von Kunstmuseum-Hamburg.de
ER Bilddruck ist die Kunst, auf ebenen Tafeln von geeignetem Material (Holz, Kupfer, Stein u. a. m.) durch entsprechende Bearbeitung Bilder hervorzubringen in der Absicht und zu dem Zwecke, sie durch Abdruck mittels eines Farbstoffes auf Papier oder dergleichen zu vervielfältigen.
Man kann im wesentlichen drei verschiedene Gattungen des Bilddrucks unterscheiden: den Reliefschnitt (Holz- oder Metallschnitt), die Stich- oder Gravierungstechnik (Kupferstich, Radierung usw.) und die chemigraphische Technik (Lithographie). Die Lithographie, die im Prinzip darauf beruht, daß die Druckerschwärze nur an den mit einem bestimmten Farbstoffe auf die präparierte und geglättete Oberfläche des Steines gezeichneten Linien, nicht aber an der vom Zeichenstift unberührten Fläche haften bleibt und sich dann beim Abdrucke dem Papier mitteilt, ist erst am Anfänge des XIX. Jahrhunderts erfunden worden. Sie liegt also außerhalb des Rahmens dieser die Entwicklung des Bilddruckes nur bis zum Ausgange des XVIII. Jahrhunderts betrachtenden Darstellung. Wir können uns also aut die Erläuterung jener ersten beiden Gattungen beschränken. Ebenso müssen auch die Leistungen des Holzschnittes im asiatischen Osten ausser Acht gelassen werden, da eine historische Behandlung der eigenartigen japanischen Kunst ohne Kenntnis der Sprache und der Geschichte dieses Landes nicht wohl unternommen werden könnte.
Die Technik des Reliefschnittes besteht darin, dass man auf einer ebenen Tafel den Grund neben den Linien oder Flächen der beabsichtigten Darstellung vertieft, so dass das Bild dann als Flachrelief über den Grund hervorragt, die Linien also gewissermassen Stege oder Dämme auf der vertieften Fläche bilden. Beim Holzschnitte werden die Ränder der auf die geglättete und präparierte Oberfläche einer ganz ebenen, etwa zolldicken Holztafel aufgezeichneten Linien haarscharf mit einem kleinen Messerchen Umschnitten und der Grund zwischen den Linien mit einem stemmeisenähnlichen Instrument, dem Aushebeeisen, je nach der Dicke und der Entfernung der Linien von einander bis zu einer Tiefe von 2 — 5 mm ausgehoben.
Wird nun die Oberfläche der Holztafel mit einem Farbstoffe bestrichen und auf Papier oder dergleichen aufgedrückt, so teilt sich die Farbe von den erhabenen Linien oder Flächen dem Papier mit und erzeugt so einen Abdruck der im Holzstocke ausgeschnittenen Darstellung, die natürlich im Gegensinne, das heisst wie im Spiegel gesehen, erscheint. Holzstöcke können mit dem Reiber oder mit der Bürste, durch die die Rückseite des auf den eingefärbten Holzstock gelegten gefeuchteten Papiers festgedrückt wird, oder mit einer gewöhnlichen Druckerpresse abgedruckt werden; sie können auch in den Typensatz eingefügt und mit ihm zugleich gedruckt werden.
Die Oberflächen der Linien oder Stege des Holzstockes liegen alle in einer Ebene, nur pflegte die entwickelte Technik, um die Schraffierungslinien zarter in das Licht verlaufen zu lassen, bei feinerer Arbeit oft die Flächen der Stege an den Enden ein wenig abzuschrägen und die Hintergründe durch Beschaben um ein Geringes niedriger zu legen, damit an diesen Stellen die Farbe sich weniger kräftig dem Papier mitteile und einen helleren Ton bilde.
In älterer Zeit hat man nur in „Langholz“, das heisst in Holztafeln, deren Fasern der Länge nach verlaufen, geschnitten, und vornehmlich Birn- oder Nussbaumholz benutzt. Erst im XVIII. Jahrhundert scheint man begonnen zu haben, auch in „Hirnholz“, das heisst auf Tafeln, deren Oberfläche einen Querschnitt des Baumes darstellt, deren Fasern also scheitelrecht zur Oberfläche verlaufen, zu schneiden und sich dazu des dichteren Buchsbaumholzes zu bedienen. Da solche Platten nicht mit dem Messer, sondern nur mit Grabsticheln und Aushebeeisen zu bearbeiten waren, so hat sich dadurch die Holzschneidetechnik von Grand aus geändert, so dass der moderne Holzschnitt mit dem alten stilistisch nur mehr wenig Aehnlichkeit aufzuweisen hat.
Obwohl ein Holzstock, besonders von weniger feiner Arbeit, bei sorgfältiger Behandlung eine überaus grosse, nach tausenden zu berechnende Anzahl von guten, das heisst klaren und scharfen Abdrücken liefern konnte, so hat man doch, vornehmlich in früher Zeit, öfters Metallplatten, von Kupfer, Messing, Zinn oder dergleichen für den Reliefschnitt benutzt. Holztafeln sind demWurmfrass und dem Springen stark ausgesetzt, Stücke einzelner Linien können leicht ausbrechen, die dünneren Stege werden nach und nach platt gedrückt; in Metall leisten auch die feinsten Linien der Abnutzung durch den Druck und durch die Reinigung grösseren Widerstand. Metallplatten haben aber die grossen Nachteile, dass die Druckerschwärze weniger gleichmässig auf die Oberfläche aufgetragen werden kann, die Abdrücke also leicht unsauber werden, und dass sie durch die Feuchtigkeit leichter angegriffen werden als Holzstöcke.
Solche Metallschnitte, die von Kupferstichen wohl zu unterscheiden sind, zeigen ebenso wie die Holzschnitte die Linien erhaben über dem vertieften Grunde und werden, auf Holzblöcken befestigt, wie Holzstöcke abgedruckt. Sie eigneten sich besonders für kleinere Stücke, Initialen und Zierleisten zur Buchillustration und dergleichen. Ob ein Druck von einem Holzstock oder von einem Metall-Reliefschnitt herrühre, ist nicht immer leicht zu erkennen. In Holzschnitt können ebenso feine, scharfe Linien hervorgebracht werden wie in Metall, das auch verhältnismässig wenig verwendet worden zu sein scheint.
Eine eigentümliche Art von Reliefschnitten sind die Schrotblätter oder Schrotschnitte (französich: gravures en maniere criblee, englisch: dotted prints). Sie unterscheiden sich von den Holzschnitten, mit denen sie die Technik im Prinzip gemein haben, vornehmlich dadurch, dass die Formen nicht wie beim Holzschnitte durch weisse, von schwarzen Linien umschriebene Flächen dargestellt sind, sondern durch dunkle Farbenmassen gebildet werden, die von weissen LTmrisslinien begrenzt sind. Die schwarzen Flächen sind dann durch weisse Innenzeichnungs- und Schraffierungslinien, die Gewänder, Hintergründe und dergleichen durch weisse Punkte, Sternchen, Linien oder andere Musterung gegliedert und belebt. Man hat die Schrotblätter, weil die weisse Linie das formenbildende Element ist, auch Weissschnitte genannt im Gegensätze zum Holzschnitte, der wegen der schwarzen Linien der Zeichnung Schwarzschnitt genannt werden könnte. Während also der Holzschnitt die Flächen vertieft schneidet und die Linien erhaben stehen lässt, vertieft der Schrotschnitt die Linien und lässt die Flächen erhaben stehen, im Drucke also schwarz wirken.
Offenbar hat man für Schrotschnitte nicht — oder wenigstens nur selten — Holz benutzt. Der Charakter der Linien, ihre grosse Feinheit und die Schärfe ihrer Ränder, gewisse Unregelmässigkeiten des Abdrucks, dann die Spuren der Nägel, mit denen die Platten auf Holzblöcke befestigt wurden, beweisen, dass sie fast alle in Metall, Kupfer, Messing, Bronze, Zinn oder Blei ausgeführt worden sind. Beim Abdruck wurden sie wie Holzschnitte oder Metallschnitte mit der Presse, auch im Schriftsätze von Büchern abgedruckt.
Auf die ornamentalen Teile wurde beim Schrotschnitt besonderes Gewicht gelegt, die Musterung meist nicht mit dem Messer oder Stichel, sondern mit Punzen und Formen eingeschlagen, um eine grössere Regelmässigkeit und Sauberkeit der Dekoration zu erzielen. Häufig ist in Schrotblättern, besonders wohl in späteren Arbeiten, der Weissschnitt mit dem gewöhnlichen Holzschnitt kombiniert. So werden die Gesichter und Hände, der Himmel und dergleichen sehr oft weiss mit schwarzer Innenzeichnung gebildet. Andrerseits hat sich der echte Holzschnitt häufig das Prinzip des Weissschnitts für Arbeiten dekorativen Charakters, besonders für Initialen, Umrahmungen, Leisten und dergleichen, in denen die weissen Linien oder Flächen des Ornaments sich vom schwarzen Grunde abheben, zu Nutze gemacht.
Eine besondere Verwendung fand der Holzschnitt zur Erzielung mehrfarbiger Drucke, der sogenannten Clairobscur -Holzschnitte, oder „CamaVeux” Das farbige Bild wird hervorgebracht, indem mehrere für die einzelnen, verschiedenen Farbtöne bestimmte, genau aufeinander passende Platten, auf deren jeder immer nur die Teile der Zeichnung, die im Bilde die betreffende Farbe zeigen sollen, eingeschnitten sind, und eine Platte mit der LTm-risszeichnung die aber häufig auch fehlt nacheinander auf dasselbe Blatt abgedruckt werden. Durch Aufeinanderdrucken verschiedener Farben können an einzelnen Stellen neue Töne hervorgebracht werden. Nachdem man schon im XV. Jahrhundert den Farbdruck mit verschiedenen Holzplatten zur Kolorierung von astronomischen und figürlichen Darstellungen ganz schematisch in der Art der Schablonierung benutzt hatte, findet er im Beginne des XVI. Jahrhunderts in Deutschland und in Italien eine künstlerische Verwertung zur Reproduktion von frei und breit mit dem Pinsel ausgeführten Tuschzeichnungen. Die farbige Wirkung wird hierbei durch Abstufungen derselben Grundfarbe oder durch Uebereinanderdruck komplementärer Farben erzielt. Das Cama’ieu ist also nicht eigentlich Buntdruck, sondern vielmehr Tondruck zu nennen.
Im Gegensätze zum Holzschnitt werden zur Herstellung von Kupferstichen die Linien der Zeichnung in die ganz eben geschliffene und glatt polierte Platte aus fein gehämmertem Kupfer vertieft eingegraben. Man bewerkstelligte das ursprünglich wohl mit einem Goldschmiedepunzen, einem runden, zugespitzten Eisen, später jedoch mit einem besonderen Instrument, dem Grabstichel, einem vierkantigen Eisen, das in einem rautenförmigen Querschnitte schräg angeschliffen ist, so dass eine scharfe Spitze gebildet wird. Mit diesem Grabstichel, dessen pilzförmige Handhabe im Handteller ruht, wird durch den mehr oder weniger starken Druck der Hand eine entsprechende Furche in das Kupfer eingegraben. Um ganz feine Linien zu erzeugen, bedient man sich der Nadel (Schneidenadel oder kalte Nadel). Kleine, zarte Zeichnungen können ganz mit der Schneidenadel ausgeführt werden, gewöhnlich aber wird die Nadelarbeit nur in Verbindung mit anderen Techniken zur feineren Ausführung einzelner Teile verwendet.
Die leichte Erhebung an den Rändern def durch den Stichel oder die Nadel gerissenen Furche, die durch das nach beiden Seiten aus der Vertiefung herausgedrückte Metall entsteht, der sogenannte Grat, wird mit dem Schaber, einem spitzen Stahl mit drei scharfen Kanten entfernt. In einzelnen Fällen lässt man den Grat, besonders den der Schneidenadelfurche, aber auch stehen, um bestimmte Effekte durch die beim Drucke hier stärker anhaftende Farbe hervorzubringen. Mit dem Polierstahl, einem gerundeten, länglichen Eisen, kann die Platte an den Stellen, die durch Fehlstriche und Auskratzen rauh geworden sind, wieder geglättet werden.
Die Arbeit des Eingrabens der Linien in das Kupfer durch Säuren, die das Metall zersetzen, verrichten zu lassen, ist das Grundprinzip der Radierung (Aetzkunst). Die Platte wird mit dem Aetzgrunde, einer Mischung von Wachs, Harz, Asphalt und Mastix, die von der Säure nicht angegriffen wird, in dünner Schicht überzogen und dann mit Russ geschwärzt. Den Aetzgrund hat man auf mannigfache Weise hergestellt und verwendet. Mit Nadeln von verschiedener Stärke werden nun die Linien der Zeichnung so in diese Schicht eingeritzt, dass das Kupfer blossgelegt und die Linie durch die dann über die Platte gegossene Säure bis zur gewünschten Tiefe ausgefressen wird. Der Künstler kann also mit der Radiernadel wie auf Papier zeichnen, das Bild retouchieren und bei genauer Kenntnis der späteren ‘Wirkung der Linien im Abdrucke sich in voller künstlerischer Freiheit bewegen.
Einzelne Teile der Zeichnung, die im Abdruck dunkler drucken sollen, können noch tiefer geätzt, „aufgeätzt“ werden, indem man zunächst die Platte von neuem grundiert, und zwar so, dass die geätzten Linien offen bleiben, dann auch die schon genügend geätzten Stellen mit Firnis deckt und nun das Aetz-wasscr auf die vom Firnis freigebliebenen Linien, die mehr vertieft werden sollen, noch einmal wirken lässt.
Der geätzte Strich hat in allen Teilen gleiche Stärke, er lässt sich nicht nach dem Ende zu verdünnen, wie der Strich des Grabstichels. Deshalb wird die geätzte Arbeit fast immer mit dem Grabstichel und der Schneidenadel retouchiert, die Schatten verstärkt, Fehlstellen überarbeitet. Die Radiertechnik wird auch als Vorarbeit, zur Herstellung der Vorzeichnung für die Grabstichelarbeit, oder zur Ausführung einzelner Teile, denen man eine leichtere, duftigere Wirkung geben will, verwendet.
Auf die fertig gestochene oder radierte, sorgfältig gereinigte Platte wird nun die Druckerschwärze, eine Mischung aus Leinöl und Russ, so aufgetragen, dass nur die Furchen dicht gefüllt sind, die glatte Oberfläche aber vollkommen rein und blank gewischt ist. Damit die Farbe besser in die feinen Vertiefungen eindringe, wird die Platte angewärmt. Die eingeschwärzte und gewischte Platte wird mit dem für den Abdruck bestimmten, angefeuchteten Papier und dieses mit schützendem Wollstoff bedeckt und auf dem Laufbrette zwischen die mit grosser Kraft aufeinander gepressten Walzen der Kupferdruckpresse vermittels des Triebwerkes hindurchgedrängt. Das Papier hat dann die Druckerschwärze aus allen Furchen der Platte vollständig aufgesogen und zeigt den fertigen Abdruck, Von der Kunst des Drückens, die ausserordentlich schwierig ist, vor allem von der richtigen Abmessung und Verteilung der Druckerschwärze aut der Platte, dem „Wischen“, hängt zum grossen Teil die Wirkung des Kupferstiches und auch die gute Erhaltung der Platte ab. Die Künstler haben deshalb die ersten zum eignen Gebrauch und zu Geschenken bestimmten Abdrücke häufig selber, in den älteren Zeiten natürlich mit primitiveren Hilfsmitteln, von der Platte abgezogen.
Neben diesen beiden hauptsächlichsten und ursprünglichsten Gattungen der Kupferstichtechnik sind im Laufe der Jahrhunderte noch andere Arten der Bearbeitung der Kupferplatte erfunden und mehr oder minder lange Zeit gepflegt worden. Schon im Anfänge des XVI. Jahrhunderts ist die Punktier- oder Punzenmanier, ein Verfahren, das bei den Goldschmieden zur Verzierung von Metallgeräten beliebt war, für den Bilddruck ausgenützt worden. Man suchte den Schatten und den Uebergängen eine grössere Weichheit zu geben, indem man sie nicht oder nicht allein aus Linien, sondern aus mehr oder weniger stark und dicht nebeneinader mit einem kleinen spitzen Eisen, der Punze, in die Platte eingeschlagenen Punkten zusammensetzte. Später hat man Punzen mit mehreren Spitzen und die Roulette, ein mit scharfen Zähnen besetztes, ziemlich dickes Rädchen, das in einer Handhabe drehbar über die Platte geführt werden kann, verwendet, um die Arbeit zu beschleunigen und regelmässiger erscheinen zu lassen. Erst in Verbindung mit der Actzung gewinnt die Punktier-und Roulettenarbeit eine praktische Bedeutung.
Eine andere, besondere Abart des Bilddrucks durch direkte Bearbeitung der KupferpJatte ohne Hilfe der Aetzung ist die Schabkunst Schwarzkunst, Mezzotinto, Manier« noire). Die Platte wird mit dem Granierstahl, der „Wiege“, einem in einer bogenförmigen, sehr fein und scharf gezahnten Schneide endigenden Eisen, ganz gleichmässig rauh gemacht (graniert). Die so bearbeitete Platte würde eingeschwärzt im Abdrucke auf Papier eine gleichmässige, sammetartig schwarze Fläche hervorbringen. Mit dem Schabeisen werden nun alle Stellen der Zeichnung, die im Abdrucke hell erscheinen sollen, glatt geschabt — so dass beim Einschwärzen die Farbe an diesen Stellen nicht mehr haften kann — und die Uebergänge vom höchsten Licht an den ganz glatt geschabten Stellen zu den tiefsten Schatten an den ganz rauh gelassenen durch mehr oder weniger starke Glättung hergestellt. Wie beim Weissschnitt hat also der Künstler hier die Lichter auf der präparierten Platte zu erarbeiten, im Gegensätze zum Kupferstecher, der die Schatten in die ganz glatte Platte hineinarbeitet. Das Schabverfahren erzeugt also keine Linien, sondern nur zart ineinander übergehende Flächen. An einzelnen Stellen pflegte man allerdings oft zur Hervorhebung von Details auch mit dem Stichel, mit der Nadel oder mit Aetzung nachzuhelfen.
Alle übrigen bekannten Verfahren in der Behandlung der Kupferplatte beruhen auf der Aetzung, Die Aquatinta- oder Lavis-Manier sucht die Schattentöne der getuschten (lavierten) Federzeichnung wiederzugeben. Zuerst wird die Umrisszeichnung auf dem gewöhnlichen Wege in die Platte einradiert; dann wird wieder ein Aetzgrund aufgelegt und mit Puder überstreut. Von den Stellen, die im Abdruck dunkle Färbung zeigen sollen, wird dann der Aetzgrund durch lösende Stoffe, die mit dem Pinsel aufgetragen werden, entfernt. Diese vom Aetzgrunde befreiten und gereinigten Stellen der Platte werden nun wieder gepudert und mit feinstem Asphaltpulver gleichmässig eingestäubt. Durch Erwärmung der Platte wird diese feine Asphaltschicht gerade zum Schmelzen gebracht, doch so, dass die einzelnen Körnchen nicht ineinander laufen, sondern nur am Grunde haften bleiben. Das autgegossene Aetzwasser dringt nun in die feinen Poren zwischen den Asphaltteilchen auf die Platte ein und vertieft die Zwischenräume, so dass dadurch an diesen Stellen eine feine Rauhigkeit erzeugt wird, die im Abdrucke wie ein Tuschton wirkt. Durch wiederholtes Aetzen lassen sich Abstufungen der Töne und tiefere Schatten erzielen, wobei natürlich die hellen Stellen immer durch Firnis gegen die Einwirkung des Aetzwassers geschützt werden müssen. Diese Technik kann mit gewöhnlicher Linienradierung, mit Grabstichelarbeit usw. verbunden werden.
Die Kreidemanier (Crayonmanier), die den Charakter der Kreidezeichnung nachzuahmen sucht, ist eine Kombination der Punktiermanier mit der Aetztechnik. In den Aetzgrund, mit dem die Platte überzogen ist, werden mit Punzen, Rouletten und mit dem Mattoir, einem Instrument, dessen knöpf- oder kolbenförmiges Ende wie eine Feile gerauht ist, die Linien, die dann also aus einzelnen Punkten bestehen, eingerissen. Das Aetzwasser höhlt die durch diese Instrumente auf der Platte blossgelegten Pünktchen aus, so dass im Abdrucke die Linien von vielen kleinen Punkten gebildet werden und den Kreidestrichen ausserordentlich ähnlich sehen. Breite, feste Striche werden dadurch hervorgebracht, dass man den Aetzgrund mit der Echoppe, einer schräg abgeschliffenen, starken, runden Radiernadel, entfernt. Die Punktiermanier in Verbindung mit der Aetzung wurde besonders in England, wo man sie „stepplework“ nannte, viel zur Reproduktion von Zeichnungen und Gemälden verwendet. Linien werden hierbei fast ganz vermieden oder möglichst verborgen und alle Formen nur durch mehr oder weniger starke und dicht gestellte Punkte modelliert und abgetönt.
Von allen aut diese verschiedenen Arten bearbeiteten Platten Hessen sich bei einem gleichmässigen, mechanischen Druckverfahren nur Abdrücke in einem Farbenton, der allerdings beliebig gewählt werden konnte, hersteilen. Im XVIII. Jahrhundert hat man aber auch mehrfarbige Drucke von einer einzigen Platte zu erzielen gewusst, indem man sie nicht gleichmässig in einem Zuge einschwärzte, sondern verschiedene Farben auf die einzelnen Teile auftrug, die dann im Abdruck ein buntes Bild ergaben. Besonders in Punktiermanier ausgeführte Platten wurden häutig für bunte Abdrücke dieser Art benutzt. Natürlich muss für jeden neuen Abdruck die Platte wieder neu gefärbt, sozusagen bemalt werden, so dass man diese Technik streng genommen nicht zu den mechanisch vervielfältigenden rechnen dürfte. Die einzelnen Töne standen hier unvermittelt neben einander und konnten nicht zu Mischtönen verbunden werden.
Um eigentliche Farbendrucke, das heisst Bilder, die wie ein Gemälde alle Abstufungen und Mischungen der Farben zeigten, herzustellen, und zwar so, dass, im Prinzip wenigstens, jeder Abdruck dem anderen gleich werde, muss man mehrere Platten, deren jede eine bestimmte Farbe aut die mit ihr zu färbenden Teile der Zeichnung aufträgt, nacheinander auf das Blatt abdrucken. Mit dem Clairobscur-Holzschnitte hatte man im XVI. Jahrhundert die ersten künstlerischen Erfolge im Farbendruck erzielt, später auch durch Aufdruck von Holz-Tonplatten auf radierte Umrisszeichnungen farbige Bilder hervorzubringen gesucht. Im XVIII. Jahrhundert gelang es Jakob Christoph Le Blon mit Hilfe der Schabkunst Farbendrucke herzustellen, die sich der Wirkung von Gemälden näherten. Er benutzte 3 — 5 Platten, die meist in Schabkunst, manchmal aber auch zum Teil in Radierung oder Strich ausgeführt waren, und deren jede für die Aufnahme einer Farbe bestimmt und demgemäss nur an den Stellen bearbeitet war, an denen im Bilde die betreffende Farbe zur Wirkung kommen sollte. Durch Uebereinanderdrucken der genau aufeinander passenden Platten wurden nun auf dem Papier die Mischungen der verschiedenen Töne hervorgebracht. Auf der ersten Platte waren also nur die Teile bearbeitet, die im Abdrucke gelbe Farbe oder gelb enthaltende Mischtöne zeigen sollten, auf der zweiten alle Teile, in denen Blau, auf der dritten alle Teile, in denen Rot erscheinen sollte. Grün wurde durch Uebereinanderdrucken von Blau und Gelb erzeugt usw. Im Prinzip konnte man so durch geeignete Mischung der Farben alle Töne erzielen. Daneben verwandte man noch oft eine Platte mit schwarzer oder sattbrauner Farbe für die tiefsten Schatten, der Wirkung des Papiertones konnte manches überlassen werden, und schliesslich wurden einzelne Farbeneffekte durch geschickte Retouche mit dem Pinsel auf den Abdrücken ergänzt. In der Praxis war aber die Herstellung der Bilder durch Schabkunstplatten mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden, so dass das Verfahren nur verhältnismässig wenig angewendet worden ist.
Eine grössere praktische Bedeutung gewann der Kupferfarbendruck erst durch die Verwendung der Aquatintamanier für diesen Zweck. Durch Ueber-einanderdrucken einer Reihe von in dieser Technik bearbeiteten, je für die Aul-nähme einer Farbe bestimmten Platten gelang es im XVIII. Jahrhundert einigen geschickten Künstlern ganz vorzügliche, auch heute noch bewunderte mehrfarbige ßilddrucke zu schaffen.
Durch das Wischen beim Einfärben und durch den Druckprozess wird die Oberfläche der Kupferplatte sozusagen abgeschlilfen, so dass die Vertiefungen seichter werden und dann gar keine oder nur zu wenig Farbe mehr aufnehmen können, also zu matte Abdrücke geben, in denen die feineren Linien ganz verschwunden sind. Besonders zarter gearbeitete, radierte oder mit der Schneidenadel ausgeführte Platten nutzten sich sehr schnell ab. Für die künstlerische Wirkung des Bildes ist aber die Qualität des Abdruckes entscheidend. Die ausgenützte Platte gibt schlechte Abzüge, die durch das Verschwinden der feinen Linien der Zeichnung und der zarten Uebergänge vom Licht zum Schatten die feinen Details der Zeichnung und die Harmonie des Tones verloren haben. Nur die guten frühen Abzüge von der noch vollständig intakten Platte können von dem künstlerischen Werte der Arbeit einen richtigen Begriff geben und das gebildete Auge erfreuen. Der Liebhaber unterscheidet deshalb sehr sorgfältig und genau die verschiedenartigen und verschiedenwertigen Abdrücke einer Platte voneinander, zumal auch der Marktpreis der Blätter, ausser durch ihre Beliebtheit, Seltenheit und Erhaltung, wesentlich durch die Qualität des Abdruckes bestimmt wird.
Die Wertschätzung der Werke des Bilddruckes richtet sich nicht nur nach der Vorzüglichkeit des Abdruckes, der Klarheit und Schärfe aller Linien, dem Glanz und der Gleichmässigkeit der Töne, sondern auch nach der Priorität des Abdruckes, d. h. danach, ob er früher oder später von der Platte abgezogen worden ist. Schon vor der Beendigung der Arbeit pflegen die Künstler Abzüge zu nehmen, um die Wirkung des schon Ausgeführten besser beurteilen zu können. Solche Probedrucke sind nicht nur kunstgeschichtlich und technisch oft sehr interessant, weil sie einen Einblick in die Arbeitsweise des Stechers gestatten, sie zeigen uns vor allem die Arbeit auf der Platte in ihrer vollen Frische. Sie sind überdies wegen ihrer Seltenheit sehr geschätzt, obwohl sie die Absichten des Künstlers nicht immer voll zur Geltung kommen lassen und oft in der Wirkung durch spätere Abdrücke von der vollendeten Platte übertroffen werden. Abzüge von der nur vom Aetzwasser bearbeiteten, aber noch nicht mit Nadel und Stichel fertiggestellten Platte nennt man Aetzdrucke.
Der Künstler kann auch im Verlaufe seiner Arbeit von der Platte in verschiedenen Stadien der Bearbeitung Abzüge nehmen. Es können auch nach der Vollendung der Platte und nach der Anfertigung einer Reihe von Abzügen vom Künstler selber oder von anderen Personen Veränderungen vorgenommen werden. Diese Veränderungen sind entweder rein äusserliche, indem die „Schrift“, die Namen oder Monogramme der beteiligten Künstler, Bezeichnungen des Gegenstandes, erläuternde Unterschriften, der Name die sogenannte Adresse) des Verlegers, bei dem Abdrücke käuflich sind, hinzugefügt, entfernt und wieder durch neue ersetzt werden; sie können aber auch künstlerischen Charakters sein und in der Umgestaltung einzelner feile der Zeichnung oder der Schraffierungen, in der Verstärkung oder Abschwächung von Licht oder Schatten an einzelnen Stellen bestehen; sie können später auch in der Absicht ausgeführt sein, die beim Drucken zu seicht gewordenen oder ganz verschwundenen Linien durch Ueberarbeitung zu vertiefen und die ursprüngliche Kraft der Töne wieder herzustellen. Den künstlerischen Wert der Arbeit vermögen fast immer nur die leichten, von der Hand der Meister selber hergestelltcn Retou-chen auf der noch nicht ausgedruckten Platte zu bewahren. So müssen geschabte Platten, die sich sehr rasch abnutzen, schon während des Ausdruckes der ersten Auflage mit dem Granierstahl in einzelnen feilen wieder aufgefrischt werden. Fast immer sind es aber gesthäftsmännische Verleger oder wenig bedeutende Stecher gewesen, die durch starke Retouche die schon matt gewordenen Stiche, sehr zum Schaden des Künstlers, wieder abdrucksfähig zu machen suchten. Die Ueberarbeitung kann nie den ursprünglichen Linien genau folgen und muss durch neue Strichlagen die Spuren der alten zu verdecken suchen. Sie wird fast immer nur Abdrücke erzielen, die wie ein übermaltes Gemälde künstlerisch wertlos sind.
Die von der Platte in einem bestimmten Stadium der Bearbeitung, das sich durch auf der Platte hinzugefügte oder entfernte Arbeiten von anderen unterscheiden lässt), genommenen Abdrücke bilden eine Abdrucksgattung, die man als Abdrücke eines bestimmten Plattenzustandes, als Zustände ‘etats bezeichnet. Die verschiedenen Zustände, deren sich besonders von feinen Radierungen, wie den Arbeiten Rembrandts oder Ostades oft eine ganze Anzahl beobachten lässt, sucht man durch genaue Feststellung der unterscheidenden Merkmale zu kennzeichnen und ihrer Reihenfolge nach anzuorden.
Die Stecher, die ihre eigenen Kompositionen durch eine Bilddrucktechnik vervielfältigt haben, nennt man Malerstecher oder Malerradierer (peintres-graveurs). Die Gesamtheit der Arbeiten eines Stechers pflegt man als sein „Werk“ (oeuvre) zu bezeichnen. Zuweilen, besonders in früheren Zeiten, hat man in den Sammlungen die Blätter, in denen die Stecher Erfindungen anderer Meister reproduziert haben, nach den Urhebern der Originalkompositionen geordnet und so die „Werke“ der bedeutenden Maler, die „Malerwerke“ zusammengestellt.
Als Träger der Abdrücke von geschnittenen oder gestochenen Platten hat man von je her fast ausschliesslich Papier verwendet. Nur ausnahmsweise hat man Holzstöcke oder Kupferstiche auf Pergament, Seide oder dergleichen abgedruckt. Die Textur und die Farbe des Papiers, das ja an den leeren Stellen tonbildend mitwirkt, ist von wesentlicher Bedeutung für die technische Ausführung des Druckes und für die künstlerische Wirkung des Bildes. Die Papiere, die die alten Meister des XV. und des beginnenden XVI. Jahrhunderts benützt haben, zeichnen sich durch ihre Vorzüglichkeit und durch ihre besondere Eignung für den Bilddruck aus. Seitdem ist die Qualität des Papieres im allgemeinen nach und nach immer geringer geworden, da man mehr Wert auf die billige und schnelle Herstellung und auf die leichte Verwendbarkeit für den Druck als auf die Haltbarkeit und die künstlerisch feine Textur legte. Die bedeutenden Stecher haben der Auswahl des Papiers augenscheinlich stets die grösste Aufmerksamkeit gewidmet. Seit Rembrandt hat man für Vorzugsdrucke von Stichen oft japanisches oder chinesisches Papier benützt.
Die alten Papiere, die natürlich nur mit der Hand hergestellt, geschöpft sind, lassen, gegen das Licht gehalten, verschiedene Marken, Buchstaben, wie das gotische p, oder Gegenstände, wie eine Krone, einen Ochsenkopf, eine Waage, eine Schellenkappe und dergleichen, die sogenannten Wasserzeichen, erkennen. Man glaubt aus diesen Wasserzeichen, die man für Fabrikmarken ansieht, Schlüsse auf die Herkunft der Papiere und die Heimat der Kupferstiche ziehen zu können. Die Wasserzeichen sind aber vielleicht nicht immer Fabrikmarken, sondern oft nur Qualitätsmarken gewesen; dann wurde mit Papier seit ältester Zeit ein lebhafter Handel von Land zu Land getrieben, so dass die Wasserzeichen kein sicheres Kennzeichen äbgeben können. Wohl aber lassen sie Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu und bieten vor allem ein sicheres Merkmal für das Alter der Abdrücke.
Aus dem Buch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten aus dem Jahre 1911, Autor Kristeller, Paul, 1863-1931.
Siehe auch: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten – Vorwort