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Blinde Arbeiter in der Österreichischen Industrie

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aus dem Kunstmuseum Hamburg

Motto:

Eine Gabe nur allein
löst des Blinden Dunkel nicht;
erst sein Teil am Menschensein
bringt ihm durch die Arbeit-Licht!

Darum führt ihn in das Land
segensreicher Arbeit ein,
gönnt ihm, frei durch Kopf und Hand,
Werker, Kämpfer, Mensch zu sein!

Wie es zur Beschäftigung Blinder in der österreichischen Industrie kam.

Die Möglichkeit, Blinde in Industriebetrieben bestimmte Teilarbeiten verrichten zu lassen, war den Fachleuten schon vor dem Weltkrieg klar, doch wurde dieselbe erst durch den im Weltkriege eintretenden Arbeitermangel zur Tatsache. Auf welche Weise es dem Direktor der Kleinbauwerke Siemens-Schuckert in Siemensstadt bei Berlin, Ing. Paul Perls mit Hilfe von Blindenfachleuten, allen voran Studiendirektor E. Niepel, gelungen ist, die Blinden an diesen Platz zu stellen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, mit Hilfe der Technik die Arbeit von Sehenden verrichten zu können, ist heute bereits in der ganzen Welt durch die verschiedensten Veröffentlichungen bekannt.

Auch für Österreich war Dir. Perls der Anreger in dieser Richtung, denn seiner Vermittlung ist es zu danken, daß bei den öst. Siemens-Schuckertwerken in Wien im Jahre 1922 der erste Blinde an eine Maschine gestellt wurde. Über die aufsehenerregende Tat berichteten damals die Tagesblätter folgendermaßen:

Am Osterdienstag hatten sich über Einladung der Direktion der Siemens-Schuckertwerke in Wien XX. Vertreter des „Zentralvereines für das öst. Blindenwesen“, der Bundesministerien für soziale Verwaltung sowie für Handel und Gewerbe und der Tabakregie daselbst eingefunden, um den im Werke beschäftigten blinden Arbeiter Wicke bei seinem Wirken zu beobachten. Es ist der erste Fall in Österreich, daß ein Blinder im Fabriksbetriebe tätig ist und, das sei gleich gesagt, der Griff nach ihm hat sich außerordentlich bewährt. Herr Wicke fand sich unter der persönlichen Anleitung des Herrn Ing. Soloman, der keine Mühe der individualistischen Arbeitseinführung scheute, überraschend schnell in seine Tätigkeit, der Montage von Fassungen, bestehend aus vier Einzelteilen mittelst maschinell betätigten Schraubenziehers. Geringe Änderungen ermöglichen ihm die Betreuung einer Maschine, die, entsprechend geschützt, ihm vollkommen ungefährlich ist Genaue Aufzeichnungen über seine Arbeitsleistung zeigen, daß er bereits nach wenigen Wochen die Arbeitsleistung seiner sehenden Arbeitsgenossen erreichte. Alle Teilnehmer konnten den Eindruck mit nach Hause nehmen, daß nunmehr für die Einstellung Blinder in Fabriksbetriebe auch in Österreich das Eis gebrochen sein dürfte und selbst die größten Skeptiker in dieser Hinsicht eines Besseren belehrt sein müssen. Sind doch in den Berliner Siemens-Schuckertwerken Dank der bahnbrechenden Tätigkeit des Direktors Perls nahezu 100 Blinde eingestellt.

Für den gewaltigen Schritt nach vorwärts in unserem heimischen Blindenwesen verdienen besonderen Dank Direktor Schiller und Ing. Soloman, sowie die Arbeiterschaft der Siemens-Schuckert-werke, die mit lehaftern Interesse und gebührender Teilnahme auf die diesbezüglichen Intentionen der Werksleitung eingeht. Schon in nächster Zeit sollen weitere Einstellungen von Blinden in den Siemens-Schuckertwerken erfolgen und es ist anzunehmen, daß diesem leuchtenden Beispiele nunmehr auch andere Werke, vor allem unsere Staatsbetriebe folgen werden.

Tatsächlich folgte dem ersten Blinden in den Siemens-Schuckertwerken bald ein zweiter. In viel weitergehender Weise nahm sich aber auch das Schwesterwerk Siemens-Halske der Sache an, indem es im folgenden Jahre gleich mit mehreren Blinden Versuche machte, so daß es im Laufe der nächsten zwei Jahre zur Einstellung von 10 Blinden kam. Hier nahm sich Betriebsleiter Ing. A. Frey in warmherzigster Weise der blinden Arbeiter an.

Glücklicher Weise war es auch gelungen, bei der Erneuerung des Gesetzes über Einstellung und Beschäftigung Kriegsbeschädigter (Invalidenbeschäftigungsgesetz) den blinden Arbeitern die Begünstigung zu schaden, daß auch sie seither auf die Zahl der Kriegsbeschädigten angerechnet werden können.

Die Einstellungen Blinder begegneten dem warmen Interesse des „Bundesministeriums für soziale Verwaltung“, in welchem damals eine eigene „Blindenfürsorgekommission“ bestand und der „Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie“, die, allerdings noch vergeblich, durch besondere Mitteilung in ihrem Organe die Aufmerksamkeit der gewerblichen rnternehmungen auf diese wichtige Fürsorgeangelegenheit zu lenken suchte.

Das im Siemens-Halskewerke gezeigte Entgegenkommen aber fand eine erste öffentliche Anerkennung, als im November 192ö eine Abordnung des „Zentralvereines für das österr Blindenwesen“ im Betriebe erschien und nach einer Ansprache ihrer Führers. Reg.-Kat Bürklen, dem Dir. Dr. Ernst Kraus und dem Betriebsleiter Ob.-Ing. Frey ein Diplom überreichte, welches die angeführte Tatsache in sinnigen Worten festhält. Bundesminister Dr. Resch, welcher der seltenen, aber höchst eindruckvollen Feier beiwohnte, anerkannte in warmen Worten das große Verdienst, welches der Betrieb sich in sozialer Hinsicht um die Blinden erworben habe. Arbeiter Lodin dankte im Namen seiner blinden Arbeitsgenossen. besonders auch den Herren der Direktion, welche sich der eingestellten Blinden in der liebevollsten Weise annehmen. Auch Aussehußinitglied Prof. Krtsmary schloß sich im Namen seiner Schicksalsgenossen diesem Danke an. Dir. Dr. Kraus erwiderte auf die anerkennenden Worte, welche dem Betriebe durch die Redner zuteil wurden, und hob hervor, daß auch in anderen Unternehmungen die Einstellung Blinder möglich und wünschenswert wäre und die Firma Siemens-Halske gerne bereit sei, diesbezüglich an sich bereit findende Unternehmungen Anleitungen in technischer Beziehung zu geben. Über Einladung der Direktion begab sich der Minister dann in den Betrieb, um die blinden Arbeiter an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen.

Damals faßte der Bundesminister Dr. Resch den Entschluß, jene leitenden Persönlichkeiten des Betriebes, denen vor allem diese soziale Tat zu danken ist, für eine öffentliche Auszeichnung vorzuschlagen. Am 1. Dezember 1927 erschien er nun abermals an dieser Stätte, um den Direktor der Siemens-Halskewerke Dir. Dr. W. Kraus das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und dem Betriebsleiter Ob.-Ing. A. Frey das goldene Verdienstzeichen in feierlicher Weise zu überreichen. In einer herzlichen Ansprache kennzeichnete der Bundesminister die wahrhaft befreiende Tat, welche durch beide Herren auf dem Gebiete unserer Blindenfürsorge geleistet wurde, beglückwünschte dieselben und bat sie, auch in der Zukunft auf dem betretenen Wege weiterzuschreiten. Reg.-Rat Bürklen brachte im Namen der Blinden und Blindenfreunde die herzlichsten Glückwünsche zum Ausdrucke und übermittelte den beiden Herren die Ernennung zu „Ehrenmitgliedern“ des „Zentralvereines für das öst. Blinden wesen“, dessen Bitten und Vorstellungen für die Einstellung in den Betrieb der Firma Siemens-Halske von Seite der ersteren seinerzeit ein wohlwollendes Gehör geschenkt wurde.

Mit Unterstützung der fachkundigen Herren Ing. Solom a n n und Frey und die unermüdliche Tätigkeit des blinden Herrn Lodin gelang es seitdem, auch bei folgenden Unternehmungen blinde Arbeiter zur Aufnahme und Beschäftigung zu bringen:

Radiowerk Schrack,
Metallwarenfabrik Langfelder & Putzker,
Radiowerk Leopolder & Sohn,
Österr. Telefonfabrik A.-G und Optische .Werke G. Reichert.
„Erricson“ Österr. Elektrizitäts-A.-G.

Wir haben damit die Anfänge einer Bewegung gekennzeichnet, die unseren Blinden eine bessere Zukunft erschließen soll. Wir zweifeln nicht, daß zu den bisherigen hochherzigen Mithelfern in unserer österr. Industrie sich neue finden werden, um das segensreich begonnene Werk zu einem vollen Siege über die heutige Not unserer Blinden zu führen. Die nachstehenden Ausführungen sollen hiezu die notwendigen Hinweise bieten.

Ist die Beschäftigung Blinder in Industriebetrieben möglich?

Darüber wäre nach den gemachten Erfahrungen kaum mehr ein Wort zu verlieren. Dennoch möchten wir darauf verweisen, daß vor kaum mehr als 100 Jahren die Verwendung Blinder zu einem Berufe überhaupt angezweifelt wurde. Es bedurfte des praktischen Nachweises durch die Blindenerziehung, um der Öffentlichkeit klar zu machen, in welchen manuellen Berufen der Blinde ausgebildet werden könne. Hauptsächlich eigneten sich hiezu die Bürstenbinderei und Korbflechterei, wirkliche Handwerke, bei denen das beim Blinden sich besonders ausbildende Tastgefühl eine besondere Rolle spielt. Aber auch sonst zeigten viele Blinde mechanisches Geschick, denn, so seltsam dies klingt, fanden sich unter ihnen Uhrmacher, Klavierbauer, ja selbst Bildhauer, welche ihre Leistungen sehen lassen konnten. Blinde Mädchen machten sich mit der Strickmaschine vertraut und arbeiteten an derselben.

Die moderne Industriearbeit bietet nun eine Menge Teilarbeiten. die der Blinde mit seinem verfeinerten Tastsinn ebenso, wenn nicht besser und rascher als der Sehende, zu leisten vermag. Namentlich in der Metallindustrie , dann aber auch in der Nahrungsmittelindustrie, in der Textil-, Papier- und Holzindustrie wie in der chemischen und graphischen Industrie gibt es Arbeits-mögliehkeiten für blinde Männer und Frauen. In der Zeit nach dem Kriege wurden über 200 solche Beschäftigungen fachgemäß überprüft und als für Blinde möglich und lohnend befunden. Selbst die Arbeit an den Maschinen konnte den Blinden eventuell bei Anbringung entsprechender Schutzvorrichtungen zugänglich gemacht werden und die Erfahrung zeigte, daß der Blinde nicht nur die Arbeit an der Maschine zu leisten vermag, sondern in Folge seiner besonderen Vorsicht weniger der Gefahr von Verletzungen ausgesetzt ist als der sehende Arbeiter. So sehr auch der Gedanke. Blinde an eine Maschine zu stellen, manchen noch zu verblüffen vermag, heute kann kein Zweifel mehr bestehen, daß er unter bestimmten Bedingungen auch diesen Platz vollkommen auszufüllen vermag.

Warum gerade diese Art der Blindenfürsorge?

In der Bürstenbinderei-, Korb- und Sesselflechterei sowie in den weiblichen Handarbeiten hatten sich in der Vorkriegszeit geradezu typische Blindenberufe entwickelt, welche vielen Blinden ein bescheidenes Fortkommen ermöglichten. Die fortschreitende Industrialisierung bringt aber eine immer weitergehende Einengung dieser Berufe mit sich, gegen welche man auch durch Vergemeinschaftung der Blindenarbeitsstätten nicht mehr erfolgreich genug anzukämpfen vermag. Die Folge davon ist die Unrentabilität der Blindenhandarbeit. Aus diesem Grunde erhellt das Bestreben der sozialen Fürsorgestellen im Suchen nach neuen Blindenberufen. Insbesondere zeigt die Fabriksarbeit durch ihre Sozialisierung die Möglichkeit, Blinde, deren Tastsinn entsprechend geschult ist, nach einer verhältnismäßig kurzen Anlernzeit umzuschulen und ihnen Verdienst zu schaffen, während alle anderen Berufsmöglichkeiten einen viel höheren Aufwand erfordern, und ihnen infolge des Gebrechens ganz verschlossen bleiben.

Was bei der Einstellung von blinden Arbeitern aber von ganz besonderem Werte ist, daß damit dein Blinden eine freie, selbständige Existenz geschaffen ist, in der er sich ebenso wie der sehende Arbeitskollege betätigen kann und der Blindenfürsorge nicht mehr im gleichen Maße bedarf wie sonst.

Die Blindenbeschäftigung in der Industrie stellt also nicht nur eine empfehlenswerte, sondern im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung erstrebenswerte Form der modernen Blindenfürsorge dar, da sie unter den gegebenen Verhältnissen neben der Schaffung freier Blindenberufe für eine größere Zahl von Blinden die beste soziale Lösung zur Eingliederung der Gesichtslosen in die arbeitende Gesellschaft bedeutet.

Die Wirkung der industriellen Beschäftigung auf den blinden Arbeiter.

Mit Ausnahme jener Blinden, welche sich in freien Berufen ein selbständiges Fortkommen zu verschaffen wissen, haftet den heute noch notwendigen Methoden der Blindenhilfe (Unterbringung in Versorgungs- und Beschäftigungsanstalten) das Moment zwangsweiser Einordnung an, das viele Blinde schmerzlich empfinden. Mit der Beschäftigung in Industriebetrieben ist der blinde dem sehenden Arbeiter, soweit er eben leistungsfähig ist, gleichgestellt und vermag sein Leben sonst vollkommen frei zu gestalten. Das besitzt für ihn hohe moralische Bedeutung. Er steht nicht mehr unter dem Zwange, Wohltaten annehmen zu müssen, sondern empfängt die Entlohnung für geleistete Arbeit und fühlt sich damit als arbeitstätiges, sich selbst erhaltendes Mitglied der Volksgemeinschaft. Immer wieder wird daher durch die eingestellten Blinden zum Ausdruck gebracht, daß sie sich in ihrer Lage äußerst glücklich fühlen und alles daran setzen wollen, ihren Arbeitsplatz, dem sie ein bescheidenes aber freies Leben verdanken, zu erhalten.

Arbeitsmöglichkeiten für Blinde in der Industrie.

Metallindustrie.

Abschneiden von Drahtenden durch Fußhebelpresse.
Abwägen von Einzelteilen.
Abschneiden von Stahlstangen zu kleinen Stücken für die Kugelfabrikation.
Abtrennen von Hülsen und Röhren.
Abstechen kleiner Stifte mit Spezialmaschine.
Anbinden von Gegenständen an Draht beim Vernickeln. Ankerwickeln.
Auswaschen blanker Teile vor der Vernickelung.
Auflegen von Schrauben auf durchlochte Platten zwecks Lackierens.
Akustisches Prüfen von Schmelzstöpseln auf richtige Dimensionierung und Stromdurchgang durch Signalgebung.
Aufweiten von kleinen Hülsen.
Arbeiten an der horizontalen und vertikalen Gewindeschneidemaschine.
Arbeiten an der Fräsmaschine und an Bogensägen.
Arbeiten an der Drehbank.
Arbeiten an ein- oder mehrspuligen Bohrmaschinen.
Aufdrücken von Triebrädern (Lauipenfabrikationen).
Biegn und Prägen mittelst Friktions- und Exzenterpresse.
Bedienen (gleichzeitiges) einerhalbautomatischen Drehbank und
Handhebelpresse.
Bedienen zweier halbautomatischer Bohrmaschinen.
Bedienen zweier halbautomatischer Fräsmaschinen..
Bedienen von automatischen Rundschleifmaschinen für Stifte und Rollen.
Biegen von Metallstäben mittelst Vorrichtung.
Durchteilen von Stäben mittelst Stanze.
Durchbrechen von Eßgabelzinken.
Einlegen von Röhrchen in Kästen (Kühlerfabrikation).
Einschrauben von Bolzen in Gewindeteile.
Einpassen von Schraubenmuttern auf Gewinde.
Einpassen von Schiebern in Metallkassetten.
Einzählen gleicher Teile.
Enziehen von Schrauben in Gewindeteile (Maschinarbeit).
Einstecken von Metallteilen inLüsterklemmen und nachträgliches Einziehen von je 2 Schrauben zu gleicher Zeit.
Einziehen von je 3 Schrauben (gleichzeitig) in Schalenhalter (halbautomatisch).
Entgratungsarbeiten mittelst Feil-, Bohr- und Fräsmaschinen. Gewindeprüfung.
Gewindeschneiden.
Herstellen, Zusammensetzen und Prüfen von Blech- und Holzspielwaren.
Isolieren von Ankerrahmen und Ankerstäben
Kleben von Asbestbändern und Aufwickeln derselben auf Rollen.
Klemmleisten montieren.
Kontrollarbeiten.
Kugeln sortieren.
Kugellager abhorchen.
Kugeln einführen.
Längenprüfung und Absägen von Kühlerröhrchen.
Loch- und Prägearbeiten an der Revolverpresse.
Montieren von Telefonschrankklappen.
Metallteile auf Grundplatten befestigen.
Muttern nach feststehender Leere.
Nagelstanzen.
Nietarbeiten an der Handhebelpresse.
Nieten mit der Fußtrittpresse.
Nachziehen vom Stangenmaterial.
Oesen befestigen mittelst Stanze.
Packen von Schmelzstöpseln in Packschachteln, die vorher zusammengefaltet sind.
Polieren von Metallteilen mit Band ohne Ende.
Rahmen lackieren und putzen.
Revisionsarbeiten mit Leeren.
Runden von Zinkblechen in der Batterie- und Elementefabrikation.
Schleifen an einer Schleifscheibe.
Senken von Hülsen auf bestimmte Höhe (Bohrmaschine). Stempeln mittelst Exzenterpresse.
Sortieren verschiedener Teile.
Umschalter montieren.
Verkuppeln von Stiften an der Drehbank.
Verpackungsarbeiten mancherlei Art.
Zusammensetzen von Blechpaketen und Vernieten derselben.
Glühlampenindustrie.
Das Lochen von Glimmersteinplättchen (Maschine).
Glasknöpfe kalibern.
Glasschneiden am Schiebemesser.

Fabrikation von Metallknöpfen.

Ziehen von Metallplättchen.
Ziehen von Oberteilen.
Zusammendrücken von Knöpfen.
Nieten von Knöpfen.
Umbörteln von Knöpfen.
Stanzen und Zählen.

Fabrikation optischer Instrumente.

Austasten von Rohgläsern.
Einschleifen von Stöpseln für Medizinflaschen.
Herstellung von Schmirgelhölzern.
Korkbohren.
Vorschrubben und Einpassen von Linsen.

Porzellanfabrikation.

Kugelforrnen aus Porzellanmasse.
Abzählen, Einwickeln und Verpacken mannigfacher Artikel.
Schleifen von Schaltern, Steckdosen u. a. Fabrikaten. Formen.
Sortieren und Messen von Isolationsmaterial.
Kernmachen.

Steinbearbeitung.

Polieren von Marmor und Serpentinstein.
Fertigen von Sägemehlpatronen.

Ziegelfabrikation.

Eingießen in Formen.

Seifenfabrikation.

Weiten und Runden von Tuben.
Verpacken von Seifen und Waschpulvern.
Bedienung von Seifenpressen und -stanzen.
Flaschenspülen.
Einwickeln und Verpacken von Tabletten, Pillen, kosmetischen Präparaten
und anderen Massenartikeln.
Füllen von Flaschen und Dosen (Putzmittel).

Bonbon-, Keks- und Schokoladenfabrikation.

Einwickeln von Bonbons.
Einwickeln von Schokolade.
Formen von Marzipangebäck (für Halbblinde).
Gruppenarbeiten beim Einpacken verschiedener Fabrikate, insbesondere Schokoladentafeln.
Eintüten und Schließen von Schokoladepulverbeuteln, Verpacken
derselben in Kartons.

Papierfabrikation.

Einlegen von Briefdecken in bestimmter Stückzahl.
Perforieren von Kuverts.
Ausstanzen von Daumenlöchern.
Faltschachteln kniffen und kleben.
Bücher binden und heften.

Kartonagenfabrikation.

Umbiegen von Kartons (Handarbeit).
Beschäftigung an Stanzmaschinen (Eckenabrund- und Zargenschneidemaschine).
Bedienung der Rollschere.
Schnurknüpfen an Kartuschendeckeln.
Deckeln und Schließen von Hülsen.
Falten von Pappschachteln.
Grifflöcher stanzen.
Verschlußklammern anheften.
Heften mit der Maschine.
Bedienung der Ecken- und Abrundemaschine.
Rändern von Schachteln.
Falten und Abzählen in der Kartonagenfabrikation.
Falzen und Auszupfen von Kartonagen.

Tabakindustrie.

Aullösen von Tabakballen.
Falten und Einwickeln von Reklamezetteln.
Fertigen von Zigarren mit der Zigarrenmaschine.
Tabakblätter sortieren.
Zigarettendrehen (Handarbeit).
Einziehen von Strohhalmen in Virginierzigarren.

Schuhfabrikation.

Ausspeilen der Stiefel.
Verknoten von Fäden an Stiefeln.
Zusammenbinden von Absatzteilen.
Schäfte umdrehen zum Kappeneinsteppen.
Umbuggen bezw. Vorrichten der Strippen.
Oesen einsetzen mit Handapparat.
Prüfen von Schnürbändern auf Länge und Festigkeit.
Schaftrieme aufkleben. Kleben und Buggen von Schaftvorderteilen.
Absatz pressen mittelst Handpresse.
Einziehen von Schnürbändern.
Anfertigung von Schuhriemen aus Abfalleder.
Kleben der Absätze von Damenschuhen.
Bekleben von Schachteln zum Versand.
Verpacken und Magazinarbeiten.

Textilindusrie.

Bedienung der Tuchtrockenmaschine.
Handspulerei.
Beschäftigung beim Mischen und Einpacken von Spinnmaterial.
Einpacken und Zählen der Garnpfeifen.
Netzanfertigung.
Einlegen der Federringe.
Entknoten der Rohware und Umdrehen der Säcke.
Bedienung der Garnschleuder.
Vorbereitung von Pappspulen.
Säcke nähen.
Stopfen und Zubinden von Säcken.
Nadeln setzen.
Zylinder bekleben.
Einstärken und Bündeln von Wäsche; Wäsche legen.
Einziehen von Gummibändern in Schlupfhosen.

Uhrenindustrie.

Gongstimmen.
Abhören, Aufziehen von Uhren. Aufschrauben des Glockenstuhls mit Glocke.
Helligkeitskontrolle bei elektrischen Taschenlampen und leuchtenden Uhren. (Sehrest.)
Uhrenkontrolle.

Instrumentenbau.

Holzpuppen auf Bajonettdrähte ziehen.
Mundharmonikastimmen.
Stimmen.
Zusammensetzen von Instrumenten und von Membramen für Grammophone.

Arbeitsvermittlung für Blinde.

Es ist ohne Frage von größter Wichtigkeit, einen Blinden nur an jenen Arbeitsplatz zu stellen, den er nach seiner Befähigung auszufüllen vermag. Dazu muß man den Blinden und seine Eignung genau kennen, man muß wissen, ob er auch gesund, kräftig und willensstark genug ist und seine sonstigen Verhältnisse ihn empfehlenswert machen. Diese Beurteilung kann nur von einer Blindenfürsorgestelle aus erfolgen und bisher hat sich der „Zentralverein für das österr. Industriewesen “ in Wien XIII., Baumgartenstraße 71/79, mit dieser Aufgabe in erfolgreichster Weise befaßt. Mit Genugtuung kann darauf verwiesen werden, daß die bisher für verschiedene Unternehmungen vermittelten Arbeiter sich in vollster Weise bewährten und seit Jahren ihre Arbeitsplätze innehaben, ohne daß bisher eine freiwillige oder notgedrungene Entlassung vorkam.

Der „Zentralverein für das öst. Blindenwesen“ ist auch fernerhin bereit, die Vermittlung blinder der Arbeiter durchzuführen und den zur Aufnahme geneigten Unternehmungen aus der großen Zahl der Vorgemerkten tüchtige blinde Arbeitskräfte namhaft zu machen.

Die Leistungen blinder Arbeiter.

Wie die Gutachten der Arbeitgeber zeigen, sind die Arbeitsleistungen der Blinden sehr befriedigend. Wenn auch bis auf wenige Ausnahmen die quantitative Leistung hinter jener der sehenden Arbeiter etwas zurückbleibt, ist die Qualität der geleisteten Arbeit vollkommen einwandfrei. In bestimmten Beschäftigungen, wo der Tastsinn besonders in Frage kommt, zeigt sich der Blinde sogar dem sehenden Arbeiter überlegen. Er wird bei seiner Arbeit auch durch die scharfe Konzentration auf dieselbe und die weniger häufige Ablenkung von derselben in vorteilhafter Weise unterstützt.

Entlohnung.

Die Erfahrungen, welche diesbezüglich in Deutschland wie Österreich gemacht wurden, sprechen dafür, die Blinden, welche hauptsächlich Frauenarbeit verrichten, nach dem Frauentarife zu entlohnen. In einzelnen Fällen wird Stundenlohn, meistens jedoch Akkordlohn gezahlt und der Blinde nach seinen Leistungen entlohnt. Ist er imstande, höher qualifizierte Arbeit zu leisten, so empfängt er dementsprechend unter Zugrundelegung der geltenden Tarife einen höheren Lohn. In Wien bewegt sich der Wochenverdienst der blinden Arbeiter zwischen 30 und 60 Schillingen. Selbstverständlich steht auch der blinde Arbeiter im Genüsse aller Wohlfahrtseinriehtungen wie jeder sehende Arbeiter. (Urlaub, Krankenkasse, Unfall- Arbeitslosenversicherung, Altersrente.)

Beihilfe.

Für die Führung zu und von der Arbeitsstätte sorgt der Blinde selbst, da er unter den sehenden Arbeitskollegen sich bald Freunde erwirbt, welche ihn darin unterstützen. Auf der Straßenbahn genießt er die allen Arbeitern gewährten Begünstigungen, wenn er nicht im Genüsse einer Freifahrt als Blinder steht. Dem Betriebe selbst erwachsen daraus weder Verpflichtungen noch Kosten. Bei der Arbeitszuteilung muß natürlich vor allem der Tastsinn des Blinden berücksichtigt und müssen ihm genaue Weisungen hinsichtlich der Beschäftigung gegeben werden. Mitunter ist Zuführung des Materials, Beaufsichtigung bei der Arbeit und Abtransport der fertigen Artikel durch sehende Kräfte notwendig, doch kann bei entsprechender Orientierung der Blinde auch darin vollkommen selbständig werden, wobei natürlich viel von den örtlichen Verhältnissen der Arbeitsstätte abhängt.

Die Anrechnung der blinden Arbeiter auf die Zahl der Kriegsbeschädigten.

Die großen Schwierigkeiten, welche sich infolge des Vorurteiles bezüglich der Leistungsfähigkeit der Blinden bei der Einstellung und Beschäftigung derselben in industrielle Betriebe ergaben, ließen neben der Aufklärung, daß es sich hiebei um keinen Wohltätigkeitsakt und keine unproduktive Belastung handle, gesetzliche Maßnahmen empfehlenswert erscheinen, wie solche bei der Einstellung von Kriegsbeschädigten getroffen wurden. Tatsächlich ist es auch nach längerem Bemühen bei der Verlängerung des Kriegsbeschädigtengesetzes gelungen, die Blinden inbezug auf die Berechtigung zu ihrer Einstellung mit den Kriegsbeschädigten gleichzustellen. Der diesbezügliche § 4 (2) des Gesestzes lautet: „Gleich den im Absatz 1 erwähnten Kriegsbeschädigten sind auf die Pflichtzahl auch Unfallverletzte des eigenen Betriebes, deren Erwerbsfähigkeit um mehr als 45 vom Hundert vermindert ist, ferner Blinde anrechenbar.“

Dadurch ist ohne Frage dem Blinden die Möglichkeit der Aufnahme in einen Industriebetrieb bedeutend erleichtert, wenn auch für den Unternehmer—wie die Meinung auftauchen könnte — daraus noch kein Zwang entsteht, einen sich meldenden Blinden aufnehmen zu müssen. Die Einstellung eines Blinden ist vielmehr von der Einsicht und dem Wohlwollen des Unternehmers abhängig und kann niemals erzwungen werden.

Während für die Kriegsbeschädigten die Erwerbung eines Einstellungsscheines vorgeschrieben ist, erscheint ein solcher für Blinde nicht notwendig. Es genügt vielmehr das durch den „Zentralverein für das öst. Blindemvesen“ geübte Verfahren, den Blinden ein vom „Zentralverein“ erhältliches Erhebungsblatt ausfüllen zu lassen, das dem Unternehmer, bei welchem um die Einstellung angesucht wird, befürwortet vorgelegt wird.

Zur Behandlung der blinden Arbeiter.

Über die Behandlung Blinder in einem Industriebetriebe orientiert am besten folgendes „Merkblatt“, das sich aus der Praxis ergeben hat und allen Arbeitgebern zur Unterweisung der leitenden Personen und Aufsichtsorgane empfohlen wird:

1. ) Blinde haben nur vier Sinne, sie bedürfen mehr als vollsinnige Arbeiter der Unterstützung und Anweisung durch Vorarbeiter, Meister usw.

2. Blinde sind emplindlicher gegen rauhe Behandlung, aber sehr empfänglich für gi^te Behandlung.

3. Blinde wollen nicht bedauert werden, sondern verlangen volle Beanspruchung entsprechend ihren Fähigkeiten.

4. Blinde bedürfen keiner Almosen, sondern gerechter Entschädigung ihrer Dienste.

5. Blinden fehlt ein Sinn, die anderen Sinne sind bei ihnen schärfer, auch werden sie bei der Arbeit viel weniger abgelenkt.

Die Arbeit, die Vorrichtung, die Entlohnung ist dem anzupassen.

6. Blinde empfinden es als eine besondere Wohltat, bei der Arbeit von ihrem Vorgesetzten angesprochen zu werden. Sehende können sich mit den Augen über Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten informieren, Blinde leben im Angstgefühl der Unbrauchbarkeit.

7. Blinde empfinden besser Lüge und Wahrheit, da sie viel Zeit zur Überlegung haben. Blinde soll man nie im Unklaren lassen, sondern ihnen die volle Wahrheit sagen, sie vertragen sie besser als unbestimmte Meinungsäußerung.

8. Die Einstellung von Blinden soll stets probeweise erfolgen, nicht jeder Blinde ist für Fabriksarbeit geeignet.

9. Blinde sollen nicht beieinander am Arbeitsplätze sitzen, sondern immer zwischen Sehenden.

10. Blinde sind vom Fabrikstor bis zum Arbeitsplatz und zurück stets zu führen, meistens besorgen dies ihre Kollegen, doch ist von Seiten der Betriebsleitung im eigensten Interesse stets dafür zu sorgen.

11. Sind mehrere Blinde im Betrieb, so sorge man für eine Zusammenkunft mindestens einmal in der Woche, daß dieselben sich gegenseitig aussprechen können durch festgesetzte Zeiten, womöglich auch mit Blinden anderer Betriebe, damit sie ihre Arbeitserfahrungen austauschen können; es erleichtert dies die An-lernung.

Blinde haben ihre eigene Welt.

12. Wenn ein Betrieb Blinde einstellt, sollen es stets mehrere Blinde sein, von denen sie sich einen Wortführer wählen sollen, der Wünsche und Beschwerden vorbringt. Nur ein Blinder kann einem Blinden etwas begreiflich machen, da er seinem Schicksalsgenossen mehr glaubt als einem Sehenden.

Blinde sind dankbarer als Sehende.

Die blinden Arbeiter über ihre Erfahrungen.

Um ein Bild der segensreichen Wirkungen geordneter Beschäftigung’auf die Blinden zu geben, lassen wir einige derselben darüber selbst sprechen:

„Als ich vor etwas mehr als acht Jahren als erster Blinder in den österreichischen Siemens-Schuckertwerken aufgenommen wurde, bekam ich zunächst eine einfache, maschinell durchzuführende Montagearbeit zugewiesen und nach Ablauf der etwa sechs Wochen währenden Anlernzeit konnte ich den wichtigen Beweis erbringen, daß Blinde imstande sind, es hinsichtlich Güte und Menge des Erzeugisses den sehenden Arbeiterinnen gleichzutun soferne nur eine für Blinde geeignete Arbeit ausgewählt und an den maschinellen Einrichtungen einige unerläßliche Änderungen getroffen werden. Das gleiche, günstige Ergebnis stellte sich auch ein, als ich in der Folge noch verschiedene andere Arbeiten auszuführen hatte. Obgleich alle diese Arbeiten irn Stücklohn „Akkord“ zu verrichten sind, konnten ich, als auch mein inzwischen aufgenommener Schicksalsgefährte unseren Verdienst mit jenem der sehenden Arbeiterinnen gleichstellen.

In Besprechung meiner persönlichen Erfahrungen muß ich vor allem darauf hinweisen, daß die in den Fabriken von sogenannten Hilfsarbeiterinnen, demnach also auch von den Blinden auszuführenden Arbeiten an Eintönigkeit kaum zu überbieten sind, ein unvermeidliches Übel, unter dem die, zahlreichen Gesichtseindrücke entbehrenden Blinden mehr zu leiden haben, als Sehende. Ich halte es daher für sehr wichtig, jeden Blinden, der die Absicht hat, in einen Fabriksbetrieb einzutreten, ganz besonders aber solche, die vor der Erblindung einer geistigen Tätigkeit oblagen, nachdrücklichst auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, da er nur zu leicht geeignet ist, die anfangs gewiß vorhandene Arbeitsfreudigkeit zu rauben. Das niederdrückende Gefühl, welches aus der Erkenntnis erwächst, daß man als blinder Arbeiter im Wirtschaftsleben nur eine ganz untergeordnete Bolle spielt, wird freilich zum größten Teil dadurch wettgemacht, daß man in dieser Beschäftigung das Mittel erkennt, welches von der öffentlichen oder privaten Fürsorge befreit.“

Otto Wicke.

„Donnerstag, den 7. Juni 1923 wurde ich durch Herrn Ing. Sehe üble der Werkmeisterei 19 übergeben und hatte durch drei Stunden Anlernunterricht. Obwohl vorerst vereinbart gewesen war, daß ich die erste Woche versuchsweise im Lohne bleiben und darnach in Akkord übernommen werden sollte, wurde ich trotzdem schon Freitag früh, also nach dreistündiger Anlernzeit, als betriebsmäßig einwandfrei vorgeschult, als Akkordarbeiter in der Werkmeisterei 19 eingestellt. Schon nach zwei Tagen hatte ich mich anerkannt erfolgreich betätigt und erregte es beispielsweise aller Fachkundigen Staunen, daß ich bei einer Gattung Arbeit die Mindestleistung von 260 Stück in der Stunde mit 60 vom 100 also mit 408 Stück übertroffen habe. Zur Zeit arbeite ich bei einer Gewindeschneidemaschine mit senkrechtem Bohrer und habe auch versuchsweise Schraubenmuttern mit 7 Millimeter Voll- und 1,8 Millimeter Gewindedurchmesser als Arbeit zugeteilt erhalten, von denen ich schon in der zweiten Stunde statt 220 Stück 350 erzeugte. Die unmittelbaren Vorgesetzten, wie Werkmeister und Vorarbeiter sind mit mir vollkommen zufrieden und äußerten des öfteren technischen Beamten gegenüber ihre vollste Anerkennung über meine einwandfreie, erfolgreiche Betätigung. Für die erste volle Woche verdiente ich 278 000 Kronen abzüglich der üblichen Abgaben. Mithin ist auch der geldliche Erfolg als überraschend günstig zu bezeichnen. Ich arbeite in einem Saale, wo neben 10 bis 12 männlichen ungefähr 50 weibliche Hilfskräfte tätig sind, deren kameradschaftliches Entgegenkommen und stets bereitwilliges und liebenswürdiges Verhalten zu mir geradezu rührend und freudigst erschütternd bezeichnet werden muß. Ich werde von der. Straßenbahn, von und zur Gewerksküche geführt und wird mein Einvvand, daß ich stets gewohnt bin, mich selbständig zu bewegen, immer damit entkräftet, ich möge mich nur getrost in das Unvermeidliche einer kameradschaftlichen Hilfeleistung fügen. Erwähnen will ich noch, daß die technischen Beamten meine Eignung vom Standpunkte besonderer Gefühls- und Empfindungstechnik aus als hervorragend bezeichnen. Ich wollte nur wünschen, daß recht bald viele meiner Schicksalsgenossen gleich mir Gelegenheit hätten, den Beweis zu erbringen, daß das Vorurteil, der Blinde sei leistungsunfähig, vollkommen unbegründet ist.“

Heinrich Lodin.

„In den verflossenen sieben Jahren meiner Einstellung bei der Fa. Siemens-Halske A.-G. Wien, habe ich an einer Spitzelmaschine und in mehreren Montagesälen gearbeitet und glaube, daß meine Leistungen die Vorgesetzten befriedigt haben. Ich selbst bin durch diese mir gegebene Arbeitsmöglichkeit glücklich, da ich in der Lage bin, mich und meine Familie zu ernähren. Sowie ich, verdanken aber auch meine im Betriebe beschäftigten Sehieksals-brüder der Fa. Siemens-Halske unsere Existenzmöglichkeit und hoch anerkennenswert ist gleichfalls die gezeigte Rücksichtnahme, daß bei eingetretenen Perioden des Arbeitsmangels von uns Blinden keiner entlassen wurde.“

Nikolaus Alscher.

„Im Sinne der neuen Richtung der Blindenfürsorge wurde ich vor etwa sechs Jahren in der Firma Siemens-Halske A.-G. als Hilfsarbeiter eingestellt. Ich habe in dieser Zeit verschiedene Arbeiten verrichtet: Magnetisieren, Kalibrieren, in Revision, Zählarbeit im Lager und Bauschenerzeugung. Die mir jeweils zugevviesenen Arbeiten konnte ich ohne Schwierigkeiten ausführen und gegenüber meiner früheren Betätigung als Bürstenbinder habe ich jetzt auch mehr Arbeitsfreude, da ich durch die Einstellung finanziell gesichert bin. Nicht nur meine Leidensgefährten, sondern auch unsere sehenden Mitmenschen mögen erkennen, welche großen Verdienste sich der „Zentralverein für das österr. Blindenwesen“ und jene Firmen erworben haben für uns Blinde als Menschenfreunde und für unser Heimatland als pflichterfüllende Faktoren moderner Fürsorge.“

Franz Fröhlich.

„Ich wurde vor etwa 5 Jahren in den Betrieb der Firma Siemens-Halske A.-G. Wien eingestellt und im Laufe dieser Zeit entsprechend der vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten für Blinde in verschiedenen Abteilungen beschäftigt. Die bisherigen Arten meiner Verrichtungen sind: Bedienen einer Bohrmaschine, Lochen mittels Handstanze, Zähl- und Wägearbeit in einem Bestandteillager und derzeit Bauschenmachen in der Versandabteilung. Die Erfüllung der Leistungen in diesen Arbeiten wie auch die Einhaltung der Fabriksordnung erschwerte oder behinderte mein Gebrechen in keiner Weise und die freundliche Behandlung seitens der Vorgesetzten und Kollegen berechtigen mich sagen zu dürfen, daß ich mich im Betriebe heimisch fühle. In meiner Einstellung finde ich höchste Befriedigung; die Arbeit gibt mir Möglichkeit selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen und nutzbringende Betätigung bietet dem Blinden die wohltätige Ablenkung und Befreiung von seelischen Depressionen, welche natürliche Gefolgschaft eines körperlichen Gebrechens sind. So denke ich dankbar und gerne der verehrten Direktion meiner Firma und jener Männer, welche in wohlwollendster Weise diese Richtung moderner Blindenfürsorge vertreten und fördern.“

Josef Bauer.

„Ich bin mit Juli 1925 bei der Firma Siemens-Halske eingestellt. Meistens war ich während dieser Zeit in Lagern und Revisionen tätig. Die Behandlung durch Vorgesetzte und Arbeitskollegen ist eine freundliche. Die Betriebsleitung kommt den blinden Arbeitern in weitgehender Weise entgegen. Es muß erwähnt werden, daß trotz wiederholter Perioden der Stagnation Blinde nicht abgebaut wurden, welcher Umstand jedenfalls hoch zu werten ist.“

Paul Freiberger.

„Am 11. Feber 1929 wurde ich als Hilfsarbeiter aufgenommen. Zu bemerken ist, daß eine Arbeit für einen Blinden wohl das höchste Gut ist, da größtenteils damit eine Ablenkung von allen Übel geschaffen wurde. Daher fühle ich mich seitdem sehr glücklich und zufrieden in meinem Dasein.

Mir wurde eine Arbeit für Kontrolle der Porzellansicherung übergeben, welche ich im Akkord leisten mußte. Da ich voll und ganz meine Nerven darauf zentrigiert, gelang es mir, mich schon bei 10.000 Stück soweit eingearbeitet zu haben, daß ich einen Individuallohn erreichte. Kurze Zeit später konnte ich schon gleicher Zeit mit Sehenden arbeiten. Die Arbeit ist zwar anstrengend, jedoch auch von Blinden zu leisten.

Habe gegenwärtig vier bis fünf verschiedene Arbeiten geleistet, wo ich immer mit meiner Zeit ausgekommen bin. Gegenwärtig bin ich die zweite Woche bei Kontrollfedern einrollen, die Arbeit geht mir auch hier gut von der Hand. Es werden 10.000 Stück in 10 Stunden verlangt, wogegen ich gegen 8 Stunden brauchte; das kommt davon, daß ich mich mit vollem Eifer und Bewußtsein, mich selbst zu erhalten, zur Arbeit setze, um nicht der Allgemeinheit zur Last zu fallen.“

Leo Klein.

Die Arbeitgeber über ihre blinden Arbeiter.

Siemens -Halske A.-G.:

„In der Werkstatt „Apparate-Montage“ werden zwei Blinde beschäftigt. Beide kommen stets pünktlich ohne Führung aus entlegenen Bezirken in die Fabrik, suchen die getrennt untergebrachte Garderobe auf und gelangen wiederum ohne Führung an ihre Arbeitsplätze. In der Abteilung Apparatmontage befinden sich keine gefährlichen Maschinen. Daher können sich die Blinden ganz ungehindert bewegen. Sie werden mitSortieren und Schlichten von Einzelteilen, Falten von Verpackungskartons, Knüpfen von Schnüren und ähnl. beschäftigt.

In der Packerei des Versandbüros sind vier Blinde mit der Herstellung von Holzwolle-Bauschen für Verpackungszwecke beschäftigt. Das Anlernen dieser Blinden erfolgte unter Vorlage entsprechender Musterbauschen in ganz kurzer Zeit. Das Bauschen-material (Papier und Holzwolle) wird von einem Hilfsarbeiter der Packerei zugebracht und handgerecht bereitgelegt.

Das tägliche Arbeitspensum der Blinden wird von diesen mit Sorgfalt und Arbeitsfreudigkeit erledigt.

Herr L. hat jahrelang an einer stehenden Bohrmaschine vorhandene Arbeiten ausgeführt, ohne sich eine Verletzung zuzuziehen. Infolge Arbeitspiangel an dieser Maschine wurde er in die Revisionsabteilung versetzt. Herr L. zeichnet sich durch einen hervorragenden Orientierungssinn aus, sodaß er die benötigten Arbeitsteile vielfach selbst aus dem Lager abholte und nach der Fertigstellung auch vielfach selbst ablieferte.

Der in der Lackiererei beschäftigte Blinde besorgt hauptsächlich das Rßinigen verschiedener Teile, Zuführen des Materials zum Arbeitsplatz und kommt seinen Obliegenheiten gewissenhaft nach.

In der Nickelei und deren Revision werden fünf Blinde und L. (bereits oben erwähnt) mit Zählen, Abwiegen, Auf- und Abfädeln, Reinigeü der zu vernickelnden und vernickelten Gegenstände beschäftigt.“

Leopolder & Sohn:

„Die Erfahrungen, die wir mit dieser Einstellung des blinden Sch. erzielten, waren überaus befriedigend. In überraschend kurzer Zeit hatte sich der Blinde in den Fabriksbetrieb eingefügt. Seine Verwendbarkeit war auf verschiedenen Gebieten gegeben. Vorerst wurde er zur Vorbereitung des Materials für die mannigfachen Montagearbeiten verwendet und zwar zum Abzählen und Einschlichten dieses Materials. Später konnten wir denselben schon direkt zu Montagearbeiten verwenden, selbstverständlich nur zu durchwegs gleichartigen Arbeiten, in die sich der Blinde sehr gut einfügte. Er lernte bald sehr sicher mit dem Schraubenzieher umzugehen und kam ihm bei diesen Arbeiten sein im hohen Maße ausgeprägtes Tastgefühl außerordentlich vorteilhaft zugute.

Wir können den jungen Blinden für Frauenarbeit sehr gut verwenden. Er arbeitet nicht im Lohn, sondern wie der größte Teil der Arbeitenden im Akkord. Es ist eine Freude für jedermann, das zufriedene, ja glückliche Gesicht dieses blinden Arbeiters sehen zu können, aus dem volle Genugtuung darüber spricht, daß ihm die Möglichkeit gegeben wurde, seine zweifellos vorhandenen Fähigkeiten nutzbar verwenden zu können. Er bewegt sich völlig frei ohne jede Hilfe in den Räumen der Fabrik und holt sich die für seine Arbeiten notwendigen Behelfe ganz selbständig. Ein Uneingeweihter, der diesen Blinden bei seinen Gängen durch die Fabrik sieht, wird kaum Gedauken hegen, es hier mit einem blinden Arbeiter zu tun zu haben. Man hat höchstens den Eindruck, daß er etwas vorsichtiger dahinschreitet als seine Kollegen, der einzige Umstand der auflallt und vielleicht Veranlassung gibt, den Arbeiter naher ins Auge zu fassen, um dann zur größten Überraschung zu finden, daß dieser junge Mann in völliger Dunkelheit ganz allein seinen Weg durch Türen, zwischen Maschinen, Tischen und Stühlen, von einer Arbeitsstätte zur anderen findet.“

Dank und Bitte.

Der ,, Zentralverein für das öst. Blindenwesen“ dankt allen Unternehmungen, welche bisher unserer Bitte stattgegeben und Blinde eingestellt haben. Die Erfahrung zeigt, daß sie mit der Einstellung Blinder in ihre Betriebe leistungsfähige und sich ihrer Verpflichtungen vollbewußte Arbeitskräfte gefunden haben. Sie können darauf stolz sein, zur Lösung der Blindenfrage in wahrhaft sozialer Weise beigetragen zu haben.

Zugleich stellen wir aber die ergebene Bitte, daß auch weitereUnternehmungen wohlwollend der Frage der Einstellung blinderArbeiter nahetreten und damit die Möglichkeit geben, die große Zahl der Blinden, welche eine solche Beschäftigung an-streben, des Segens erwerbender Arbeit teilhaftig werden zu lassen.


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