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Die Heuschreckenplage in Südafrika

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aus dem Kunstmuseum Hamburg


Zu den Heimsuchungen, welche die wirtschaftliche Entwicklung unserer afrikanischen Kolonien von Zeit zu Zeit hemmen, gehört die Heuschreckenplage. Im Jahre 1891 verwüsteten die Heuschrecken in Deutsch-Südwestafrika den grössten Teil der Ernten, in den Jahren 1894 und 1895 brachen ungeheure Schwärme in Deutsch-Ostafrika ein und riefen eine schwere Hungersnot unter den Eingeborenen hervor, ebenso im Jahre 1898, und seit 1899 machen sie sich auch in Togo verheerend bemerkbar. Aus Kamerun liegen derartige Beobachtungen noch nicht vor, da die europäischen Pflanzungen sich innerhalb des mächtigen Urwaldgürtels der Küstenzone befinden, in der die Heuschrecken der Steppen des Hinterlandes nicht einzudringen vermögen. Die schweren Schäden, die das britische Südafrika alljährlich durch die Heuschrecken erleidet, veranlasste die dortigen Behörden, systematische Massregcln zur Abwehr dieser Plage zu ergreifen. Auf der diesjährigen Heuschreckenkonferenz in Kapstadt, auf der auch das Gouvernement von Windhuk vertreten war, stellte der Leiter des entomologischen Instituts in Johannesburg fest, dass allein in Transvaal durch die Bekämpfung der Heuschrecken für 10 Millionen Mark Feld- und Gartenfrüchte gerettet worden seien; die Unkosten dafür beliefen sich auf rund 270000 Mark. Die Anregung, die Heuschrecken in ihrem hauptsächlichsten Brutherde, der Kalahari, aufzusuchen, wurde von der Konferenz wegen der grossen Kosten und ungenügenden Verkehrsmittel, sowie wegen Befürchtung eines Widerstandes der Eingeborenen denen die Heuschrecken zur Nahrung dienen, abgelehnt. Als bestes Mittel bewährte sich bisher die Infizierung der Schädlinge mit dem sogenannten Heuschreckcnpilz, mit dem auch bei Windhuk und in Deutsch-Ostafrika Erfolge erzielt wurden. Binnen zwei Wochen können damit die grössten Schwärme vernichtet werden. Sehr wichtig sind die Beobachtungen, dass der Pilz auch in der freien Natur auf Gräsern und niedrigen Büschen vorkommt, also in der näheren Umgebung von Farmen und Gärten gezüchtet werden kann. Um grosse Mengen des Heuschreckenpilzes zu sammeln, kehrt man an ihm eingegangene Heuschrecken haufenweise zusammen und lässt sie einige Tage hindurch an schattigen Stellen, am beste lose geschichtet in verdeckten Gruben, vom Pilz durchwuchern. Dann breitet man die Masse auseinander, lässt sie, stets von der Sonne geschützt, trocknen, zerstampft sie und bewahrt das Pulver in verschlossenen Gläsern auf oder streut es je nach Bedarf über Buschwerk und Rasenflächen aus und infiziert so das Futter der Heuschrecken. Neben dieser Pilzinfektion hat sich eine Arseniklösung als gutes Mittel bewährt.



Während meiner Ende 1906 und Anfang 1907 erfolgten Durchquerung der mittleren Kalahari von Palapye-Road über den Ngami-See nach Windhuk vermochte ich einige interessante Beobachtungen zu machen. Am Ostrande der Kalahari bei Seme stiess ich nach den ersten Regenfällen im Oktober auf einen mehrere Kilometer langen und bis zwanzig Meter breiten Zug erst acht Tage alter, braunroter Heuschrecken, einer Pachytylusart von der Grösse einer Fleischfliege. Zwei Monate später fand ich am Botletlefluss bei Tschanocha viele vereinzelte, alte, geflügelte Heuschrecken einer Schistocercaart als Zurückgebliebene eines grossen, nach Westen geflogenen Schwarmes vor, die auffallend träge waren. Bei näherer Untersuchung zeigte es sich, dass die meisten von winzigen, roten Milben einer Trombidiumart befallen worden waren, die zu drei bis sechs Stück meist an den Fliigelwurzeln ihrer Wirtstiere festgesaugt sassen und sie offenbar sehr geschwächt hatten. Einige Wochen nachher geriet ich im Chansefeld in einen Schwarm alter, hellgelber Heuschrecken einer Schistocercaart. Einige untersuchte ich sofort und fand in einem Insekt einen drei Dezimeter langen zwirnförmigen Fadenwurm einer Mermisart.

Eine andre Heuschrecke, die sich durch krankhafte Blässe von ihren hellgelben Gefährten abhob, war voll von kleinen dicken Maden. Gleichzeitig sah ich Schwärme von Fleischfliegen stellenweise über den Heuschrecken schwirren und fand auf einer derselben eine junge Made, die durch einen klebrigen Schleim auf dem Heuschreckenkörper haftete und augenscheinlich soeben von einer Fliege abgesetzt worden war; die Made war emsig bestrebt, sich in den Leib ihres Wirtes an der Wurzel eines Hinterschenkels einzubohren. Von andern Heuschreckenfeinden bemerkte ich hier nur eine grosse blauschwarze Grabwespe, die im Sande ein Loch aufschaufelte, dann eine vereinzelte Heuschrecke überfiel, sie durch mehrere Stiche lähmte, das regungslose Insekt an den Fühlern in das Loch schleppte und nach Abgabe von Eiern in dem Heuschreckenkörper das Loch zuscharrtc

Mitte Februar 1907 hielt ich mich in Rietfontein-Ost auf. Bei einem nächtlichen Rundgang um die verlassene deutsche Kaserne gewahrte ich, dass an ihrer Nordwestseite am abgeholzten Ufer des dortigen grasigen Bettes und in diesem selbst sich ein nach Millionen zählendes Heer von drei bis vier Wochen alten Fussgängern einer Pachytylusait festgesetzt hatten. Die Fussgänger sind mehr gefürchtet als die ausgewachsenen geflügelten Insekten, da sie in Häuser und Hütten kriechen und Wäsche, Kleider, Nahrungsmittel, Kisten und Betten annagen und fast alles zerfressen. Die Büsche und Pflanzen der Umgebung zeigten sich mit den Fussgängcrn schwer beladen, die in der Morgenkühle halb erstarrt waren. So weit das Auge reichte, war alles Land nordwestlich der Kaserne von ruhenden Heuschrecken bedeckt.

In unabsehbaren Kolonnen, oft mehrere Zoll hoch über einander, kamen sie knisternd und knackend heran und erfüllten die ganze Gegend mit üblem Geruche. Links und rechts rasselten sie an der Kaserne vorbei und erkletterten in dichten Schwärmen die Westfront den aus vier zusammenhängenden Trakten bestehenden Bau, begnügten sich aber glücklicherweise, auf den Dächern des nördlichen und südlichen Traktes weiterzulaufen und über die Südwand hinab die Kaserne zu verlassen. Eine dünne Kolonne, die auf niedergebrochenen Dachbalken der Westfront in den Kasernenhof drang, wurde von Buschmännern mit belaubten Zweigen durch ein Tor in das Freie abgeleitet. Kurze Zeit später kreuzte ich in dortiger Gegend in vierstündigem Ritte einen Schwarm brauner Fussgänger, der aus der mittleren Kalahari nach Nordwesten in das Damaraland zog und in dichtgedrängten Massen den Boden bedeckte. Einige Kilometer nach Passierung dieses Schwarmes sattelte ich ab, wurde aber nach einer halben Stunde höchst unangenehm aus dem Mittagsschlummcr aufgeschreckt, da weitere Millionen von Fussgängern, die wohl zu dem früheren Schwarme gehörten und auch dessen Wegrichtung einhiclten, knisternd und rasselnd vorbeizogen, während Dutzende ermüdeter und hungriger Heuschrecken an Sattelzeug und Kleidern zu fressen begannen, so dass ich zum raschen Verlassen des Platzes und weiterem einstündigen Ritte gezwungen war.

Bei Colesberg in der Kapkolonie geriet ich in einen ungewöhnlich grossen Schwarm fliegender Heuschrecken. Die Myriaden durcheinander schwirrender Tierchen verdunkelten wie eine niedrig hängende Wetterwolke die Luft, und durch das Sausen und Brausen der Millionen von rudernden Flügelchen wurde mein Pferd scheu und stürzte, nachdem ich abgesessen war, mehrmals, denn der Boden war stellenweise mehr als fusshoch mit den krabbelnden Tieren bedeckt. Unaufhörlich tröpfelte der Kot herab und wirbelten abgerissene Heuschreckenflügel nieder, da die Brachschwalben (Glareola melanoptera) zu Tausenden in den Schwarm stiessen und eine reiche Mahlzeit hielten. Am folgenden Tage schimmerten die nächsten Bergrücken in braun-roter Farbe, denn die Heuschrecken hatten sich auf ihnen niedergelassen.

Dank der Bemühungen der deutschen und britischen Behörden und Entomologen ist nunmehr begründete Aussicht vorhanden, dieser Landplage immermehr Herr zu weiden.

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