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Klein-Amerika in Ostpreussen

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aus dem Kunstmuseum Hamburg.

„Klein-Deutschland“ so hiess einst ein Stück der unteren Ostseite der Stadt New York — der Name und die Siedelung waren Denkmale der Liebe der Deutschen zu der alten Heimat.

Ein Gegenstück auf deutschem Heimatboden: „Klein-Amerika“ an der Ostgrenze des Reiches, auf ostpreussischem Boden. Und dieses „Klein-Amerika“ ist, wie es einst das „Klein-Deutschland“ war, ein Denkmal der Liebe der Deutschen in Amerika zur alten Heimat…. „Klein-Amerika“ ist das bleibende Zeichen des segensreichen Wirkens der Ost-Preussenhilfe, bei der sich die Deutsch-Amerikaner ohne Unterschied der landsmännischen Zugehörigkeit und des Glaubens in herrlicher Weise betätigt haben.

Den meisten Deutsch-Amerikanern wird das Entstehen und Wirken der Ost-Preussenhilfe von Amerika noch in guter Erinnerung sein. Wie bekannt, brachen im Anfang des Weltkrieges die Russen mit grossen Truppenmassen in Ostpreussen ein und zerstörten einen grossen Teil dieser schönen deutschen Provinz von Grund aus. Die kriegerischen Ereignisse und die grossen Schlachten bei Tannenberg, an den Masurischen Seen sowie die Winterschlacht in Masuren, der zweimalige Vormarsch und die wiederholte Flucht der russischen Truppen brachten furchtbare Folgen für die ostpreussische Bevölkerung und ihr Hab und Gut mit sich.

Die Ernte des Jahres 1914, die beste seit langer Zeit, wurde vollkommen vernichtet. Viele Städte, Ortschaften, Güter und Besitzungen fielen der Plünderung durch die russischen Truppen anheim und wurden ein Raub der Flammen. Die lange Besetzung von grossen Teilen der Provinz durch die Russen brachte ihren Einwohnern ungeheuren wirtschaftlichen Schaden und verzögerte ausserdem den Beginn des Wiederaufbaus beträchtlich. Kaum aber war Ostpreussen von den Russen frei, als die deutsche Regierung sofort tatkräftig an den Wiederaufbau der Provinz heranging.

Es wurde vom deutschen Reich sowohl wie vom Königreich Preussen als selbstverständlich anerkannt, dass der eigentliche Wiederaufbau und der Ersatz der unmittelbaren Kriegsschäden ihnen obliege, und demgemäss ist verfahren worden.

Zahlreiche Vereine bildeten sich in ganz Deutschland, die die Patenschaft über einzelne Wiederaufbaubezirke übernahmen, grosse Mittel aufbrachten und sie zum Segen der zerstörten ostpreussischen Gebiete verwendeten. Um dieser ganzen Bewegung einen Mittelpunkt zu geben, wurde der Reichsverband Ostpreussenhilfe unter dem Vorsitz des Freiherrn v. Lüdinghausen gegründet, in dem sich die Patenvereine zur zielbewussten Durchführung ihrer Bestrebungen zusammenfanden. Gross war die Freude und Genugtuung, als in Ostpreussen bekannt wurde, dass auch die Deutsch-Amerikaner sich diesem grosszügigen Hilfswerk anschliessen wollten. Anfang 1916 bildete sich in Amerika der „East Prussian Relief Fund“, dessen erster Direktorenrat sich folgendermassen zusammensetzte:

Eugen Hennigson, 21—24 State Street, New York, Begründer und Präsident; Richter Alfred K. Nippert, Cincinnati, Ohio, Vize – Präsident; Hubert Cillis, New York, Schatzmeister; Carl L. Schurz, New York, Schriftführer; Wm. P. Ahnelt, New York; J. Murray Bartels, New York; Dr. E. Baruch, New York; Arthur von Briesen, New York; Frau Clara Buehl, Chicago, August Heckscher, New York; Dr. Franz H. Hirschland, New York; Ad. Koerting Fischer, Philadelphia; W. E. Huth, Palisade Park, N. J.; Dr. Hugo Lieber, New York; Victor F. Ridder, New York; Geo. T. Riefflin, New York; Harry Rubens, Chicago, 111.; Carl E. Schmidt, Detroit, Mich.; Dr. Hugo Schweitzer, New York; Georg F. Volkmann, San Francisco, Cal.; Howard E. Wurlitzer, Cincinnati, Ohio.

Die amerikanische Ostpreussenhilfe übernahm zunächst die Patenschaft über den Kreis Ragnit. Als jedoch die, in Amerika gesammelten Beträge immer grösser wurden, wurde es möglich, aus ihnen auch andere Einrichtungen zu unterstützen. Bis zum Frühjahr 1917 kamen so die Deutsch-Amerikaner Ostpreussen mit mehreren Millionen Mark zu Hilfe. Einzelne Angaben über die aus dieser Summe gewährten Unterstützungen mögen hier noch folgen. Der Kreis Ragnit hat mit dem, ihm überwiesenen Betrage, um der dort wie in ganz Ostpreussen infolge des Krieges herrschenden ungeheuren Wohnungsnot, von deren erschreckendem und sich zu einer wahrhaften Volksgefahr auswachsenden Umfange man sich in Amerika schwerlich eine Vorstellung machen kann, zu steuern, eine Kleinsiedlung unter dem Namen „Klein-Amerika“ ganz in der Nähe der Stadt Ragnit errichtet. Ausserdem hat der Kreis Ragnit beträchtliche Mittel zum Bau eines Krankenhauses überwiesen erhalten.

Ferner sind noch 12 andere Kleinsiedlungs-Unternehmungen mit grösseren oder kleineren Summen bedacht worden. Es konnte so in vielen Teilen der Provinz eine grosse Anzahl von Häusern gebaut werden, an denen jetzt, nachdem die Geschäftsführung des Reichsverbandes Ostpreussenhilfe ein Verzeichnis der Stifter erhalten hat, zur bleibenden Erinnerung an dieselben und ihr grossherziges Verhalten Gedenktafeln angebracht sind, beziehungsweise noch angebracht werden, die das Andenken an die Namen der Geber noch erhalten sollen.

Auch folgende grossen wohltätigen Anstalten Ostpreussens konnten mit namhaften Spenden unterstützt werden: das Krüppelheim Angerburg, die Karlhöfer Anstalten und die Seeheilstätte für lungenkranke Kinder bei Lochstädt, alles Wohlfahrtseinrichtungen, die ausschliesslich aus privaten Mitteln unterhalten werden, und daher begreiflicherweise während des Krieges und noch mehr nach seinem unglücklichen Ausgang in Not und Bedrängnis geraten sind. Ausserdem wurde noch die wirksame Unterstützung einer Reihe kleinerer wohltätiger Einrichtungen aus deutsch-amerikanischen Mitteln ermöglicht. Schliesslich sind auch noch für den Aufbau von zwei zerstörten Kirchen Stiftungen gemacht worden.

Im Januar ds. Jahres weilte der Präsident der Ostpreussenhilfe von Amerika, Herr Eugen Hennigson, in Begleitung des Herrn Georg T. Riefflin von New York längere Zeit in Ostpreussen, um hier die, mit Unterstützung der amerikanischen Ostpreussenhilfe getroffenen Einrichtungen zu besichtigen. Herr Hennigson zeigte sich von allem, was er sah, vollkommen befriedigt und konnte feststellen, dass alle in Amerika für Ostpreussen gesammelten Mittel restlos ihrer Bestimmung zugeführt worden sind.

Am Sonntag, den 29. Januar, fand in der Seeheilstätte für Kinder bei Lochstädt die Einweihung einer Gedenktafel statt, die der Verein zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreussen in dankbarer Erinnerung an verschiedene, während des Krieges durch die Ostpreussenhilfe in Amerika zur Erhaltung und Erweiterung der Seeheilstätte gemachten Stiftungen hat herstellen lassen. Die aus Sandstein gefertigte, in schönen Abmessungen gehaltene Tafel, die neben dem Hauptportal angebracht ist und sich der Baufläche vorzüglich anpasst.

 

Herr Hennigson sprach in warmen Worten seinen Dank für die Einladung und die Begrüssungsworte aus und versicherte, dass das Direktorium der amerikanischen Ostpreussenhilfe, jetzt, nachdem die normalen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika wieder hergestellt seien, auch seine Tätigkeit für die Provinz Ostpreussen wieder aufnehmen und nach besten Kräften das Seinige dazu beitragen würde, um der Not in der Provinz zu steuern.

Im Anschluss hieran sei bemerkt, dass die Seeheilstätte Lochstädt für Kinder eingerichtet ist und im Zeitabschnitt von sechs Wochen jeweils zweihundert unterernährte Kinder aufnimmt. Die Anstalt, die unter der Leitung des Landeshauptmannes von Brünneck von Ostpreussen und des Geheimen Rates Passarges stehen, wird von Schwestern geführt und befasst, sich besonders mit der Bekämpfung der Tuberkulose soweit sie leicht auftritt oder im Anfangsstadium ist. Kinder, die während des vorgesehenen Aufenthaltes von sechs Wochen nicht völlig gesundet sind, bleiben auch über diese Zeit hinaus in der Anstalt.

Es ist, mit Rücksicht auf nötige Neubauten und in erster Linie auf die Unterhaltung der segensreichen Anstalt, dringend geboten das Hilfswerk mit nie erlahmenden Kräften fortzusetzen; ohne die weitgehendste Unterstützung seitens der Deutsch-Amerikaner ist es unmöglich das begonnene Werk weiterzuführen und das Heim aufrecht zu erhalten. Es sei beispielsweise erwähnt, dass die Vorräte an Nahrungsmitteln in diesem, wie in vielen Heimen erschreckend knapp sind. Die Deutsch-Amerikaner haben sich in Ostpreussen ein erhabenes Denkmal errichtet, wollen sie es nun verfallen und zugrunde gehen lassen?

Siehe auch:
Wir Deutsch-Amerikaner
Deutsch-Amerika
Die Deutsch-Amerikaner und das Kaiserreich
Wie das alte Österreich starb
Wie das alte Österreich starb II
Die Deutschen in Amerika
Die Deutschen in Amerika II
Eine Audienz bei Richard II. (Richard Strauss)
Die Lüge als Fundament
„Deutsch-Amerikas“ Mission
Schundromane auf dem Scheiterhaufen
Lincoln und das deutsche Element
Die Geschichte der Revolution
Der Aufbau Palästinas
Deutschland und der Weltfriede
Vaterland vor der Wiedergeburt
Das Schicksal der deutschen Kolonien
Der letzte Zar im Kreise seiner Familie
Krupp-Werk in Friedens-Arbeit
Die Wolkenburgen der neuen Welt
Deutschlands chemische Industrie in der Nachkriegszeit
Jerusalem die Heilige Stadt
Die Schwarzen Truppen in Deutschland
Schiffsmodelle als Zimmerschmuck
„Bismarck“-„Majestic“- der Meeresriese
Quer durch das neue Deutschland
Quer durch das neue Deutschland II
Von Versailles bis Haag


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