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Jerusalem die Heilige Stadt

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aus dem Kunstmuseum Hamburg.


Um Ostern wandelt die Christenheit der ganzen Welt im Geiste mit ihrem Erlöser den Schmerzensweg in Jerusalem. Der Palmsonntag erinnert uns an den Einzug Jesu in Jerusalem; der Gründonnerstag zeigt uns Jesus, wie er vor seinem Tode mit seinen Jüngern das letzte Mahl verzehrt und ihnen—als Beispiel seiner demütigen Gesinnung — die Füsse wäscht; der Charfreitag stellt uns unter das Kreuz auf Golgatha, und der Ostersonntag führt uns mit den Frauen an das leere Grab. Alljährlich bewegt sich um Ostern eine kaum zählbare Menge von Pilgern nach Jerusalem; ihnen genügt es nicht, im Geiste ihrem Erlöser nachzufolgen, sie wollen mit ihren eigenen Füssen den Weg wandeln, auf dem seine Füsse gestanden haben, und wollen mit ihren Lippen den Boden küssen, den seine Schritte berührt haben.

Wer die Stadt Jerusalem gut übersehen will, muss in das Kidrontal, das die Stadt im Osten wie ein tiefer, steiler Graben umzieht, hinabgehen und dann den Westabhang des Oelberges -hinanschreiten, dessen Gipfel durchschnittlich 50 m höher als Jerusalem liegen.

Die Bautätigkeit der letzten Jahrzehnt hat dem Stadtbilde Jerusalems eine grössere Mannigfaltigkeit verliehen. Während früher über die niedrigen, mit flachen Kuppeln überdeckten Häuser nur die schlanke Minarette der muslimischen Moscheen un einige grössere Kuppeln, emporragten, erblickt das Auge jetzt schon eine Anzahl vo ansehnlichen Kirchen, die nach abendländischer Weise ihren stattlichen Turm nebe sich haben.

Die berühmteste dieser Kirchen, die Kirche des Heiligen Grabes, wie wir Abendländer sagen, oder die Auferstehungskirche, wie sie das christliche Morgenland zu nennen pflegt liegt in dem westlichen Stadtteil, der vo dem Haram esch Scherîf durch ein jetzt verschüttetes Tal getrennt wird, das Jerusalen von Norden nach Süden durchzieht. Der altersgraue Bau liegt in der Mitte eines ausgedehnten Häuserviertels und ist nur an einer Seite, im Süden, durch enge Gasse hindurch für das grosse Publikum zugänglich. Vor dem Portal dehnt sich ein nicht grosser Vorhof aus, der in der Festzeit von regem Verkehr belebt wird. Da sitzen zahlreiche Verkäufer, die orientalische Tücher und Zierate, Sachen aus Olivenholz und Elfenbein, wie sie besonders in Bethlehem angefertigt werden, Rosenkränze und Wachlichter (oder auch Palmenzweige am Palmsonntage) den Pilgern und Fremden anbieten.

Bettler strecken ihre Hand aus und fügen in weinerlichem Tone ihre dringende Bitte hinzu. Priester mit ihren Schützlingen besuchen oder verlassen die Grabeskirche. Bunter wird das Bild, wenn eine Prozession der orthodoxen Griechen unter Führung ihres Patriarchen über den Platz zieht, um einen feierlichen Gottesdienst in der Grabeskirche zu halten. Die ernste oder freudige Stimmung der Feier wird je nach der Bedeutung des Festtages in leicht verständlicher Weise symbolisch angedeutet; am Ostersonntag z. B. werden Rosen und andere Blumen auf den Weg der Prozession gestreut oder die zuschauende Menge wird mit Rosenwasser besprengt. Einmal im Jahre, am Morgen des Gründonnerstags, ist dieser Vorhof der Grabeskirche der Schauplatz einer kirchlichen Feier, die man geradezu als ein Volksfest bezeichnen kann. Schon um Sonnenaufgang versammelt sich die Menge vor der Grabeskirche; man sucht sich entweder auf dem Vorhof einen festen Platz zu sichern, oder, man bemüht sich, auf den Treppen, Vorsprüngen und Mauern der anstossenden Gebäude einen guten Standort zu gewinnen. Wenn der Patriarch um neun Uhr mit zwölf anderen Geistlichen erscheint, ist jedes Plätzchen auf dem Hofe und an der Grabeskirche, wo nur ein Mensch sitzen oder stehen kann, bis unter das Dach besetzt.

Der Patriarch nimmt nebst seiner Begleitung auf einer hölzernen Bühne Platz. Ein jüngerer Geistlicher, der über eine helle, recht weittragende Stimme verfügt, besteigt eine einfache Kanzel, die für diesen Tag an der der Bühne gegenüberstehenden Wand befestigt wird.

Darauf beginnt die eigentliche Feier. Der letzte Teil der Leidensgeschichte Jesu, namentlich die Gespräche mit seinen Jüngern, wird gleichsam mit verteilten Rollen vorgelesen; der Patriarch liest die Worte Jesu, andere Geistliche die des Petrus, Johannes und Judas, während dem Manne auf der Kanzel sozusagen die Rolle des Evangelisten in den Bachschen Oratorien zufällt: er liest die Erzählung nach dem Evangelien. Die Fusswaschung wird vor aller Augen wirklich vollzogen: der Patriarch wäscht den zwölf Geistlichen, die mit ihm auf der Bühne sitzen, die Füsse.

Die ganze Feier wird von dem Patriarchen mit den Worten Jesu geschlossen: „Stehet auf, lasset uns von hinnen gehen, er ist nahe, der mich verrät.“ (Johannes 14, 31; Matthäus 26, 46.) Er zieht sich darauf mit den Geistlichen in seine Residenz zurück. Die Menge, die in musterhafter Stille der Feier gefolgt ist, wartet noch ein wenig. Sie richtet ihre Blicke auf den grossen Zweig eines Oelbaumes, den man von dem Dach des Gebäudes herabgelassen hat, als sollte er dem Geistlichen auf der Kanzel Schatten spenden. Sobald er wieder in die Höhe gezogen wird, bricht sie in lauten Jubel aus und zerstreut sich.

Die Grabeskirche selbst ist sehr wenig übersichtlich und mit einer ganzen Reihe von angrenzenden Gebäuden, kleineren Kirchen und Klöstern, unmittelbar verbunden. Die heutige Gestalt der Kirche stammt aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts.

Der ganze Bau zerfällt in zwei Teile, in einen Rundbau, die Rotunde über der Kapelle des Heiligen Grabes im Westen, und in einen Langbau, die griechische Kathedrale im Osten. Der Rundbau wölbt sich auf achtzehn durch Bogen miteinander verbundenen Pfeilern in stattlicher Höhe zu einer eisernen, oben jedoch offenen, aber mit einem Schirm gedeckten Kuppel, die 1868 auf Kosten Frankreichs und Russlands erneuert wurde. In der Mitte dieses Rundbaues steht nach allen Seiten hin frei die Kapelle des Heiligen Grabes, bei dem Neubau 1810 ganz in Marmor aufgeführt. Sie ist aber durch Bilder, Lampen und kostbare Gemälde so reichlich geschmückt, dass man ihre Gestalt nicht genau erkennen kann. Ihr Inneres zerfällt in einen Vorraum, die sogenannte Engelskapelle, und in die eigentliche Grabkapelle, ein kleines Gemach, 2 m lang und 1,80 m breit. Eine mit Marmorplatten bekleidete Bank an der rechten Seite überdeckt die angebliche Grabstätte Jesu. Ob sie die wirkliche ist, bildet seit langer Zeit schon den Gegenstand des Fragens und Streitens, worauf hier nicht eingegangen werden kann. Das Marmorrelief des auferstehenden Heilands, das die Wand über der Grabstätte verziert, soll uns hier lieber daran gemahnen, dass die Christen den Heiland nicht mehr im Grabe suchen, sondern sich ihn als den lebendigen und verklärten Herrn denken.

Golgatha, die Stätte der Kreuzigung Jesu, befindet sich an der Südseite der griechischen Kathedrale, neben dem Seitenschiff der alten Kreuzfahrerkirche, unter demselben Dach. Eine Treppe führt zu vier neben einander liegenden Kapellen, die dem Andenken an verschiedene Szenen der Kreuzigung gewidmet sind. Von dem ursprünglichen Felsen ist jetzt fast nichts mehr zu sehen. Wahrscheinlich is er, um die Stätte in den Kirchenbau einzufügen, zu einem Block mit aufrechten Wänden behauen und mit Mauerwerk umkleidet worden, das jetzt die genannten Kapellen trägt, deren Boden sich etwa 4 m über die Bodenfläche der angrenzenden Kirche erhebt.

Einige Angaben aus der wechselreichen Geschichte der Grabeskirche mögen diese Mitteilungen beschliessen. Konstantin, der erste christliche Kaiser, gab 326 den Befehl, das Grab Jesu durch ein prächtiges Gebäude zu schmücken, das im Westen die Rotunde über dem Grabe und daneben nach Osten hin eine sogenannte Basilika von etwa 75 m Länge umfasste. Daran schlossen sich ein Hof (Atrium) und eine Vorhalle an, die an der Marktstrasse Jerusalems endete. Der ganze Bau hatte eine Länge von 145 m. Er wurde 614 von den Persern durch Feuer verwüstet. Der Abt eines Klosters in der Nähe von Jerusalem, Modestus, liess dann unter grossen Anstrengungen 616 bis 626 einen kleineren Neubau aufführen. Dieser wurde 1010 von dem arabischen Kalifen Hakim zerstört, doch bis 1048 erneuert.

Die Kreuzfahrer begannen 1140 einen durchgreifenden Neubau, der erst 1168 vollende wurde. Diese Kirche blieb im allgemeinen erhalten bis zu dem Brande von 1808, voi dem schon oben die Hede war.

Mit der Grabeskirche steht im engstet Zusammenhänge die Via dolorosa, dem „Schmerzensweg“ Jesu, auf dem er von den Richthause des Pilatus oder dem Prätorium an bis auf Golgatha sein Kreuz getragen haben soll. Ihr Ende liegt demnach in der Grabeskirche selbst.

Der Anfang des Schmerzensweges ist nur wenige Minuten nach Westen von der Annenkirche entfernt. Er zählt im ganzen vierzehn Stationen. Zwischen der zweiten um dritten Station wird die Strasse von einen steinernen Bogen überspannt, der ein kleines Zimmer mit einem Fenster trägt. Er wird seit dem fünfzehnten Jahrhundert der Eccehomo-Bogen genannt, weil man annahm, dass dort oben der Landpfleger Pontius Pilatus gestanden habe, als er von Jesus, der Dornenkrone und Purpurkleid trug sagte: „Sehet, welch ein Mensch!“ (lateinisch: Ecce homo, Johannes 19, 5).

Wir verlassen nun die Stadt und steiget den steilen Weg in das Kidrontal hinab, da: sich in der Richtung von Norden nach Süden zwischen Jerusalem und dem Oelberg hinzieht. Es ist in der Regel trocken, nur in der winterlichen Regenzeit kann man dort bisweilen das Rauschen von Wasser vernehmen. Nahe an der Talsohle findet wir eine Anzahl von Grabstätten, kunstvoll und einfache, alte und neue. Die neuen Gräber sind oft nur durch eine Steinplatte bezeichnet, die nicht selten eine hebräische Inschrift trägt. Sie rühren von frommen Juden her, die die Sehnsucht nach der Stad ihrer Väter oft aus weiter Ferne hierher getrieben hat, um in Jerusalem zu sterben und begraben zu werden.

Jedem christlichen Besucher Jerusalem wird der Aufenthalt in dem Galten Gethsemane unvergesslich sein. Er liegt nur wenig höher als die eben beschriebenen Grabmäler am Abhänge des Oelberges und etwa weiter nach Norden. Die Evangelien redet von einem „Hofe Gethsemane“. Gegenwärtig trägt diesen Namen ein ummauerter Garten, der den Franziskanern gehört und von ihnen mit grosser Liebe gepflegt wird. Die ältesten Nachrichten, die wir über diese Stätte haben, gehen bis auf das vierte Jahrhundert zurück. Die Lage des Ortes entspricht durchaus dem, was wir nach Angaben der Evangelien, z. B. Markus 14 32 ff. erwarten müssen: jenseits des Kidror am Abhang des Oelberges, in stiller Abgeschiedenheit. Noch heute ist die Stille des Gartens wohl geeignet dazu, dass sich de Besucher zurückversetze in jene nächtlich Szene des schwersten Seelenkampfes Jesu und — des Verrats durch seinen Jünger Judas.

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