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Ehre ist das gemeinsame Ideal von Frau und Mann

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aus dem Kunstmuseum Hamburg

Von der Ehrenhaftigkeit der Frau sprechen unsere Quellen genau so wie von der des Mannes. Wichtig ist, daß sie auch das gleiche Wort für die Frau mit Ehrbewußtsein wie für den Mann gebrauchen, also auch hier keinen Wesensunterschied zwischen Mannesehre und Frauenehre machen. Mit dem „drengr godr“, dem „Ehrenmenschen“ (eigentlich aufrechter, ehrhewußter Kerl) des alten Nordens, werden Mann wie Weib bezeichnet. Wir finden die Wurzeln des drengr-godr-Ideals in einer tieferen Schicht als in der Steigerung sogenannter „männlicher Eigenschaften“. Vor allem aber scheint uns auch das wichtig, daß dieses Ideal der Ehrenhaftigkeit, das Im-Besitz-der-Ehre-Sein und sie stets beweisen, als Forderung für beide Geschlechter gestellt, in beiden auch seine Erfüllung findet und von beiden entwickelt worden ist. Uns, die wir bemüht sind, aus unserem Sprachgebrauch wie aus unserem Denken solch artfremde, alle Lebenserscheinungen nach „männlich“ oder „weiblich“ einordnenden Etikette zu entfernen, scheint die Formulierung dieser Auslegung zumindest gefährlich. Wir glauben, einmal Ernst machen und mit jener Auffassung aufräumen zu müssen, die alle Tapferkeit, Disziplin, Zucht und Ehre als „männliche“ Tugenden anspricht. Auf solch einen Gesichtswinkel hat uns allein westisches und orientalisches Denken beschränkt. Germanische Frühgeschichte aber zeigt, daß die germanischen Bäuerinnen von demselben Mut, der gleichen Tapferkeit, Freiheitsliebe, Selbstzucht durchglüht sind wie ihre Männer, daß auch sie in jedem Augenblick bereit sind, für solche Werte das Leben einzusetzen.

Nicht nur die Frauen der Kimbern und Teutonen, Ambrorer und Tipuriner, deren furchtloser Tapferkeit im Römerkrieg, wilder Freiheitsliebe und heißem Ehrgefühl für immer und sogar von Feindeshand ein glänzendes Denkmal gesetzt ist, haben Beweise dieser ihrer „männlichen“ Eigenschaften abgelegt, sondern auch diejenigen germanischen Bäuerinnen, deren Leben nicht so im Lichtkreis politischer Großereignisse stand; auch sie waren allein schon durch die Art des Lebens, den losen Verband der Gemeinschaft, die keinen allgemeinen Frieden kannte und die Sippe auf ihre eigene Kraft verwies, gezwungen, für die Sippe stark und tapfer zu denken und zu handeln. Sie mußten ihre eigenen Wünsche dem Wohl der Sippe nachstellen, sich selbst in Zucht halten. Wir wagen daher nicht, den Geist der Tapferkeit und Zucht, den Geist der Ehrhaftigkeit, als männlich oder weiblich zu bezeichnen, da wir ihn in beiden Geschlechtern gleich stark leben sehen. Wir wagen auch nicht, unseren Vormüttern den unverdienten Schimpf anzutun, sie unweiblich zu heißen, da sie „männliche“ Tugenden zeigten. Wir können aber auch nicht solchen Auslegungen folgen, die den drengr-godr-Geist allein dem Manne zuschreiben wollen. Allein schon aus der Kenntnis germanischer Weltschau, Gemeinschaftordnung, Persönlichkeitswert, die nicht an das Geschlecht gebunden ist, kann es nicht wundernehmen, wenn immer wieder neben den für die Ehre sterbenden Männern germanische Bäuerinnen hervortreten, die vom gleichen Ehrbewußtsein erfüllt sind. Es ist selbstverständlich, daß ein Volk, das seinen Frauen etwas „Heiliges und Ahnungsvolles“ zuspricht, ihnen nicht dasjenige aberkennen kann, das in germanischen Augen überhaupt erst zum Vollmenschen macht, die Ehre. Wichtig dagegen seheint es uns, daß im I.aufe der Entwirklung eine orientalische Weltanschauung allmählich die germanische Art der Ehre der Frau totschweigt oder ihr einen anderen Inhalt unterschiebt. Frauenehre wird orientalischem Lebensgefiihl gemäß — einzig und allein eine physisch-sexuelle Angelegenheit, und schließlich versteht man darunter nur noch die körperliche Jungfräulichkeit und Unberührtheit. Begriffe werden hier vertauscht.

Siehe auch:
Die Ehre der germanischen Frau
Im Muttertum liegt die höchste Ehre der Frau
Ebenbürtigkeit in der germanischen Ehe
In bäuerlicher Gesittung lebt die germanische Ehrauffassung weiter
Leitgedanken


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