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Wachaufahrt

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aus dem Kunstmuseum Hamburg.

Mit Skizzen von Ella Briggs-Baumfeld.

In vielen Gegenden Deutsch-Oesterreichs, besonders in Wien, kann man im Gesamthabitus der Bevölkerung noch deutlich das Völkergemisch spüren, das zum Aufbau des Menschenschlages von heute beigetragen hat.

Da ist es vom völkischen Standpunkt besonders interessant, dass sich ganz nahe von Wien im Donautal reines Deutschtum erhalten hat — in einer baulichen Umwelt, die, fast unverändert seit Jahrhunderten, noch Zeugen der gotischen und aller kommenden Zeiten aufweist-in einer Landschaft voll milder Schönheit.

Ich spreche von der Wachau — so heisst das Donautal zwischen Krems und Melk. Am schönsten ist’s, in einer Vollmondnacht mit dem Dampfer stromaufwärts zu fahren — durch die Donauauen mit ihrem Wasserwild — vorbei an Stift Klosterneuburg, der Ruine Greifenstein. Früh sind wir am Tor der Wachau — rechts Krems, die älteste Stadt Nieder-Oesterreichs, schon 995 als solche bezeichnet, links Stein mit seiner Strafanstalt. Nun gleitet die Donau langsam zwischen bewaldeten und rebenbewachsenen Hügeln dahin. Seit Jahrhunderten sehen freundlich und gleichmütig niedere Häuser unter ragenden Dächern allem Geschehen zu; seit Jahrhunderten achten arbeitsame und genügsame Menschen mehr als auf alles Andere auf Sonne, Wind und Regen — denn wie die Weinernte ausfallen wird, das ists, was die Weinbauer mehr bewegt als aller Wandel der Ereignisse.

Uraltem Menschheitsgeschehen war die Wachau Rahmen. Die Donau entlang sind die Römer gezogen, haben an ihren Ufern ihre Heerlager, die später Städte wurden, auf geschlagen. Im Donautal lässt uns das Nibelungenlied den Zug der Germanen schauen, die Brunnhilde zur Hochzeitsfeier geleiten.

Manchmal an trüben Tagen, wenn die Berge so schwarz blicken, meint man in der Natur noch ein Nachzittern alles Tragischen, das hier geschehen, zu spüren. Dort grüsst, von steilem Fels weit in die Lande blickend, die Ruine Aggstein herunter. Sie war der Sitz eines der grausamsten Raubritter, des „Scheck vom Walde“. Kam,

Uraltem Menschheitsgeschehen war die Wachati Rahmen. Die Donau entlang sind die Römer gezogen, haben an ihren Ufern ihre Heerlager, die später Städte wurden, auf geschlagen. Im Donautal lässt uns das Nibelungenlied den Zug der Germanen schauen, die Brünnhilde zur Hochzeitsfeier geleiten.

Manchmal an trüben Tagen, wenn die Berge so schwarz blicken, meint man in der Natur noch ein Nachzittern alles Tragischen, das hier geschehen, zu spüren.

Dort grüsst, von steilem Fels weit in die Lande blickend, die Ruine Aggstein herunter. Sie war der Sitz eines der grausamsten Raubritter, des „Scheck vom Walde“. Kam, von Passau oder Wien, ein Kauffahrteischiff die Donau entlang, so liess der Ritter flugs eine Sperrkette quer über die Donau legen und die Schiffe waren gefangen. Wenn sie das verlangte hohe Lösegeld nicht zahlen konnten, so wurden sie bergauf geschleppt und in die tiefen Burgverliesse geworfen. Und dauerte es zu lange, bis das Lösegeld kam, so wurden die Gefangenen auf den höchsten Punkt des Felsens geführt, ein steil über der Donau hängendes Felsplateau, heute noch wie damals „das Rosengärtlein“ genannt. Von da mussten sie sich selbst in die Tiefe stürzen und waren sie zu zögernden Temperaments, so würden sie in der Ausführung dieses unfreiwilligen Entschlusses liebevoll von ihren Führern unterstützt.

Jahrhunderte verstrichen. Und in Städtchen, alle fast an der der Sonne offenen linkem Uferseite gelegen, waren aufrechte Bürger am Werk; Bürger, die zugleich Weinbauer waren oder mit dem Wein handelten, den sie wohlverwahrt hielten in den Felsenkellern, die, eigene Gebäude, nur wenig über dem Erdboden erhaben, noch heute allenthalben an den Ufern zu sehen sind. Helläugig waren diese Bajuvaren, hellhörig und dickschädlig. Sie hatten in Massen die neue Lehre angenommen, die von Wittenberg gekommen war, und aufrecht hielten sie an ihr fest. Da kam von Wien das Protestantenedikt: „Rückkehr zur alleinseligmachenden katholischen Mutterkirche oder Verfall aller Güter und Landesverweisung.“

Wurden viele durch diesen Zwang bekehrt? O nein! Aufrecht, dickschädlig liessen sie allen Besitz — ihre Häuser mit den von Bogenhallen umgebenen Höfen — ihre spitzgiebligen Kornspeicher und zogen hinaus in das freiere Deutschland. Mit ihrem unbeugsamen Sinn, ihrem zähen Fleiss haben sie mit Grund gelegt zur Art des heutigen Reichsdeutschen — nicht das Beste in völkischer und moralischer Beziehung blieb in der Wachau zurück, wo seit jener Zeit frische Schaffensfreudigkeit, die aus dem Volke quillt, zu bestehen aufgehört hat.

Nun kam die Zeit der Gegenreformation— mit prunkenden Bauten, mit Glanz und Musik ein Wohlstand, der jetzt von der allmächtig gewordenen Priesterschaft ausging, die ganze Bevölkerung von ihr abhängig machte. Wahre Juwele der barocken Architektur birgt die Wachau — wie die Kirchenfassade von Dürnstein aus dem Fels über der Donau aufwächst ist mit das Schönste, Wogendste, Musikalischste was die Barocke geschaffen. Diese räumlich kleine Lösung , sowohl wie der an Bedeutung einem Neubau gleichkommende Umbau des Stiftes Melk stammen von Michael Brandauer, einem der grössten österreichischen Barockmeister. Melk, das in seinen frühesten, vom Umbau unberührten Teilen noch romanische und frühgotische Formen zeigt, war ursprünglich die Residenz der Babenberger, : Herzoge der Ostmark. 1089 wurde es, getreu dem alten Spruch „Benedictes in montes,: cistercienses in vales“ Benediktinerabtei, die zugleich Klosterschule (heute Gymnasium) war. Die Silhouette des hoch über der Donau gelegenen Stiftes ist von allen Seiten gewaltig, dabei von massvoll gebändigter Schönheit der Formen. Reich wie Kaiserresidenzen muten diese Klöster an; auch das nahe gelegene Göttweih ist Benediktinerabtei. Der Prunkraum, mit dem ein Kloster immer das andere zu überbieten hoffte, ist die Bibliothek. In niederen stehenden Glasvitrinen leuchten uralte illuminierte Handschriften vom Farben- und Goldglanz ihrer Initialen. Aus geschnitzten, vergoldeten Bücherkästen, in schönstem geschwungenstem theresianischem Styl grüssen in Pergament gebundene Erstausgaben den neiderfüllten Bibliophilen. Prachtspeisesäle, mit Marmorwänden kühlrauschenden Wandbrunnen lassen die Tafelfreuden der geistlichen Herren erraten. Die Kirchen dieser Klöster sind voll der berauschenden und doch, an den tiefen Wirkungen der Gotik gemessen, künstlerischen Feierlichkeit dieser Zeit. Die Altäre zeigen Bilder eines berühmten Barockmalers, Kremser Schmidt, der auch die ovalgewölbten Kirchendecken ausmalte, von denen, heiter, prächtig, Himmel mit allen Heiligen grüssen, mit musizierenden Engeln Vorhänge hellenden Putten — Wunder perspektivischer Untersichten, die mit allen Mitteln raffinierter Dekorationsmalerei ein Sich-Oeffnen des Bauwerks ins Unendliche vor täuschen wollen.

Die Barocke war die letzte grosse Periode der Wachau. Seither ruht sie — fast unberührt von allem Geschehen sieht sie aus, trotzdem sie von den Napoleonischen Kriegen durchtobt wurde; besonders die berühmte Schlacht bei Loiben, 1805, ist in Aller Erinnerung. Dem Architekturkundigen erzählen, wahrhafter als Bücher es können, ihre eng an die Hügel geschmiegten oder in steilen Stadtgassen vereinigten Häuseln von wandelnden Zeiten — Alle aber heimelt sie an: In uralten malerischen Höfen wäscht die Hausfrau, heute wie ehemals im hölzernen Trog ihre Wäsche. In dunkelgetäfelten, niederen Wirtsstuben mit vom Alter und Rauch geschwärzten Balkendecken sitzen die Bürger beim Wein, andächtig mit der Zunge die Güte der verschiedenen Jahrgänge gegen einander abwägend. Die Wachau hat nicht viel Weinexport, denn frommen und dankbaren Gemüts trinkt der Bürger, was ihm sein Fleiss, seine Erde geschenkt hat.

Keine prunkenden Hotelbauten darf man erwarten — doch fehlt mit ihnen auch, dem Himmel sei Dank, die protzige, schmuckbeladene, unmanierliche Schar der neuen Reichen. Etwas viel Selteneres als Hotels hat die Wachau noch — einige berühmte alte Gaststätten, wo der Wirt dem Gastfreund nur reinsten Tropfen, die Wirtin nur allerbeste der nach heiliggehaltener lieber lieferung bereiteten Speisen vorsetzt. In Dürnstein, weit über das Donautal schauend, ist solch ein berühmter Gasthof, „Zum Richard Löwenherz“ genannt. Ueber ihm, auf steilem Felsen, die Ruine des Kuenringerschlosses, in dem Richard Löwenherz gefangen sass. Von hier verhalf ihm sein treuer Knappe Blondel zur Flucht, der unter jedem Schloss Richards Lieblingslied sang, bis ihm aus Dürnstein die Stimme seines Herrn antwortete. Ein zweiter altberühmter Wachauer Gasthof ist im Markt Spitz, der sich bescheiden „die Perle der Wachau“ nennt. Eine herrliche spätgotische Kirche hat Spitz und besonders anheimelnd ist der Hof seines im 17. Jahrhundert umgebauten Schlosses.

Von allen Seiten grüsst uns Vergangenheit. Die unzähligen Blumentöpfe, die in den engen Gassen manchmal Hausgärten ersetzen müssen, sehen aus den Bogengängen alter gotischer und Renaissancehöfe auf uns nie der. Oft kann man in der dicken Zimmer wand noch die Nische sehen, aus der, im Eisenring befestigt, der Kienspan das Zimmer erleuchtete — in Zeiten, in denen die Petroleumlampe noch als zukünftige Erfindung im Schoss der Jahrhunderte schlief. Und wenn, an den Abenden in den Donau auen Kinder ihren Ringelreihen tanzen, so singen sie dazu die Verse, die schon Gross eitern und Urgrosseltern gesungen.

Ausser Wein ist Obst das Hauptprodukt des Wachau. Darum ist sie mit am schönsten im Frühjahr, wenn ihre alten Steinmauern aus Blütenhainen emportauchen. Und am reichsten mutet sie uns im Herbst an — die Bäume gebeugt unter der Last ihrer Früchte — auf flachen grossen Kähnen, „Plätten“ genannt, treibt der Obstsegen der Grossstadt zu — aber auch in den Häusern sieht man ihn, wo er auf die Fussböden der Gastzimmer gehäuft ist. Und alles riecht nach Aepfeln. Wenn ich an die liebe alte Wachau denke, kommt mir zugleich ihr feiner Apfelgeruch, der sich so gut mit alten Geschichten verträgt, in den Sinn.

Siehe auch:
Wir Deutsch-Amerikaner
Deutsch-Amerika
Die Deutsch-Amerikaner und das Kaiserreich
Gedanken über die Zukunft des Deutschtums in Amerika
Wie das alte Österreich starb
Wie das alte Österreich starb II
Die Deutschen in Amerika
Die Deutschen in Amerika II
Eine Audienz bei Richard II. (Richard Strauss)
Die Lüge als Fundament
„Deutsch-Amerikas“ Mission
Schundromane auf dem Scheiterhaufen
Lincoln und das deutsche Element
Die Geschichte der Revolution
Der Aufbau Palästinas
Deutschland und der Weltfriede
Vaterland vor der Wiedergeburt
Das Schicksal der deutschen Kolonien
Der letzte Zar im Kreise seiner Familie
Krupp-Werk in Friedens-Arbeit
Die Wolkenburgen der neuen Welt
Deutschlands chemische Industrie in der Nachkriegszeit
Jerusalem die Heilige Stadt
Die Schwarzen Truppen in Deutschland
Schiffsmodelle als Zimmerschmuck
„Bismarck“-„Majestic“- der Meeresriese
Quer durch das neue Deutschland
Quer durch das neue Deutschland II
Quer durch das neue Deutschland III
Von Versailles bis Haag
Klein-Amerika in Ostpreussen
Die Hallo-Mädchen
Nach Palästina
Eine Hamburger Überseewoche
Kinder aufs Land
August Thyssen-Der Senior der Grubenbarone
Deutsche Wolkenkratzer


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