von Kunstmuseum-Hamburg.de
Der junge Gelehrte und seine Schwester
Gonzales Coques in Antwerpen hiess „der kleine Vandyck“, weil er seinem berühmten Vorbilde eine gewisse Eleganz der Figuren abgesehen zu haben schien. Er galt viel, sowohl bei der Antwerpener Künstlerschaft wie bei den spanischen Statthaltern in Brüssel, denen zu gefallen er seinen guten flämischen Namen Cocx spanisch umformte, wie denn alle belgischen Künstler dieses Zeitalters sich unter der fremden Herrschaft wohl und zufrieden fühlten. Verdankte man doch den Spaniern den grösseren Glanz des Lebens und die vornehmere Haltung, das Höfische, das sich ja schon seit Rubens in der flämischen Malerei im Gegensatz zu der holländischen reichlich bemerklich macht. Coques ist von Vandyck sehr verschieden. Er ist ein Kleinmeister wie David Teniers, im Massstab sowohl wie in der Art der Ausführung. Sein Kreis ist eng, aber seine Art sehr besonders, eine Detailmalerei ohne Kleinlichkeit bei einer aufs feinste abgestimmten, gewöhnlich in der kühlen Skala gehaltenen Färbung. Er malt Porträts, hauptsächlich Gruppenbildnisse, denen er durch leise Bewegungen der Personen zueinander und vor allem durch eine ausgesucht interessante Darstellung ihrer Umgebung mit dem allerverschiedensten, stilllebenartig ausgeführten Beiwerk die Haltung von Genreszenen zu geben weiss, so dass man manchmal unsicher sein kann, ob man überhaupt noch Porträts und nicht bloss Modelle vor sich hat. Es ist für diesen äusserst geschickten Künstler charakteristisch, dass er in Haltung und Bewegung nicht weiter ging und es nicht zum wirklichen Sittenbilde gebracht hat. Er war eine ängstliche Natur und er arbeitete viel zu sorgfältig, um viel zu malen, weswegen auch seine Bilder sehr selten sind. Unser Kasseler Bild von 1640 ist das früheste, das wir von ihm haben. Wir sehen den jungen Gelehrten an seinem Arbeitstisch, aber nicht achtlos und beschäftigt, sondern zum Porträt sitzend. Eine ihm in den Zügen ähnelnde Dame steht am Flügel und spielt. Aber sie sieht uns an und möchte gesehen werden. Wir haben also bestellte Bildnisse vor uns. Aber beinahe sind diese Figuren doch nur die Staffage ihres behaglich eingerichteten Zimmers, das uns in seiner kostbar echten und minutiös wiedergegebenen Ausstattung einen kulturgeschichtlich wertvollen Anblick gewährt. Über der Ledertapete hängen Landschaften in der Art des Joos de Momper; der Innendeckel des Flügels zeigt ein Midasurteil im Stil Brueghels. Coques sowohl wie David eniers der jüngere haben bisweilen ganze Gemäldegalerien gemalt.
Aus dem Buch “Album der Casseler Galerie” von 1907.