schattierende Radierung und retuschieren mit dem Stichel nur die tiefen Schatten und die ganz zarten Uebergänge. Die hellen, nur durch Punkte zart modellierten Fleischtöne, die unruhig flimmernden Lichtstreifen auf den Gewändern, die duftig durchsichtigen Schatten der Landschaft bilden einen feinen hellsilbrigen Gesamtton mit reizvollen Schattenkontrasten, der der lichten und zarten, nervös akzentuierenden Farbengebung Watteaus oft ausserordentlich nahe zu kommen vermag. Die Vorliebe für ganz helle, leuchtende Farben, für blau, rosa und, besonders in der Innendekoration, für weiss mit Gold bestimmt den koloristischen Charakter der französischen Kunst seit Watteau. Alle Stoffe sind hell und bunt geblümt, selbst Haar und Gesicht werden weiss gepudert. Auch der Kupferstich folgt diesem Streben nach hellen, glitzernden Tönen.

Die Geschicklichkeit der Stecher, die sich vorher meist mit der Wiedergabe von Gemälden alter italienischer Meister, Le Bruns und Coypels beschäftigt hatten, sich in den leichten, malerischen Stil Watteaus einzuleben, ist bewunderungswürdig. Man sieht wohl, dass ihre Neigungen sie zu den neuen Idealen hinzogen. Besonders vorzügliche Werke sind Tardieus Stiche „die Einschiffung nach Cythera“ (Goncourt 128, s. Abb.), Watteau und Julienne im Walde (G. 14), die „Champs-Elisees“ (G. 11 6) und andere oder Benoit Audrans „Amüsements champctrescc (G. 104), „Danse paysane“ (G. 1 25), „L enchanteur“ (G. 130), „Mezetin“ (G. 86), „Finette“ (G. 83). Pierre Aveline (1697 bis 1760), der die nackten Figuren fast ausschliesslich mit Punkten modelliert, hat unter anderem das berühmte Ladenschild Gersaints (G. 95) und die „Charmes de la vie“ (G. 117) in glänzender Technik wiedergegeben. Laurent Cars (1702— 1771) benutzt in seiner „Escorte d’equipages“ (G. 56) den Grabstichel fast nur noch, um auf die hellen Töne der Aetzung fein pointierende Drucker, wie sie in Watteaus Zeichnungen charakteristisch sind, aufzusetzen.

Andere, meist schwächere Stecher bleiben, besonders in grösseren Figuren, noch bei dem alten Dorignyschen und Audranschen System der weiten, gebogenen und gekreuzten Taillen, die hier fast immer tot wirken, stehen. Jean Michel Liotard (1702 —1760) aus Genf, der in Venedig nach Sebastiano Ricci gestochen hat, benutzt in seinen „Comediens fran^ais“ (G. 64), in seiner „Conversation“ (G. 123) und in anderen Blättern mit Vorliebe Effekte der Rubensschen Technik, während sein Bruder, der Pastellmaler Jean Etienne Liotard (1702—1789) in dem komischen Bilde „Le chat malade“ (G. 93) eine besonders freie und breite, flockige Radiertechnik mit Glück verwendet. Vorzügliche Reproduktionen Watteauscher Gemälde sind unter anderen die „Comediens Italiens“ (G. 68), „L’amour paisible“ (G. 102), „L’accord parfait“ (G. 97) von Bernard Baron (um 1700—1766), „Lile de Cythere“ (G. 140) und „L’accordee de viflage“ (G. 98) von Nicolas Larmessin fils (i68q bis 1755), die „Le^on d’amour“ (G. 144) und „L’occupation selon l’äge“ (G. 82) von Charles Dupuis (168) —1742), Antoine de la Roque (G. 17) von ßernard Lepicie (1Ö98— 1753), „L’indifferent“ (G. 94) und „Les plaisirs du bal“ (G. 155) von Louis Gerard Scotin (1690 bis nach 1475).

Die Blätter Jean Moyreaus (i6pi —1762), der vornehmlich als Stecher nach Wouwermans berühmt ist, zeichnen sich vor denen aller anderen Künstler dieser Gruppe durch einen farbig tiefen und reichen Ton aus, so z. B. das Bildnis des Musikers J. B. Rebel (G. i<$). Auch Jacques Philippe Lebas (1707—1783) scheint seinen Stil nach Niederländern, wie Teniers und Wou-wermans gebildet zu haben. Seine Stiche nach Watteaus Gemälden, wie die „Assemblee galante“ (G. 108), „La game d’amour“ (G. 1 36), die „Ile enchantee“ (G. 139) wirken, bei aller Vortrefflichkeit durch die Häufung der Effekte etwas zu unruhig glitzernd und fast fleckig. Ausser einigen Gemälden wie „L’amour au theatre francais“ G. 113 hat Charles-Nicolas Cochin d. A. auch eine Anzahl von Skizzen Watteaus aus dem Soldaten- and Theaterleben fein und geistreich wiedergegeben. Solche Zeichnungen des Meisters sind auch von anderen Künstlern, vor allem von Francois Boucher, von Pierre Huquier, dem besonders die „panneaux“, von Michel Aubert, dem die chinesischen Figuren von Julienne autgetragen wurden, dann auch von Liebhabern, wie dem Grafen Caylus, mit Liebe und Verständnis nachgebildet worden.

Die eigenartige malerische Ausbildung, die die Watteaustecher durch den Einfluss des Meisters empfangen, kommt natürlich auch anderen älteren und modernen Malern, in erster Linie Watteaus Schülern und Nachahmern zugute. Die Gemälde Lancrets, Paters und anderer werden im allgemeinen von denselben Stechern und in derselben feinfühligen Weise reproduziert, wie die Werke Watteaus. Neben den erotisch-arkadischen Schilderungen aus der vornehmen Gesellschaft kommt nun auch die meist nicht weniger erotische Genredarstellung aus dem gewöhnlichen Leben der niederen Stände in Aufnahme. Die hauptsächlichsten Vertreter dieser Richtung, Jean Simon Chardin und Jean Baptiste Greuze, der in Jean-Jacques Flipart (1719 —1782) seinen vorzüglichsten Interpreten fand, liefern den Stechern eine Fülle von Vorbildern. Einen anderen Anziehungspunkt für den französischen Reproduktionsstich bilden die Landschaften Claude-Joseph Vernets, deren Wiedergabe sich unter anderen besonders Jean-Jacques Aliamet (1726—1788) angelegen sein liess.

Unter den selbständigen peintres-graveurs, die sich um Watteau gruppieren, schliesst sich Francois Boucher (1703 —1770) als Radierer am engsten an den Meister an. In seiner Jugend hat er viel radiert, mit flotter, leichter, stark akzentuierender Nadel, zum Teil nach eigenen Erfindungen, wie die „Figures chinoises“, den „Zeichner“, Kindergruppen (s. Abb.) und andere Studien, im ganzen Blätter. Den grössten Teil seiner Stiche, 125 von den 182 von ihm bekannten Arbeiten, hat er aber nach Watteau ausgeführt, und zwar waren es fast ausschliesslich die Zeichnungen nach der Natur, die er im Aufträge Juliennes für das grosse oeuvre des Meisters zu reproduzieren hatte. Besonders interessant und anziehend ist seine Radierung nach Watteaus Selbstbildnis (G. 1 2). Die Strichführung des Malers ist hier mit grosser Exaktheit und doch mit freier Leichtigkeit wiedergegeben. Watteaus Zeichenmanier mit ihrer unbestimmten, beweglichen Umrissführung, der weichlichen Formengebung und den nervösen, sprunghaft in die hellen Töne gesetzten Druckern überträgt er auch auf seine selbständigen Radierungen. Natürlich führt er, der unendlich leicht schaffende Meister der koquetten, sensuellen Boudoirdekoration, die Nadel viel kühner und energischer, weniger steche risch bedachtsam als irgendeiner der Watteaustecher, aber zu einem eigenen Radierstil hat er seine Technik nicht entwickelt. Er wirkt viel mehr durch seinen malerischen Stil, durch seine oberflächlichgefälligen, sinnlich reizenden Formen und durch den Reichtum seiner Kompositionen, die von den Stechern in ausgiebigster Weise benutzt werden. Als Maler ist er für sein Jahrhundert fast noch charakteristischer als Watteau, viel sinnlicher, aber unendlich weniger poetisch.

Wie Boucher selber in seiner späteren Zeit als vielbeschäftigter Modekünstler, haben auch die anderen Maler sich nur selten mit der Radierung be-^ fasst und die Reproduktion ihrer Bilder und auch ihrer Zeichnungen fast immer berufsmässigen Stechern überlassen. Ausser Boucher ist es nur Honore Frago-nard (1732 —1806), dessen Radierwerk neben seinen Gemälden eine selbständige Bedeutung besitzt. Fragonard ist ein Schüler Bouchers gewesen, die Anregung zum Radieren hat er aber nicht von seinen berühmten französischen Vorgängern empfangen, sondern in Italien durch Giovan Battista Tiepolo. Nach Gemälden dieses Meisters, nach Tintoretto, Sebastiano Ricci, Anibale Carracci und Lanfranco hat er um 1764 in Venedig und anderwärts leichte, aber äusserst feine und stilgetreue Skizzen mit der Nadel ausgeführt. In mehreren dieser Blättchen ist die Nachahmung der Technik Tiepolos ganz deutlich zu erkennen.

Eigenartiger und noch viel zarter ist Fragonards Technik in anderen Blättern, wie besonders in den vier Satyrszenen, die er schon zur Zeit seiner ersten italienischen Reise (1759—61), als er für Saint-Nons grosses Werk über Neapel und Sizilien Antiken zeichnete, radiert haben soll. Die reizend graziösen Darstellungen sind wie Basreliefs behandelt. Von dichtem, wirrem Buschwerk umgeben erscheinen sie wie antike Fundstücke, die eben vom Forscher entdeckt worden sind. Wie in Boccaccios antikisierenden Gedichten ist auch hier die antike Vorstellung durch die ganze Frische modernen Nachempfindens lebendig gemacht. Die Formen sind mit entzückender Feinheit von unendlich zarten Linien Umrissen und ganz locker mit kurzen Strichelchen modelliert, durchsichtig und glänzend wie aus edlem Gestein geschnittene Cameen.

Andere Radierungen sind kräftiger und breiter behandelt wie die Frauen zu Pferde (s. Abb.) und der berühmte „Armoire“, der im Schranke entdeckte Liebhaber (von 1778). Im ganzen hat Fragonard zehn Blätter nach eigenen Erfindungen radiert. Die leicht und duftig in hellen Farben gemalten Bilder des „peintre des courtisanes“, voll Geist und sinnlicher Lebenslust und seine zahlreichen Zeichnungen sind im Wetteifer von den besten Stechern reproduziert worden. Vor allen hat sich der Abbe Richard de Saint-Non 1727—1791 durch seine Radierungen und Aquatintablätter nach Fragonard ausgezeichnet. Er ist der liebenswürdigste Typus des talentvollen Kunstfreundes, ein Kunstenthusiast, der sein ganzes Vermögen für seine prächtigen und geschmackvollen Publikationen opfert. Für sein „Voyage pittoresque ou description des royaumes de Naples et de Sicilecc (1778—178 <5′ lässt er Zeichnungen von den besten Künstlern, wie Fragonard, an fertigen und sie von Stechern, wie Choffard, Guttenberg, Berthanet, St. Aubin, Duplessi-Bertaux und anderen unter eigener Mitarbeit ausführen, Tn seinem „Recueil de griffonis“ (1771 —1773 hat er auf 294 Tafeln Ansichten von Rom und Eingebung, Skizzen nach der Antike und nach berühmten Gemälden älterer Meister, nach Zeichnungen von Le Prince, Fragonard und Hubert Robert mit grösstem Geschick wiedergegeben (s. Abb.). Seine Radiertechnik ist der Fragonards nahe verwandt, auch er hat Tiepolo eifrig studiert, aber doch eine eigene feine und reizvolle Manier sich zu bilden gewusst. Die Wirkung seiner zart und leicht radierten Blätter ist echt französisch pikant und unruhig, aber sehr reich an feinen Details und Farbeneffekten. Wenn Saint-Non auch nur wenig nach eigenen Zeichnungen radiert hat, so nähert sich sein Stil doch so sehr dem der peintres-graveurs, dass er unter ihnen genannt werden darf.

Von den Malern der Richtung Watteaus und Bouchers sind als Radierer noch Michel Barthelemy Ollivier (1712-1784), Pierre Lelu (1741 bis 181o), von dem 75 Radierungen, 19 nach italienischen Meistern, die übrigen nach eigenen Kompositionen, Bacchanale, Ballettszenen in Bouchers Art und historische Allegorien, bekannt sind, und besonders Jean Baptiste Greuze {1725 — 1805), der nur zwei Blätter selber radiert hat, hervorzuheben. Bouchers Mitschüler Charles Hutin (1705 — 1776) und Charles Natoire (1700 bis 1778) haben ebenfalls gelegentlich einige Blätter geätzt. Umfangreicher ist das Werk von Natoires Schüler Jean Baptiste Marie Pierre (1713—1789), der 40 Blätter, besonders römische Volkstypen und Brunnen mit Nymphen und Najaden ausgeführt hat. Charles Parrocel (1688 —1732), sein Schüler Francois Casanova (1727 oder 1730—1802 oder 1805) und sein Enkelschüler Philippe Jaques Loutherbourg (1740—1812, pflegen im Anschluss an Courtois das Gebiet der Schlachtendarstellung. Loutherbourg hat sich auch als Maler und Radierer von Tieren ausgezeichnet. Als Maler ist auch Ignace Duvivier (1758 -1832) ein Schüler Casanovas, in seinen 42 Blättern hat er dagegen nur Landschaften im Geschmacke Salvator Rosas, wohl im Anschluss an Loutherbourg, dargestellt, agdbilder, Viehstücke und andere ländliche Szenen wählen Jean Bapt. Oudry (1686—1755) und Jean Louis de Marne 1754—1829 zum Gegenstände ihrer Schilderungen.

Der Radierung wissen alle diese Maler keine neuen Reize, ja meist überhaupt keine künstlerischen Wirkungen abzugewinnen. Auch die römischen Landschaften, die Adrien Manglard (1695— i7<$o) kräftigen, lang-gezogenen Strichen radiert hat, entbehren der Feinheit und der Lebendigkeit der Formen und Tone. Interessanter und frischer sind die beiden radierten Skizzen von Manglards berühmtem Schüler Josephe Vernet (1714—1789), dessen Gemälde sehr viel nachgebildet wurden. Die eine ist in leichter, feiner Aetzung, die andere, Fischer am Meeresuter, mit breiten, freien Strichen wie eine Federzeichnung durchgeiührt. Höchst ansprechend sind endlich die idealisierten römischen Ansichten des geschmackvollen Architekturmalers und Gartenkünstlers Hubert Robert (1733 — 1808).

Neben den echt französischen, poetischen Schilderern des Lebens und der Natur von Watteau bis Greuze treten die Akademiker der klassizistischen Richtung, die offiziell, aber auch nur offiziell, immer herrschend bleibt, jedoch erst wieder nach der Revolution Bedeutung gewinnt, für uns stark in den Hintergrund. Als Radierer können sie jedentalls mit ihren gelegentlichen Arbeiten, die wohl meist der Anregung und dem Vorbilde der Italiener ihren Ursprung verdanken, keinen Anspruch auf höhere Schätzung erheben. Wir kennen mehr oder weniger zahlreiche Radierungen z. B. von Pierre Subleyras (1699 — 1749), von Charles Antoine Coypel (1694—1752) von CaHe Vanloo (1705—1755) von Pierre IgnaceParrocelfi702 —1775), Louis J osephe de Lorrain (1715 —1760), Josephe Marie Vien (1716 —1809), dem Lehrer und Vorgänger Davids, von Jean Jacques Lagrenee (1740—1821) und seinem Schüler Jean Francois Pierre Peyron (1744—1815).

Zu einer eigenen kleinen Gruppe schliessen sich bei dieser Ueberschau einige Maler und Dilettanten im besten Sinne des Wortes zusammen, die in der Radierung archaisierende Tendenzen verfolgen und etwas abseits von den Hauptströmungen des Klassizismus und der Modekunst bleiben. Jean Pierre Norblin (1745 —1830) hat sich in seinen Radierungen das Studium Rem-brandtscher Technik zur Aufgabe gemacht. Seine künstlerische Vereinsamung in Warschau, wo er 3o Jahre als Maler und Leiter einer Kunstschule tätig war, hat ihm wohl diesen Weg gewiesen. Er kopiert Rembrandtsche oder ihm zugeschriebene Gemälde und Kompositionen des Rembrandtnachahmers Dietrich in einer Technik, die sich wenigstens in den äusseren Zügen der des grossen Holländers nähert. Er führt seine feine Nadel mit grossem Geschick und erzielt trotz der Weichlichkeit im Fluss der Linien, besonders in den von ihm bevorzugten ganz kleinen Figuren oft eine sehr gute Wirkung.

Mehr auf die Nachahmung der malerischen Helldunkeleffekte Rembrandts vermittels einer der Schabkunst ähnlichen Behandlung geht Henri Claude Watelet (1718 —1786) aus. Seine unsystematische, übermässige Verwendung der gratbildenden Schneidenadel und die Schwäche seiner Zeichnung verraten den Dilettanten. Seine Nachahmungen nach Rembrandt, z. B. die nach dem Bürgermeister Six mit seinem Selbstbildnis, und besonders seine Radierungen nach eigenen Erfindungen sind aber nicht ohne Reiz. Er hat auch Zeichnungen von Berchem, Boucher, Greuze, hübsche Bildnisse nach Cochin zum Teil in Aquatinta reproduziert und nach Entwürfen seines Freundes Pierre einige Folgen von Vasen sehr fein radiert. Ausser einem „Essai sur les jardins“ und einem „Dictionnaire des beaux-artscc hat er ein Lehrgedicht, „L’art de peindre“ (1760) verfasst und mit Vignetten nach Le Prince verziert.

Den Eindruck eines Liebhabers mehr als den eines berufsmässigen Künstlers macht auch Jean Jacques de Boissieu (173 6—1810). Er stammte aus einer vornehmen Lyoner Familie und kam erst spät nach Paris, wo er sich besonders Willes Leitung anvertraute. Als Maler hat er sich nur sehr wenig betätigt, dagegen schon früh als Zeichner einen ziemlich grossen Ruf erworben. In seinen etwa 140 Radierungen bewahrt er eine gewisse provinzielle Unabhängigkeit von der herrschenden französischen Technik. Er scheint vornehmlich die niederländischen Meister studiert zu haben. Radierungen und Zeichnungen von Ruisdael, Dujardin, Berchem, Van Dyck, Teniers und anderen hat er mit grosser Sorgfalt nachgestochen. Seine Landschaften, Ansichten aus Frankreich und Italien, wie die „Vues de Lyon“ (1760—<$i) und das Grabmal der Caecilia Metella bei Rom sind ganz zeichnerisch in klarer, scharfer Radierung behandelt, höchst rein und sorgfältig, aber ohne Schwung und Stimmung. Lebendiger, wenn auch etwas kleinlich, mehr spitz als fein gezeichnet, sind seine charaktervollen Bildnis- und Studienköpfe. In einzelnen grösseren Genreszenen, wie den Weinküfern oder der Dorfschule, geht er mehr auf breite, malerische Helldunkeltöne der Innenräume aus. Er sucht diese Wirkungen durch die Schattierung grösserer Flächen mit der Roulette zu steigern. Boissieus Vorzüge und sein künstlerischer Ernst bieten im ganzen keinen genügenden Ersatz für den Mangel an französischer Grazie und Elastizität.

An Callot erinnern die svelten Figuren, die Jean Duplessi-Bertaux (1747 —1813) geschickt in grossen Massen zu gruppieren oder einzeln in charakteristischen Attitüden darzustellen weiss. Die „Suites d’ouvriers, de militaires“, „Cris de marchands“, Bettlergestalten und Theaterszenen, die in dem „Recueil de 100 sujets de divers genres“ (1814) vereinigt sind, und besonders die grossen militärischen Aktionen auf weiten Flächen sind ganz in Callots Art gedacht und mit grösster Delikatesse in sehr feiner, die einzelne Schattenlinie scharf betonender Technik ausgeführt. Duplessi-Bertaux ist einer der besten Schilderer der französischen Revolution, besonders in seinen „Tableaux historiques de la revolution“, und den „Campagnes en Italie“.

Die hervorragende Rolle, die in dieser Zeit in Frankreich Kunstliebhaber und Dilettanten durch ihre Arbeiten wie durch ihre persönlichen Beziehungen zu den Künstlern spielen, ist schon mehrfach angedeutet worden. Die lebhafte Teilnahme so weiter Kreise für die graphische Technik zeigt deutlich, wie tief künstlerisches Empfinden und Freude am Kunstgenuss und an der Kunstübung damals im Leben der gebildeten Franzosen Wurzel gefasst hatten. Wir sehen das ja auch an dem Geschmack und dem Kunstsinn, mit dem alles, was jenen Menschen dienen und sie umgeben sollte, gestaltet war. Aus der grossen Zahl der zum Teil recht tüchtigen Dilettanten der Radierung, zu denen auch die Marquise de Pompadour, Bouchers Schülerin, gehörte, seien nur noch zwei der bedeutendsten und einflussreichsten hervorgehoben. Die Tätigkeit des Anne-Claude-Philippe de Tubieres, Comte de Caylus (1692 —1764) hat hauptsächlich kunstgeschichtliches Interesse. Seine Beziehungen zu dem grossen Sammler Crozat und zu Charles Coypel, dem Verwalter der Zeichnungssammlung des Königs, führten ihn auf das Studium dieser Gattung von Kunstwerken. Mit grossem Fleiss und fast ebenso grossem Verständnis hat er eine gewaltige Anzahl von Zeichnungen mit der Radiernadel wiedergegeben. Die vollständige Sammlung seiner Arbeiten, die er der Bibliothek des Königs vermachte, enthält mit allen Varianten nicht weniger als 3200 Blatt. Caylus hat ausser Zeichnungen älterer italienischer Meister auch zahlreiche Werke seiner zeitgenössischen Landsleute mit Geschick faksimiliert, besonders, wie schon erwähnt, Watteaus Skizzen für das von Julienne herausgegebene Werk. Er hat in der „Histoire de Joseph“ aber auch zehn Rembrandt zugeschriebene Studien vervielfältigt. In Mariettes „Traite des pierres gravees“ (1750) und in dem siebenbändigen „Recueil d’anti-quites egyptiens, etrusques, grecques et romains“ (1752-67) hat er die Radierungen nach Zeichnungen von Bouchardon ausgeführt.

Ein ganz anderer Typus als der ernst wissenschaftliche und fleissige Caylus ist der elegante und frivole Diplomat Dominique-Vivant Denon (1747 bis 1825). Bis zur Revolution lebte er in Italien und vergnügte sich, besonders die Damen der Gesellschaft zu porträtieren, Zeichnungen und Gemälde alter Meister zu reproduzieren, Genreszenen und Karikaturen zu radieren. Den Machthabern der Revolution suchte er sich durch historische Darstellungen, wie den „Serment du jeu de paume“ nach David und die „Costumes republicains“ zu empfehlen. Unter Napoleon endlich wurde er Direktor des neugebildeten „Musee Napoleon“. Sein lebhaftes, feines Talent hatte er unter der Leitung von Boucher und Halle und in ihrem Sinne glücklich entwickelt und besonders in der leichten, oft karikierenden Bildnisskizze eine grosse Fertigkeit erlangt. Von seiner grossen technischen Gewandtheit und Vielseitigkeit legen seine zum Teil umfangreichen Reproduktionsstiche Zeugnis ab. Am interessantesten sind seine Genredarstellungen, meist Gelgenheitsbilder von intimer Bedeutung, wie das „Dejeuner de Ferney“ und das humoristische „Lever du philosophe de Ferney“. Die „Ritratti dei piu celebri pittori dipinti da loro stessi esistenti nella Galleria di Firenze“ hat er selber gestochen, für die „Monuments des arts du dessin“ (Paris 1829) sind die Abbildungen nur unter seiner Leitung, zum grössten Teil schon in Lithographie hergestellt worden.

Die streng lineare Grabstichelkunst vertritt die offizielle Monumentalität; die Stecher der Watteauschule reproduzieren die Modekunst der Salons und Boudoirs; das reiche und vielgestaltige Bild der französischen Graphik des XVIII. Jahrhunderts wird nun vervollständigt durch die Buchillustration, die Kunst der Intimität, die nicht für die Schaustellung, sondern ganz für den individuellen Genuss des Einzelnen bestimmt ist. Der Charakter der französischen Buchillustration des XVIII. Jahrhunderts wird nicht in erster Linie durch den Inhalt der zu illustrierenden Werke, die meist schon viel älteren Ursprungs waren, bestimmt, sondern mehr als sonst durch die Anschauungen und den Geschmack der Leser. Die Künstler sind hier nur dienende Geister, ganz vom Publikum und seinen Launen abhängig. Eine grosse, monumentale Kunst haben die neuen Ideen, die eine so gewaltige Umwälzung hervorbringen sollten, nicht geschaffen, aber die zerfallende Gesellschaft des alten Regime hat in einer Kleinkunst von verfeinertem Geschmack der Nachwelt noch ein feenhaftes Bild ihres ganz dem Genüsse gewidmeten Lebens hinterlassen. Es spiegelt sich nirgends so klar und vollständig wie in den Werken der Illustratoren ihrer Lieblingsschriftsteller und ihrer eigenen poetischen Vorstellungen.

Seit den Zeiten der italienischen Frührenaissance gelingt es jetzt zum ersten Male wieder, dem gedruckten Buche eine im höchsten Sinne künstlerische Form zu geben, den Druck des Textes mit dem Schmuck und den Illustrationen harmonisch zu verbinden. Das Papier und seine Abmessungen, die Form der Typen und die Anordnung des Satzes werdem mit grösstem Geschick und feinstem Geschmack den in den Satz oder zwischen die Blätter eingefügten Kupferstichen angepasst. Die zwischen den Text gedruckten Vignetten sind immer leicht und duftig nur in Radierung ausgeführt, während die Vollbilder durch Ueberarbeitung mit dem Grabstichel kräftiger und farbiger gehalten sind. Der ganz gestochene oder mit einer Vignette verzierte Titel, das Bildnis des Autors, die Verzierungen am Anfänge der Kapitel, die „en-tetes“ und die „culs-de-lampe“ am Schlüsse der Absätze weiss man gegenständlich und in den Formen mit dem Texte zu einer reichen und einheitlichen Wirkung zu verbinden. Mehrfach ist man in diesem Streben so weit gegangen, sogar den ganzen Text in Kupfer zu stechen.

Man sieht, dass hier fast mehr das Buch um die Illustrationen herum gedruckt wird, als dass es von ihnen nur geschmückt und illustriert wird. So sind tatsächlich öfters Bilderreihen zu bestimmten Werken der Literatur ohne den Text als selbständige Folgen veröffentlicht worden, die dann erst später von ihren Besitzern in gedruckte Ausgaben des Buches eingefügt wurden. Die Beliebtheit der Illustration war so gross, dass der Erfolg eines Werkes sehr oft mehr von den Kupferstichen als von dem Inhalte des Buches abhing. Die Ausschmückung der Bücher wurde so zu einer buchhändlerischen Notwendigkeit und zu einer Frage von höchster Wichtigkeit für den Autor. Die Schriftsteller, besonders die berühmten oder reichen, gewinnen damit einen starken Einfluss auf die Illustratoren. Ein Mann wie Restif de la Bretonne hat seinem Illustrator Binet oft fast die Hand geführt und dessen Arbeit nach eigenem Geschmack verbessert.

Durch die starke Nachfrage bildet sich die Buchillustration zu einer Spezialität aus. Es sind allerdings auch viele der obengenannten Künstler, die nach Gemälden gestochen haben, für die Illustration tätig, besonders als ausführende Stecher, die vorzüglichsten Meister beschränken sich aber fast ausschliesslich auf dieses Gebiet. Fast alle sind ursprünglich Stecher oder technisch gebildet, die geistvollsten werden aber durch ihr Talent und durch Ueberhäufung mit Arbeit bald dazu veranlasst, sich auf die Anfertigung der Zeichnungen zu beschränken und die stecherische Ausführung anderen zu überlassen. Da die Zeichner also meist selber berufsmässige Stecher sind und unmittelbar für den Stich zeichnen, so ist das Verhältnis des Stechers zum erfindenden Künstler hier ein ganz anderes als da, wo es sich um die Reproduktion von Gemälden und anderen monumentalen Kunstwerken handelt. Es kann sich unter diesen günstigen Bedingungen ein ganz einziges, vollkommenes Zusammenarbeiten der Zeichner mit den Stechern entwickeln. Die einzelnen Stecher lernen so vortrefflich sich dem Stil der Vorzeichnungen anzupassen, dass die von verschiedenen Technikern ausgeführten Illustrationen eines Zeichners eine ganz einheitliche Reihe bilden. Es wäre ohne die Bezeichnungen meist sehr schwer, die Arbeiten der einzelnen Stecher auseinanderzuhalten. Die Unterschiede bestehen fast immer nur in der Qualität der Ausführung. Die Eigenart des Zeichners tritt gerade durch diese vorzügliche Wiedergabe bis in alle Details sehr stark hervor. Das gibt den französischen Illustrationen dieser Zeit einen besonderen Reiz und einen hohen künstlerischen Wert vor allen ähnlichen Unternehmungen anderer Zeiten und Länder. Die Kenner und Liebhaber haben hierfür das richtige Verständnis gezeigt, indem sie die Originalzeichnungen der Illustratoren mit Eifer und mit Aufwendung hoher Summen gesammelt und in ihren Exemplaren der Bücher den Stichen beigefugt haben.

Die Betrachtung der einzelnen Arbeiten hat deshalb auch in diesem Falle ausnahmsweise nicht den Stechern, sondern den Zeichnern zu folgen. Aus Watteaus und Bouchers Stil entwickelt sich die ganze französische Buchillustration dieser Zeit. Eine Reihe der Künstler, die nur als Techniker an den Buchillustrationen beteiligt sind, haben wir schon als Interpreten Watteaus kennen gelernt. Die Namen Benoit Audrans, Laurent Cars’, Jacques Philippe Lebas’, Tardieus, Avelines, Scotins, Lepicies und anderer Watteaustecher finden wir sehr häufig unter den Buchillustrationen wieder, für die sie ihren Stil mit grossem Geschick und feinem Gefühl zu verniedlichen und zu glätten verstehen. Aus Lebas’ trefflicher Schule gehen die meisten Stecher der jüngeren Generation hervor, ausser den Meistern, die wir als Zeichner näher zu betrachten haben werden, Techniker ersten Ranges wie Le Mire, De Longeuil, De Launay, Ponce, De Ghendt, Masquelier, Aliamet, Cathelin, Helman und andere mehr.

Ihre Technik besteht in einer sehr glücklichen Verbindung von Radierung mit zarter Grabstichelarbeit. Die freie Leichtigkeit der Radierung wissen sie auch bei der zierlichsten und schärfsten Durchbildung der Details mit dem Grabstichel meisterhaft zu bewahren und den Ton des Ganzen wundervoll einheitlich und doch farbig pikant abzustimmen. Die Meisterschaft der besten Stecher beruht, abgesehen von der Schärfe und Exaktheit der Zeichnung und der Sicherheit der Strichführung, in der malerischen Ausnutzung des hellen Papiertones, von dem sie bei der Bildung der Töne augenscheinlich ausgehen, im Gegensätze zu den Grabstichelmeistern, die die ganze Fläche mit einem Netze gleichmässiger Linien überspinnen. Fleichtöne werden nur ganz leicht mit feinen Punkten modelliert, die Stoffe wirkungsvoll durch schärfere Gegensätze charakterisiert und belebt, immer so, dass das Licht überall vorherrscht. Die Formen in den Halbschatten der Hintergründe sind ohne Umrisse nur mit feinen, langen Schraffierungen duftig angedeutet. Die Taillengruppen sind in sich sehr regelmässig und sorgfältig gebildet, um die zarte Glätte zu bewahren, aber von grösster Mannigfaltigkeit und ganz frei gegeneinandergestellt, so dass der Stichel den Formen bis in alle Einzelheiten accentuierend folgen kann.

Leicht und gern übersieht man in dieser entzückenden Entfaltung von Sonnenlicht und Lebenslust, wie bei einem liebenswürdigen Menschen, die Schwächen dieser Kunst. Sie hat neben enthusiastischen Bewunderern schon unter den Zeitgenossen herbe Tadler gefunden. Wir werden an diese anmutigen, heiteren Schöpfungen leichtlebiger Künstler nicht den Massstab der Monumentalität legen wollen, uns durch den Mangel an Logik und Individualisierung in der Darstellung und in der Formenbildung die Freude an der sorglosen Heiterkeit und Grazie dieser lebens- und liebeslustigen Menschen nicht trüben lassen. Wo sie nicht ernst oder gar pathetisch zu werden brauchen, sind sie immer unterhaltend und natürlich, immer geschmackvoll auch da, wo sie im Liebesverkehr über die Grenzen des Erlaubten hinausgehen. Vor allem aber liegt eine Fülle von feinen, humorvollen Beobachtungen der Menschen und ihrer Gewohnheiten in diesen kleinen Bildchen, der Reiz frisch pulsierenden Lebens und der Freude am Lebensgenuss.

Gegenüber den früheren, zumeist recht schwerfälligen und dürftigen Arbeiten, die der Kupferstich als Nachfolger des fast ganz aus der Mode gekommenen Holzschnittes hervorgebracht hatte, ist die französische Buchillustration des XVIII. Jahrhunderts eine ihrem Wesen nach neue Kunst. Claude Gillot (1673 —1722), der schon oben gerühmte Lehrer und Vorläufer Watteaus kann als ihr ältester Vertreter angesehen werden. Seit Callot ist er der erste, der wieder einmal frisch in das Menschenleben hineingreift. Seine Anregung empfängt er vom Theater und dem Bühnenleben. Die „Scenes comi-ques“, die „Scenes tragiques“, die „Nouveaux dessins d’habillements ä l’usage des balets“ hat er von Huquier, Scotin und Joullain stechen lassen, auch Caylus hat einige seiner Zeichnungen radiert. Sieben Bilder zu Boileaus Werken (1713) sind von Scotin und Duflos ausgeführt. Eine Reihe höchst frei und leicht gezeichneter Ornamententwürfe für Klavierdeckel und für Hochfüllungen hat er zum Teil selber mit grosser Frische gestochen. Gillots Hauptwerk sind aber die Bilder zu den Fabeln des La Motte (1719). Besonders die von ihm selber radierten Darstellungen (s. Abb.) sind in ihrer heiteren Unbefangenheit, ihrem familiären Ton, in ihrer unlinearen, durch Flecken von Licht und Schatten prickelnd wirkenden Manier durchaus eine Neuheit. Statt der präzisen Schärfe des Callotstils, der noch über Le Clerc hinaus bis auf Bernard Picart nachwirkt, oder der weitlinigen, matten Technik der Audranschule, die sonst die Illustration beherrscht, begegnet uns hier zum ersten Male die reizvoll unsystematische Tonbehandlung der Watteauschule in der Buchillustration. Gillots Figuren und seine Technik sind oft so ganz Watteauisch, dass man fast auf den Gedanken kommen könnte, er habe diese neue Art der Formengebung und Belichtung erst seinem talentvollen Schüler abgesehen. Gillot soll auch erst nach seiner Trennung von Watteau sich dem Kupferstich ganz gewidmet haben. Seine Bacchanale stehen in ihrer trockenen, linear flachen Technik jedenfalls zu den pikanten Fabelbildern in einem merkwürdigen Gegensätze. Ist Watteau aber, wie man gewöhnlich annimmt, wirklich nur der Empfangende gewesen, dann hat ihm allerdings sein Lehrer viel vorweggenommen.

Für die Fabeln des La Motte haben ausser Gillot noch einige andere Künstler Illustrationen geliefert, unter denen Coypel und Picart eine besondere Erwähnung verdienen. Die Bilder Charles Antoine Coypels (1694 bis 1752) sind entschieden viel unmoderner und akademischer als die Giilots, sowohl die für die Fabeln als auch seine 24 Szenen aus dem Don Quixotte, die mit Hinzufügung einiger Kompositionen von Boucher, Picart, Cochin und anderen (1723 — 1724 herausgegeben wurden. Coypel hatte die Darstellungen vorher im Schlosse zu Compiegne als Gemälde ausgeführt, sie sind also eigentlich nicht mit Rücksicht auf den bestimmten Zweck komponiert. Darauf beruht aber gerade der Reiz der späteren französischen Illustrationen seit Gillot. Nach Coypels Zeichnungen wurden dann noch einige Szenen aus Molieres Lustspielen für die Ausgabe von 1716 und Bilder zu Fenelons Telemaque 1730 von Stechern der Watteauschule gestochen. Coypel hat auch sonst noch manches einzelne, Titel, cn-tetes und dergleichen für Bücher gezeichnet, unter anderem aus Gefälligkeit für Moncrifs „Chats“ (1727) humorvolle Figuren, die von Caylus radiert wurden. Er hat auch seinem Schüler, dem Prinzen Philipp von Orleans, bei seinen Illustrationen zu Longus Daphnis und Chloe (1718), die ebenfalls von Caylus ausgeführt wurden, helfend zur Seite gestanden.

Bernard Picart (1673 —1733), der hauptsächlich in Amsterdam tätig war und dort zahlreiche Schüler gebildet hat, behauptet mehr durch die Masse seiner Illustrationen, die er zum Teil selber sehr glatt und sauber gestochen hat, als durch ihre künstlerische Qualität seinen Platz unter den berühmten Illustratoren. Er bleibt der trockenen Manier seines Lehrers Sebastian Le Clerc treu und vermag sich nur selten in den leichten, zierlichen Stil des Rokoko hinein zu finden. Doch hat er häufig an der Seite der besten Meister an vorzüglichen Werken mitarbeiten dürfen. Von den Künstlern der älteren Generation hat nur der schon erwähnte Tiermaler Jean Baptiste Oudry (1686—1755) in seinen Figuren zu Lafontaines Fabeln, die 1729—34. gezeichnet, aber erst 1755 — 59 gestochen und herausgegeben wurden, und in seiner „Suite de figures pour le roman comique de Scarron“ Arbeiten von bleibendem Werte geschaffen.

In den Kreis der eigentlichen Vertreter der Rokoko-Buchausstattung uns einzuführen, ist kein Künstler so berufen wie Franpois Boucher, der mit seinem kecken Pinsel und mit seiner noch indiskreteren Feder alle Geheimnisse weiblicher Reize im freien Spiel ihrer Kräfte mit Lust in tausend Wendungen dargestellt hat. Als Radierer haben wir den vielseitigen und lebhaften Künstler schon kennen gelernt. Zeichnungen für Bücher fertigte er nur gelegentlich, nebenbei — wie eigentlich alles was er schafft. Trotz ihrem Mangel an individueller Formdurchbildung, trotz ihrer Manieriertheit gehören Bouchers Arbeiten künstlerisch doch zu den bedeutendsten dieser Gattung. Die Eigenart seines leichtschaffenden Talentes triumphiert auch hier über die Meister der Routine und Finesse und wirkt typbildend auf seine Mitarbeiter und Nachfolger. In seinem Hauptwerke, den 33 Bildern zu Molieres Werken (173g), die Laurent Cars in hellem, duftigem Ton meisterhaft gestochen hat, ist er noch zu sehr Maler. Die Dimensionen der Bilder und der Figuren sind zu gross und für Illustrationen zu bildmässig schwer, als Kompositionen sind sie aber höchst geistreich und belustigend. Dem Miniaturstil der Buchillustration lernt er jedoch schnell sich anpassen. An der berühmten Bilderfolge zu Lafontaines Contes, der sogenannten „Suite de Larmessin“, der die stecherische Ausführung leitete, hat er neben Lancret, Pater, Eisen, Vleughels und anderen mitgearbeitet und auch für den Boccaccio von 1757 und für eine Reihe anderer Werke einige Zeichnungen, Titelblätter, fleurons und auch Textbilder geliefert. Besonders hervorragend ist sein Anteil an den Illustrationen der bekannten Ausgabe von Ovids Metamorphosen von 1767— 71. Unter den Bildern, an denen die ersten unter den Illustratoren von Beruf wie Eisen, Gravelot, Moreau und andere beteiligt sind, bewahren seine Kompositionen allein malerischen Charakter und Individualität. Seinen Stil mit den elastischen Druckern, die plastische Freiheit der schwellenden Formen des Nackten, die voluptuöse Koketterie ihrer Bewegungen bringen Stecher wie Augustin de St. Aubin und Le Mire trefflich zur Geltung.

Von Bouchers oberflächlicher aber effektvoller Zeichenmanier haben die geschickten Illustratoren alle zu lernen gewusst, am meisten sein Schüler Hubert Francois Gravelot (1 dpp—1773), der 15 Jahre lang in England tätig gewesen ist 1732—47 Er ist der erste Meister der Vignette, der leichten Schlussverzierung (cul-de-lampe), in der er geistreich durch Gegenstände oder Puttengruppen auf den Inhalt des vorhergehenden Abschnittes anzuspielen weiss. Sein Hauptwerk sind die zum grössten Teil von ihm herrührenden Illustrationen und Vignetten zu Boccaccios Decamerone (1757 s. Abb.), die von den besten Stechern wie Aliamet, Flipart, Le Mire, St. Aubin und irdieu ausgeführt wurden. Sie sind ganz in Watteaus Manier mit reizender Frische und Anmut wie aquarellierte Federzeichnungen ausgearbeitet. Von den zahlreichen anderen Arbeiten Gravelots seien nur einige aufgeführt. In England entstanden die Bilder zu Shakespeare (1744—4d), schon in Paris die zu Fieldings Tom Jones (1750) und zum Terenz (1753). Nach dem Boccaccio die Illustrationen zu Rousseaus Nouvelle Heloise (1761), zum Corneille (1764), zu Marmontels Contes moraux (1765), zu Voltaire (1768) und zu Tassos Jerusalem delivre’e (1771).

Als Stecher begann Charles Nicolas Cochin (1735 —1760), der jüngste Spross einer alten Kupferstecherfamilie, ein Schüler Le Bas’, seine Laufbahn; erst später wurde er durch Ueberhäufung mit Arbeit und durch Gesundheitsrücksichten gezwungen, sich auf die Zeichnung zu beschränken. Cochin, der auch schriftstellerisch sehr gewandt war, ist einer der feinsten und geistvollsten Künstler dieser Gruppe und vielleicht der vorzüglichste Zeichner unter ihnen. Seine erste selbständige Arbeit ist die Adresse des Juweliers Stra (1735), eine jener appetitlichen, lockenden Empfehlungskarten, wie man sie nur damals “fcu machen verstand. Sein umfangreiches Werk ist ein glänzendes Zeugnis für seinen Reichtum an Erfindung und für die Gediegenheit seiner Arbeit. Ausser zahlreichen Hoffestlichkeiten, Skizzen aus dem Pariser Leben, Titelblättern und dergleichen hat er die Vignetten und Verzierungen für die 1743 gedruckte Ausgabe von Lafontaines Contes, einige Bilder für den Boccaccio von 1757, andere für Ariosts Orlando von 1773 und 1775 — 83, für verschiedene Ausgaben des Tele’maque, für den Tasso von 1784 gezeichnet, die Vignetten und culs-de-lampe für den Rousseau von 1743 gezeichnet und gestochen. Cochin hat auch an der Serie der „Ports de France“ und an vielen anderen ähnlichen Unternehmungen mitgearbeitet und hatte die delikate Aufgabe, die Radierungen der Marquise von Pompadour zu Corneille nach Bouchers Zeichnungen (1760) zu retuschieren.

Charles Eisen (1720—1778), ein Landsmann Watteaus, und Jean Michel Moreau le jeune (1741 —1814) sind die berühmtesten und auch die typischen Vertreter der französischen Buchillustration des XVIII. Jahrhunderts. Eisen führt seine Zeichnungen äusserst fein und scharf mit dem spitzen Stift aus und gibt seinen Bildern einen gleichmässigen, dunkleren Ton. Seine Hauptwerke sind die Illustrationen für die sogenannte „edition des fermiers generaux“ von Lafontaines Contes (1762 s. Abb.) und für die Baisers von Dorat (1770), die zu den geschätztesten und gesuchtesten Büchern dieser Zeit gehören. Viel reizvoller und malerischer als die etwas zu scharfen und zu glatten Bilder Eisens sind die Arbeiten Moreaus, vor allem diejenigen, die er selber radiert hat. Besonders in den

Figuren und Ornamenten im Moliere (1773) und in den entzückend zarten Radierungen des ersten Bandes von Benjamin de Labordes „Choix de Chansons“ (1773, s. Abb.) kommt er Gravelot und selbst Boucher oft ganz nahe. Moreau hat die Werke Rousseaus (1774—83) im Verein mit J. J. Francois Lebarbier, die Ausgabe der Werke Voltaires von 1787 — 89 und andere Bücher illustriert und an einigen der schon erwähnten mitgearbeitet. Eine Reihe von Ereignissen der Revolution, wie die „Assemblee des notables“ (1787), die „Ouvertüre des etats-gcneraux“ (1789) hat er in lebendigen Bildern festgehalten. Unter seinen Sittenschilderungen könnte man die zwei Folgen von je zwölf Darstellungen aus dem Leben der vornehmen Welt sehr wohl als Illustrationen ohne Text bezeichnen. Er setzte damit die „Suite des estampes pour servir a Phistoire des moeurs et des costumes des fran^ais dans le XVIIIe siede“, die der Schweizer Sigismund Freudeberg 1774 begonnen hatte, fort. In diesem „Monument du costume“, wie man die Reihe pikanter Szenen in charakteristischer Ueberschätzung nannte, vermisst man Watteaus Poesie ebenso wie ein tieferes Gefühl für Wahrheit. Es bleibt bei einer höchst anschaulichen und lebendigen, aber doch kalten, schönfärbenden Schilderung des Aeusserlichen. An Eleganz und Delikatesse der Zeichnung und des Stiches suchen diese Blätter aber ihresgleichen, sowohl die zwölf Bilder von Freudeberg, die von Duclos, Romanet, Voyez, Ingouf und anderen ausgeführt sind, als auch die Moreauschen von Helman, Martini, Baqoy, Guttenberg und anderen gestochenen Darstellungen.

Ein Künstler ersten Ranges auf seinem beschränkten Gebiete der ornamentalen Vignette ist Pierre Philippe Choffard (1730—1809). Als Stecher von Illustrationsbildern anderer Zeichner tritt er aus der grossen Zahl vortrefflicher Techniker nicht hervor. Seine Vignetten zum Ovid von 1767 bis 1771 (s. Abb. S. 4<57), seine culs-de-lampe in der Fermiers-Ausgabe von Lafontaines Contes (17622), seine fleurons für die „Histoire de la maison de Bourbon“ wie seine Bildnisumrahmungen und Verzierungen von Einladungskarten und Adressen, die er fast alle selber gezeichnet und radiert hat, sind dagegen das Graziöseste und Geschmackvollste, was für solche Zwecke je geschaffen worden ist. Geistreich und humorvoll erfunden und leicht, aber doch farbenreich ausgeführt schmiegen sich diese zarten Vignetten inhaltlich und in der Form mit weiblicher Anmut dem Texte der Bücher an.

Augustin de St. Aubin (1736—1807) hat sich in der ßuchillustration fast ausschliesslich als Stecher nach fremden Zeichnungen betätigt und zwar als einer der feinfühligsten und virtuosesten. Unter seinen zahlreichen Bildnissen meist kleinen Formats hat er eine Anzahl nach seinen eigenen Zeichnungen nach der Natur gestochen. Ein noch grösseres Interesse besitzen für uns seine fein detaillierenden Schilderungen aus dem Leben und Treiben der Gesellschaft seiner Zeit. Nur wenige, wie „Au moins soyez discret“ und „Comptez sur mes serments“, hat er selber gestochen, die hübschesten dieser Darstellungen, das „Concert“ und der „Bai pare“ sind 1773 von Duclos mit allen ihren Pikanterien der Beobachtung und der Formgebung, mit dem ganzen Reiz der feinen Beleuchtung und der delikatesten Tonabstufungen vollendet wiedergegeben worden. Auch Augustins Bruder Gabriel de St. Aubin (1724—1780), der unermüdliehe Zeichner „der mit dem Stift zu sehen schien“, hat einige solcher Szenen aus dem Leben der Zeit, wie die Krönung der Büste Voltaires bei einer Theatervorstellung, die „Nouvelistes du cafe Procope“ und vor allem die „Vue du Salon du Louvre“, die Pariser Kunstausstellung (1753), mit feinster Nadel gestochen.

Neben diesen berühmtesten und hervorragendsten französischen Illustratoren des XVIII. Jahrhunderts ist noch eine ganze Schar anderer Zeichner-Stecher eifrig tätig, von denen wenigstens einige, die jenen ersten Kräften oft nur wenig nachstehen, genannt sein mögen. Charles Monnets (1732 —1816) Hauptwerk ist die „Description abrc’ge des 15 journees de la revolution“. Pierre Clement Mariliier (1740—1808), Fr. Marie Queverdo (1740—1797), Louis Josephe Masquelier (1741 —1811), Nie. Andre Monsiau (1754—1837), Antoine Borei (geb. um 1743), Claude Louis Desrais 1746—1816), Louis Binet 1744— 1800, der Illustrator Restifs de la Bre-tonne, j. J. Francois Lebarbier 1738 —1826), der Illustrator Gessners und andere mehr sind an den hauptsächlichsten Publikationen dieser Art beteiligt gewesen.

Die Revolution haben viele von diesen graziösen Künstlern noch zu überdauern vermocht, sie suchen, freilich meist nur in der Wahl der Gegenstände, den politischen Strömungen zu folgen. Dann aber unter der beginnenden Herrschaft des Klassizismus Davidscher Richtung müssen sie mit ihrer trivolen und eleganten Kunst das Feld räumen. Der Geschmack nimmt eine ganz andere, ernstere und strengere Richtung und ihre Schöpfungen werden nun ebensosehr missachtet wie sie früher gepriesen und gesucht worden waren. Neben den von Jacques Louis David beeinflussten Künstlern wie Francois Gerard, Giraudet und Isabey, zu denen sich auch der schon erwähnte Lebarbier gesellt, ist es Pierre Paul Prudhon (1758—-1823) allein, der etwas von der liebenswürdigen Grazie und Zärtlichkeit der fröhlichen Zeiten in den neuen kalten Stil hinüberrettet. Meist haben Roger, Godefroy oder Copia seine Illustrationen gestochen, z. B. die zu Bernards „L’art d’aimer“ (1797), zu Longus „Daphnis et Chloe“ (1800), zu Bernardin de St. Pierres „Paul et Virginie“ (1806 ; nur wenige Bilder hat er selber radiert.

Aus dem Buch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten aus dem Jahre 1911, Autor Kristeller, Paul, 1863-1931.

Siehe auch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Vorwort, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Die Technik des Bilddruckes, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Das fünfzehnte Jahrhundert – Der Holzschnitt in Deutschland, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Deutschland und in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in Frankreich, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in England, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Holzschnitt in Spanien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Der Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Holzschnitt und Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Holzschnitt in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das sechzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in Frankreich, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in den Niederlanden, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Der Kupferstich in Italien, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Der Kupferstich in Frankreich, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, das siebzehnte Jahrhundert – Kupferstich und Holzschnitt in Deutschland, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Die Schabkunst in Deutschland, in den Niederlanden und in England.


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